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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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wenn der Scherz vollkommen seyn soll, ein kleines
Bild oder ein Wort tragen, in den Ecken und
Winkeln umher aber nur ein sinnloses Gemisch
zeigen. Sieht man nun auf ein solches Blatt durch
das Glas, so verschwindet, was in der Mitte steht
und es fügt sich aus den Ecken und Winkeln eine
andere Gestaltung zusammen.

Der Jäger nahm auch das Blatt dem Alten
aus der Hand. In der Mitte stand das Wort:
Nizza und kein Comma oder Punctum dahinter.
Er stellte sich an den Tisch, legte das Blatt
zurecht und richtete das Glas darauf, um zu sehen,
was ihm dasselbe aus den Ecken und Winkeln zu-
sammenführen würde.

Das Auge des Dichters gleicht einem solchen
Glase. Es versammelt zum Bilde, was weit um-
her zerstreut ist und keine Gestalt annehmen zu
können scheint, und oft verschwindet ihm das, was
ihm zunächst vorschwebt.



Münchhausen schrieb unten hastig seinen Kreuz-
und Querbrief an den Erbprinzen und dessen Va-
ter zu Ende, siegelte beide, setzte die Adresse an

Immermann's Münchhausen. 3. Th. 25

wenn der Scherz vollkommen ſeyn ſoll, ein kleines
Bild oder ein Wort tragen, in den Ecken und
Winkeln umher aber nur ein ſinnloſes Gemiſch
zeigen. Sieht man nun auf ein ſolches Blatt durch
das Glas, ſo verſchwindet, was in der Mitte ſteht
und es fügt ſich aus den Ecken und Winkeln eine
andere Geſtaltung zuſammen.

Der Jäger nahm auch das Blatt dem Alten
aus der Hand. In der Mitte ſtand das Wort:
Nizza und kein Comma oder Punctum dahinter.
Er ſtellte ſich an den Tiſch, legte das Blatt
zurecht und richtete das Glas darauf, um zu ſehen,
was ihm daſſelbe aus den Ecken und Winkeln zu-
ſammenführen würde.

Das Auge des Dichters gleicht einem ſolchen
Glaſe. Es verſammelt zum Bilde, was weit um-
her zerſtreut iſt und keine Geſtalt annehmen zu
können ſcheint, und oft verſchwindet ihm das, was
ihm zunächſt vorſchwebt.



Münchhauſen ſchrieb unten haſtig ſeinen Kreuz-
und Querbrief an den Erbprinzen und deſſen Va-
ter zu Ende, ſiegelte beide, ſetzte die Adreſſe an

Immermann’s Münchhauſen. 3. Th. 25
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[385/0399] wenn der Scherz vollkommen ſeyn ſoll, ein kleines Bild oder ein Wort tragen, in den Ecken und Winkeln umher aber nur ein ſinnloſes Gemiſch zeigen. Sieht man nun auf ein ſolches Blatt durch das Glas, ſo verſchwindet, was in der Mitte ſteht und es fügt ſich aus den Ecken und Winkeln eine andere Geſtaltung zuſammen. Der Jäger nahm auch das Blatt dem Alten aus der Hand. In der Mitte ſtand das Wort: Nizza und kein Comma oder Punctum dahinter. Er ſtellte ſich an den Tiſch, legte das Blatt zurecht und richtete das Glas darauf, um zu ſehen, was ihm daſſelbe aus den Ecken und Winkeln zu- ſammenführen würde. Das Auge des Dichters gleicht einem ſolchen Glaſe. Es verſammelt zum Bilde, was weit um- her zerſtreut iſt und keine Geſtalt annehmen zu können ſcheint, und oft verſchwindet ihm das, was ihm zunächſt vorſchwebt. Münchhauſen ſchrieb unten haſtig ſeinen Kreuz- und Querbrief an den Erbprinzen und deſſen Va- ter zu Ende, ſiegelte beide, ſetzte die Adreſſe an Immermann’s Münchhauſen. 3. Th. 25

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/399>, abgerufen am 17.05.2024.