Wiederkehr des Spielmanns blieb er einige Augen- blicke schweigend stehen, der Spielmann schwieg ebenfalls, weil er sich an dem Anblicke seines Feindes, dem er einen tödtlichen Verdruß bereiten zu können sich bewußt war, wie an dem eines auf- geschmückten Opfers, im Stillen weiden mochte. So standen einander der Reiche und der Bettler des Standes schweigend gegenüber; der Reiche voll Verachtung, der Bettler mit dem Gefühle, daß auch ihm eine Macht über den Reichen geworden sei.
Endlich fragte der Hofschulze: Was wollt Ihr noch?
Hofschulze, versetzte der Spielmann mit er- heuchelter Demuth, Hunger thut doch gar zu weh und Standhaftigkeit hält nicht vor gegen knurrende Eingeweide. Ich wollte Euch nur noch sagen, daß ich im Eichenkampe heute Nachmittag sitzen und auf die Brocken warten werde, die von Eurem Tische fallen.
Ich dacht's wohl, sagte der Glückliche stolz. Hochzeit macht Alle satt, ist ein Sprichwort, es soll bei Euch auch zutreffen. -- Er wollte gehen. Der Spielmann vertrat ihm den Weg. Erlaubt, sagte er, daß ich Euch noch einen Augenblick be-
Immermann's Münchhausen. 3. Th. 2
Wiederkehr des Spielmanns blieb er einige Augen- blicke ſchweigend ſtehen, der Spielmann ſchwieg ebenfalls, weil er ſich an dem Anblicke ſeines Feindes, dem er einen tödtlichen Verdruß bereiten zu können ſich bewußt war, wie an dem eines auf- geſchmückten Opfers, im Stillen weiden mochte. So ſtanden einander der Reiche und der Bettler des Standes ſchweigend gegenüber; der Reiche voll Verachtung, der Bettler mit dem Gefühle, daß auch ihm eine Macht über den Reichen geworden ſei.
Endlich fragte der Hofſchulze: Was wollt Ihr noch?
Hofſchulze, verſetzte der Spielmann mit er- heuchelter Demuth, Hunger thut doch gar zu weh und Standhaftigkeit hält nicht vor gegen knurrende Eingeweide. Ich wollte Euch nur noch ſagen, daß ich im Eichenkampe heute Nachmittag ſitzen und auf die Brocken warten werde, die von Eurem Tiſche fallen.
Ich dacht’s wohl, ſagte der Glückliche ſtolz. Hochzeit macht Alle ſatt, iſt ein Sprichwort, es ſoll bei Euch auch zutreffen. — Er wollte gehen. Der Spielmann vertrat ihm den Weg. Erlaubt, ſagte er, daß ich Euch noch einen Augenblick be-
Immermann’s Münchhauſen. 3. Th. 2
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Wiederkehr des Spielmanns blieb er einige Augen-
blicke ſchweigend ſtehen, der Spielmann ſchwieg
ebenfalls, weil er ſich an dem Anblicke ſeines
Feindes, dem er einen tödtlichen Verdruß bereiten
zu können ſich bewußt war, wie an dem eines auf-
geſchmückten Opfers, im Stillen weiden mochte.
So ſtanden einander der Reiche und der Bettler
des Standes ſchweigend gegenüber; der Reiche voll
Verachtung, der Bettler mit dem Gefühle, daß
auch ihm eine Macht über den Reichen geworden ſei.
Endlich fragte der Hofſchulze: Was wollt Ihr
noch?
Hofſchulze, verſetzte der Spielmann mit er-
heuchelter Demuth, Hunger thut doch gar zu weh
und Standhaftigkeit hält nicht vor gegen knurrende
Eingeweide. Ich wollte Euch nur noch ſagen, daß
ich im Eichenkampe heute Nachmittag ſitzen und auf
die Brocken warten werde, die von Eurem Tiſche
fallen.
Ich dacht’s wohl, ſagte der Glückliche ſtolz.
Hochzeit macht Alle ſatt, iſt ein Sprichwort, es
ſoll bei Euch auch zutreffen. — Er wollte gehen.
Der Spielmann vertrat ihm den Weg. Erlaubt,
ſagte er, daß ich Euch noch einen Augenblick be-
Immermann’s Münchhauſen. 3. Th. 2
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/31>, abgerufen am 24.11.2024.
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