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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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nahe bei meinem Captain, laßt mich hinzu, denn
das Hemd ist ihm näher als der Rock! und wollte
Karl Gabriel wegziehen. Karl Gabriel stieß aber
mit der anderen verwandten Hand den Ehinger
zurück, der Ehinger wollte Gewalt brauchen, Karl
Nathanael und Karl Emanuel schützten den Bruder,
der Ehinger tobte und schimpfte, die drei Brüder
riefen: Was will der Mensch bei unserem Meister?
und Alles schien sich zu einer Zänkerei oder gar
Schlägerei anzulassen. Semilasso litt während die-
sen lauten Vorgänge sehr. Auch er hatte die
schmerzlichste Sehnsucht nach dem Freiherrn und
wußte ja, daß er nur ihm angehöre. Dennoch
verbot ihm ungeachtet seiner Genialität das ange-
stammte Wappengefühl sich zwischen so niedere Per-
sönlichkeiten zu drängen, von denen er leicht einen
Stoß oder Schlag erhalten konnte. Er sah sich
daher ängstlich nach dem Schriftsteller um und sagte
zu diesem, während die Anderen um den Frei-
herrn, wie um den Leichnam des Patroklus sich
stritten: Mein Herr, Sie scheinen hier der einzige
Unpartheiische zu seyn, ich ersuche Sie, das Rich-
teramt zu übernehmen und jene Franken und
Ungläubigen dort von meinem Doctor durch

nahe bei meinem Captain, laßt mich hinzu, denn
das Hemd iſt ihm näher als der Rock! und wollte
Karl Gabriel wegziehen. Karl Gabriel ſtieß aber
mit der anderen verwandten Hand den Ehinger
zurück, der Ehinger wollte Gewalt brauchen, Karl
Nathanael und Karl Emanuel ſchützten den Bruder,
der Ehinger tobte und ſchimpfte, die drei Brüder
riefen: Was will der Menſch bei unſerem Meiſter?
und Alles ſchien ſich zu einer Zänkerei oder gar
Schlägerei anzulaſſen. Semilaſſo litt während die-
ſen lauten Vorgänge ſehr. Auch er hatte die
ſchmerzlichſte Sehnſucht nach dem Freiherrn und
wußte ja, daß er nur ihm angehöre. Dennoch
verbot ihm ungeachtet ſeiner Genialität das ange-
ſtammte Wappengefühl ſich zwiſchen ſo niedere Per-
ſönlichkeiten zu drängen, von denen er leicht einen
Stoß oder Schlag erhalten konnte. Er ſah ſich
daher ängſtlich nach dem Schriftſteller um und ſagte
zu dieſem, während die Anderen um den Frei-
herrn, wie um den Leichnam des Patroklus ſich
ſtritten: Mein Herr, Sie ſcheinen hier der einzige
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teramt zu übernehmen und jene Franken und
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[311/0325] nahe bei meinem Captain, laßt mich hinzu, denn das Hemd iſt ihm näher als der Rock! und wollte Karl Gabriel wegziehen. Karl Gabriel ſtieß aber mit der anderen verwandten Hand den Ehinger zurück, der Ehinger wollte Gewalt brauchen, Karl Nathanael und Karl Emanuel ſchützten den Bruder, der Ehinger tobte und ſchimpfte, die drei Brüder riefen: Was will der Menſch bei unſerem Meiſter? und Alles ſchien ſich zu einer Zänkerei oder gar Schlägerei anzulaſſen. Semilaſſo litt während die- ſen lauten Vorgänge ſehr. Auch er hatte die ſchmerzlichſte Sehnſucht nach dem Freiherrn und wußte ja, daß er nur ihm angehöre. Dennoch verbot ihm ungeachtet ſeiner Genialität das ange- ſtammte Wappengefühl ſich zwiſchen ſo niedere Per- ſönlichkeiten zu drängen, von denen er leicht einen Stoß oder Schlag erhalten konnte. Er ſah ſich daher ängſtlich nach dem Schriftſteller um und ſagte zu dieſem, während die Anderen um den Frei- herrn, wie um den Leichnam des Patroklus ſich ſtritten: Mein Herr, Sie ſcheinen hier der einzige Unpartheiiſche zu ſeyn, ich erſuche Sie, das Rich- teramt zu übernehmen und jene Franken und Ungläubigen dort von meinem Doctor durch

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/325>, abgerufen am 22.11.2024.