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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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Blutes. -- Indem er auf einem der umgestürzten
Pfeiler saß, den Kopf auf den Arm gestützt, um-
spielt von den Schatten und Lichtern dieser Gra-
beskluft, war er in den frühen, buntgemischten
Ursprungszeiten des Christenthums und sah die
Götter im Streite mit dem Lamme. Lamm und
Olymp kämpfen um die Seelen der gottverworre-
nen Menschen, die mit der einen Hand sich an
dem geheiligten Zeichen der äußersten Schmach, mit
der andern an den Hörnern des Altars anklammern.
Sie essen das Fleisch und trinken das Blut des
Gottes, um den neuen Bund in sich zu stärken;
bis in die Grüfte der Todten wird der verwan-
delte Wein gespendet, um die Abgeschiedenen von
Hades und Tartarus fern zu halten und im Him-
melreiche zu consigniren, aber das hilft Alles nichts,
die Götter sind schlau und schleichen sich unter
mancherlei Verkleidungen in das feindliche Lager,
dort neckenden Mißverstand, Irren und Wirren
anzurichten. Der Vogel der Juno spreizt sein
Rad an den Wänden der Katakomben aus und
schreit von Unsterblichkeit, Bachus der Gott schickt
seine Tiger, schleudert den Wurfspieß in den Wein-
berg des Herrn, Apoll erinnert sich, wie er bei

Blutes. — Indem er auf einem der umgeſtürzten
Pfeiler ſaß, den Kopf auf den Arm geſtützt, um-
ſpielt von den Schatten und Lichtern dieſer Gra-
beskluft, war er in den frühen, buntgemiſchten
Urſprungszeiten des Chriſtenthums und ſah die
Götter im Streite mit dem Lamme. Lamm und
Olymp kämpfen um die Seelen der gottverworre-
nen Menſchen, die mit der einen Hand ſich an
dem geheiligten Zeichen der äußerſten Schmach, mit
der andern an den Hörnern des Altars anklammern.
Sie eſſen das Fleiſch und trinken das Blut des
Gottes, um den neuen Bund in ſich zu ſtärken;
bis in die Grüfte der Todten wird der verwan-
delte Wein geſpendet, um die Abgeſchiedenen von
Hades und Tartarus fern zu halten und im Him-
melreiche zu conſigniren, aber das hilft Alles nichts,
die Götter ſind ſchlau und ſchleichen ſich unter
mancherlei Verkleidungen in das feindliche Lager,
dort neckenden Mißverſtand, Irren und Wirren
anzurichten. Der Vogel der Juno ſpreizt ſein
Rad an den Wänden der Katakomben aus und
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[396/0410] Blutes. — Indem er auf einem der umgeſtürzten Pfeiler ſaß, den Kopf auf den Arm geſtützt, um- ſpielt von den Schatten und Lichtern dieſer Gra- beskluft, war er in den frühen, buntgemiſchten Urſprungszeiten des Chriſtenthums und ſah die Götter im Streite mit dem Lamme. Lamm und Olymp kämpfen um die Seelen der gottverworre- nen Menſchen, die mit der einen Hand ſich an dem geheiligten Zeichen der äußerſten Schmach, mit der andern an den Hörnern des Altars anklammern. Sie eſſen das Fleiſch und trinken das Blut des Gottes, um den neuen Bund in ſich zu ſtärken; bis in die Grüfte der Todten wird der verwan- delte Wein geſpendet, um die Abgeſchiedenen von Hades und Tartarus fern zu halten und im Him- melreiche zu conſigniren, aber das hilft Alles nichts, die Götter ſind ſchlau und ſchleichen ſich unter mancherlei Verkleidungen in das feindliche Lager, dort neckenden Mißverſtand, Irren und Wirren anzurichten. Der Vogel der Juno ſpreizt ſein Rad an den Wänden der Katakomben aus und ſchreit von Unſterblichkeit, Bachus der Gott ſchickt ſeine Tiger, ſchleudert den Wurfſpieß in den Wein- berg des Herrn, Apoll erinnert ſich, wie er bei

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/410>, abgerufen am 19.06.2024.