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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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friedenheit mein Heu, obgleich es eine Lebensart
ist, die sich nicht ganz für meinen sonstigen Stand
schickt. Dacht' aber immer: Heut kommt der Herr
Graf und holt dich ab, und kommt er heut' nicht,
so kommt er morgen, und so hat sich's nun auch
zugetragen.

Unserem Oswald that es nach den fratzenhaften
Ereignissen des Tages wehmüthig wohl, mit sei-
nem Alten zusammenzutreffen. Eine Thräne trat
in sein Auge. Er drückte dem Alten die Hand
und sagte: Du hattest ganz Recht, Jochem, als
du glaubtest, ich werde nach dir forschen, und
säßest du im Mittelpuncte der Erde. -- Jochem
blieb hiebei trocken, wie immer und versetzte: Sie
haben auch schwäbisch Blut im Leib, mein Herr
Graf, und das verläßt einander nicht. -- Oswald
sah sich um und erblickte verwundert einen Heu-
schoppen in der Nähe, der ihm so vorkam, wie
der, in welchem er die Nacht zugebracht hatte.
Wo hast du in voriger Nacht geschlafen? fragte er.

Dort im Schoppen, versetzte der Alte, wie alle Nacht
mein Amt ist, um dem Bauer sein Heu zu bewachen.

Sein Gebieter erzählte ihm nun, daß sie die-
sem Umstande zu Folge schon in der Nacht unwis-

friedenheit mein Heu, obgleich es eine Lebensart
iſt, die ſich nicht ganz für meinen ſonſtigen Stand
ſchickt. Dacht’ aber immer: Heut kommt der Herr
Graf und holt dich ab, und kommt er heut’ nicht,
ſo kommt er morgen, und ſo hat ſich’s nun auch
zugetragen.

Unſerem Oswald that es nach den fratzenhaften
Ereigniſſen des Tages wehmüthig wohl, mit ſei-
nem Alten zuſammenzutreffen. Eine Thräne trat
in ſein Auge. Er drückte dem Alten die Hand
und ſagte: Du hatteſt ganz Recht, Jochem, als
du glaubteſt, ich werde nach dir forſchen, und
ſäßeſt du im Mittelpuncte der Erde. — Jochem
blieb hiebei trocken, wie immer und verſetzte: Sie
haben auch ſchwäbiſch Blut im Leib, mein Herr
Graf, und das verläßt einander nicht. — Oswald
ſah ſich um und erblickte verwundert einen Heu-
ſchoppen in der Nähe, der ihm ſo vorkam, wie
der, in welchem er die Nacht zugebracht hatte.
Wo haſt du in voriger Nacht geſchlafen? fragte er.

Dort im Schoppen, verſetzte der Alte, wie alle Nacht
mein Amt iſt, um dem Bauer ſein Heu zu bewachen.

Sein Gebieter erzählte ihm nun, daß ſie die-
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[430/0444] friedenheit mein Heu, obgleich es eine Lebensart iſt, die ſich nicht ganz für meinen ſonſtigen Stand ſchickt. Dacht’ aber immer: Heut kommt der Herr Graf und holt dich ab, und kommt er heut’ nicht, ſo kommt er morgen, und ſo hat ſich’s nun auch zugetragen. Unſerem Oswald that es nach den fratzenhaften Ereigniſſen des Tages wehmüthig wohl, mit ſei- nem Alten zuſammenzutreffen. Eine Thräne trat in ſein Auge. Er drückte dem Alten die Hand und ſagte: Du hatteſt ganz Recht, Jochem, als du glaubteſt, ich werde nach dir forſchen, und ſäßeſt du im Mittelpuncte der Erde. — Jochem blieb hiebei trocken, wie immer und verſetzte: Sie haben auch ſchwäbiſch Blut im Leib, mein Herr Graf, und das verläßt einander nicht. — Oswald ſah ſich um und erblickte verwundert einen Heu- ſchoppen in der Nähe, der ihm ſo vorkam, wie der, in welchem er die Nacht zugebracht hatte. Wo haſt du in voriger Nacht geſchlafen? fragte er. Dort im Schoppen, verſetzte der Alte, wie alle Nacht mein Amt iſt, um dem Bauer ſein Heu zu bewachen. Sein Gebieter erzählte ihm nun, daß ſie die- ſem Umſtande zu Folge ſchon in der Nacht unwiſ-

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/444>, abgerufen am 23.11.2024.