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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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ihre Seele brütete einen großen Entschluß und sie
wollte mit starken Mitteln auf den masquirten
Fürsten wirken. Sie saß vor einem kleinen Tisch-
chen, welches der Schulmeister aus einem alten
Brette und mehreren abgestumpften Zaunstacken da
droben zusammengefügt hatte, um, wenn das Wet-
ter schön war, seine schwarze Suppe im Freien
genießen zu können. Auf dieses Tischchen hatte sie
einen Korb gestellt, der mit einer weißen Serviette
zugedeckt war. Gänzlich in die Welt ihrer Träume
verloren, achtete sie der drei unbefriedigten Jüng-
linge nicht, welche nach ihr in den Garten gekom-
men waren. Diese achteten ihrerseits wieder nicht
auf Emerentien, und so nahm Keiner von dem
Anderen Notiz, was bei idealistischen Naturen öfter
vorzukommen pflegt, auch wenn sie im engsten Raume
zusammen sind. Die Unbefriedigten saßen alle Drei
um das trockene Wasserbecken und sahen den kup-
fernen Delphin ohne Strahl tiefsinnig an. Emeren-
tia dagegen wiegte sinnend ihr Haupt, daß der nicht
recht fest eingesteckte Paradiesvogel zuweilen nach der
Wange zu eine trunkene Bewegung machte, und
faltete spielend den elfenbeinernen Fächer auf
und zu.


ihre Seele brütete einen großen Entſchluß und ſie
wollte mit ſtarken Mitteln auf den masquirten
Fürſten wirken. Sie ſaß vor einem kleinen Tiſch-
chen, welches der Schulmeiſter aus einem alten
Brette und mehreren abgeſtumpften Zaunſtacken da
droben zuſammengefügt hatte, um, wenn das Wet-
ter ſchön war, ſeine ſchwarze Suppe im Freien
genießen zu können. Auf dieſes Tiſchchen hatte ſie
einen Korb geſtellt, der mit einer weißen Serviette
zugedeckt war. Gänzlich in die Welt ihrer Träume
verloren, achtete ſie der drei unbefriedigten Jüng-
linge nicht, welche nach ihr in den Garten gekom-
men waren. Dieſe achteten ihrerſeits wieder nicht
auf Emerentien, und ſo nahm Keiner von dem
Anderen Notiz, was bei idealiſtiſchen Naturen öfter
vorzukommen pflegt, auch wenn ſie im engſten Raume
zuſammen ſind. Die Unbefriedigten ſaßen alle Drei
um das trockene Waſſerbecken und ſahen den kup-
fernen Delphin ohne Strahl tiefſinnig an. Emeren-
tia dagegen wiegte ſinnend ihr Haupt, daß der nicht
recht feſt eingeſteckte Paradiesvogel zuweilen nach der
Wange zu eine trunkene Bewegung machte, und
faltete ſpielend den elfenbeinernen Fächer auf
und zu.


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[283/0297] ihre Seele brütete einen großen Entſchluß und ſie wollte mit ſtarken Mitteln auf den masquirten Fürſten wirken. Sie ſaß vor einem kleinen Tiſch- chen, welches der Schulmeiſter aus einem alten Brette und mehreren abgeſtumpften Zaunſtacken da droben zuſammengefügt hatte, um, wenn das Wet- ter ſchön war, ſeine ſchwarze Suppe im Freien genießen zu können. Auf dieſes Tiſchchen hatte ſie einen Korb geſtellt, der mit einer weißen Serviette zugedeckt war. Gänzlich in die Welt ihrer Träume verloren, achtete ſie der drei unbefriedigten Jüng- linge nicht, welche nach ihr in den Garten gekom- men waren. Dieſe achteten ihrerſeits wieder nicht auf Emerentien, und ſo nahm Keiner von dem Anderen Notiz, was bei idealiſtiſchen Naturen öfter vorzukommen pflegt, auch wenn ſie im engſten Raume zuſammen ſind. Die Unbefriedigten ſaßen alle Drei um das trockene Waſſerbecken und ſahen den kup- fernen Delphin ohne Strahl tiefſinnig an. Emeren- tia dagegen wiegte ſinnend ihr Haupt, daß der nicht recht feſt eingeſteckte Paradiesvogel zuweilen nach der Wange zu eine trunkene Bewegung machte, und faltete ſpielend den elfenbeinernen Fächer auf und zu.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/297>, abgerufen am 25.11.2024.