Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

und fand wirklich den, auf den er so lange gewar-
tet hatte. Hinter der Gruppe am Kreuz saß
Münchhausen auf einem alten Opferstocke, den
man, weil er unbrauchbar geworden seyn mochte,
dort hingestellt hatte. Als der Schriftsteller seinen
Curanden näher betrachtete, so weit dieses die
Dunkelheit des Ortes zuließ, erschrak er, denn der
Abentheurer sah ganz anders aus, wie am Mor-
gen. Sein Gesicht schien völlig eingefallen zu seyn,
die Backenknochen schienen weit hervorzustehen. Auch
der Anzug war in Unordnung. Keinen Hut hatte
er auf dem Kopfe, die Uniform klaffte vorn weit
auseinander, die Weste war aufgerissen, die nackte
Brust zeigte sich. Er sprach kein Wort. Der
Schriftsteller faßte seine Hand an, sie war grabeskalt.

Dieser nahm sich zusammen und sagte fest:
Was soll das? Warum sitzt Ihr hier? Folgt
mir nach der Schenke!

Kommt sie? flüsterte Münchhausen leise mit
hohler Stimme.

Wer?

Sie! Der böse Feind. Hu! -- An den Rö-
cken kennt man sich wieder, wenn die Gesichter
unkenntlich geworden sind. Warum zog ich mei-

und fand wirklich den, auf den er ſo lange gewar-
tet hatte. Hinter der Gruppe am Kreuz ſaß
Münchhauſen auf einem alten Opferſtocke, den
man, weil er unbrauchbar geworden ſeyn mochte,
dort hingeſtellt hatte. Als der Schriftſteller ſeinen
Curanden näher betrachtete, ſo weit dieſes die
Dunkelheit des Ortes zuließ, erſchrak er, denn der
Abentheurer ſah ganz anders aus, wie am Mor-
gen. Sein Geſicht ſchien völlig eingefallen zu ſeyn,
die Backenknochen ſchienen weit hervorzuſtehen. Auch
der Anzug war in Unordnung. Keinen Hut hatte
er auf dem Kopfe, die Uniform klaffte vorn weit
auseinander, die Weſte war aufgeriſſen, die nackte
Bruſt zeigte ſich. Er ſprach kein Wort. Der
Schriftſteller faßte ſeine Hand an, ſie war grabeskalt.

Dieſer nahm ſich zuſammen und ſagte feſt:
Was ſoll das? Warum ſitzt Ihr hier? Folgt
mir nach der Schenke!

Kommt ſie? flüſterte Münchhauſen leiſe mit
hohler Stimme.

Wer?

Sie! Der böſe Feind. Hu! — An den Rö-
cken kennt man ſich wieder, wenn die Geſichter
unkenntlich geworden ſind. Warum zog ich mei-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0451" n="437"/>
und fand wirklich den, auf den er &#x017F;o lange gewar-<lb/>
tet hatte. Hinter der Gruppe am Kreuz &#x017F;<lb/>
Münchhau&#x017F;en auf einem alten Opfer&#x017F;tocke, den<lb/>
man, weil er unbrauchbar geworden &#x017F;eyn mochte,<lb/>
dort hinge&#x017F;tellt hatte. Als der Schrift&#x017F;teller &#x017F;einen<lb/>
Curanden näher betrachtete, &#x017F;o weit die&#x017F;es die<lb/>
Dunkelheit des Ortes zuließ, er&#x017F;chrak er, denn der<lb/>
Abentheurer &#x017F;ah ganz anders aus, wie am Mor-<lb/>
gen. Sein Ge&#x017F;icht &#x017F;chien völlig eingefallen zu &#x017F;eyn,<lb/>
die Backenknochen &#x017F;chienen weit hervorzu&#x017F;tehen. Auch<lb/>
der Anzug war in Unordnung. Keinen Hut hatte<lb/>
er auf dem Kopfe, die Uniform klaffte vorn weit<lb/>
auseinander, die We&#x017F;te war aufgeri&#x017F;&#x017F;en, die nackte<lb/>
Bru&#x017F;t zeigte &#x017F;ich. Er &#x017F;prach kein Wort. Der<lb/>
Schrift&#x017F;teller faßte &#x017F;eine Hand an, &#x017F;ie war grabeskalt.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er nahm &#x017F;ich zu&#x017F;ammen und &#x017F;agte fe&#x017F;t:<lb/>
Was &#x017F;oll das? Warum &#x017F;itzt Ihr hier? Folgt<lb/>
mir nach der Schenke!</p><lb/>
        <p>Kommt &#x017F;ie? flü&#x017F;terte Münchhau&#x017F;en lei&#x017F;e mit<lb/>
hohler Stimme.</p><lb/>
        <p>Wer?</p><lb/>
        <p>Sie! Der bö&#x017F;e Feind. Hu! &#x2014; An den Rö-<lb/>
cken kennt man &#x017F;ich wieder, wenn die Ge&#x017F;ichter<lb/>
unkenntlich geworden &#x017F;ind. Warum zog ich mei-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[437/0451] und fand wirklich den, auf den er ſo lange gewar- tet hatte. Hinter der Gruppe am Kreuz ſaß Münchhauſen auf einem alten Opferſtocke, den man, weil er unbrauchbar geworden ſeyn mochte, dort hingeſtellt hatte. Als der Schriftſteller ſeinen Curanden näher betrachtete, ſo weit dieſes die Dunkelheit des Ortes zuließ, erſchrak er, denn der Abentheurer ſah ganz anders aus, wie am Mor- gen. Sein Geſicht ſchien völlig eingefallen zu ſeyn, die Backenknochen ſchienen weit hervorzuſtehen. Auch der Anzug war in Unordnung. Keinen Hut hatte er auf dem Kopfe, die Uniform klaffte vorn weit auseinander, die Weſte war aufgeriſſen, die nackte Bruſt zeigte ſich. Er ſprach kein Wort. Der Schriftſteller faßte ſeine Hand an, ſie war grabeskalt. Dieſer nahm ſich zuſammen und ſagte feſt: Was ſoll das? Warum ſitzt Ihr hier? Folgt mir nach der Schenke! Kommt ſie? flüſterte Münchhauſen leiſe mit hohler Stimme. Wer? Sie! Der böſe Feind. Hu! — An den Rö- cken kennt man ſich wieder, wenn die Geſichter unkenntlich geworden ſind. Warum zog ich mei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/451
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/451>, abgerufen am 03.05.2024.