Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

geworden war. Emerentia hatte sich seit der
Stunde, wo sie Münchhausen zum erstenmale
nicht verstanden, in einer stillen Entfernung von
ihm gehalten, welche jedoch die Fortdauer achtungs-
voller Empfindungen noch nicht ganz ausschloß.
Jetzt war es ihr sogar lieb, eine Gelegenheit zu
finden, mit ihm wieder anknüpfen zu dürfen. Sie
setzte sich daher nieder und schrieb folgenden Brief
an ihn:

Münchhausen!

Ich nenne Sie nicht mehr Du, denn schmerz-
lich habe ich einschen lernen, daß wir einander
doch nicht ganz so nahe standen, als schöne
Träume mir sagen wollten. Denken Sie an
den Augenblick, da ich die Bohnenschüssel fallen
ließ, weil Sie mich nicht begriffen. Indessen
ist mir ein hohes Gefühl von Ihnen geblieben,
und das Schicksal lehrt uns wohl uns begnü-
gen, wo uns die volle Befriedigung versagt
wird.

Münchhausen, Karl hofft auf Sie. Sie
haben, wenn Sie wollen, Alles in der Hand;
einem Manne, gleich Ihnen, ist nichts unmög-

geworden war. Emerentia hatte ſich ſeit der
Stunde, wo ſie Münchhauſen zum erſtenmale
nicht verſtanden, in einer ſtillen Entfernung von
ihm gehalten, welche jedoch die Fortdauer achtungs-
voller Empfindungen noch nicht ganz ausſchloß.
Jetzt war es ihr ſogar lieb, eine Gelegenheit zu
finden, mit ihm wieder anknüpfen zu dürfen. Sie
ſetzte ſich daher nieder und ſchrieb folgenden Brief
an ihn:

Münchhauſen!

Ich nenne Sie nicht mehr Du, denn ſchmerz-
lich habe ich einſchen lernen, daß wir einander
doch nicht ganz ſo nahe ſtanden, als ſchöne
Träume mir ſagen wollten. Denken Sie an
den Augenblick, da ich die Bohnenſchüſſel fallen
ließ, weil Sie mich nicht begriffen. Indeſſen
iſt mir ein hohes Gefühl von Ihnen geblieben,
und das Schickſal lehrt uns wohl uns begnü-
gen, wo uns die volle Befriedigung verſagt
wird.

Münchhauſen, Karl hofft auf Sie. Sie
haben, wenn Sie wollen, Alles in der Hand;
einem Manne, gleich Ihnen, iſt nichts unmög-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0240" n="226"/>
geworden war. Emerentia hatte &#x017F;ich &#x017F;eit der<lb/>
Stunde, wo &#x017F;ie Münchhau&#x017F;en zum er&#x017F;tenmale<lb/>
nicht ver&#x017F;tanden, in einer &#x017F;tillen Entfernung von<lb/>
ihm gehalten, welche jedoch die Fortdauer achtungs-<lb/>
voller Empfindungen noch nicht ganz aus&#x017F;chloß.<lb/>
Jetzt war es ihr &#x017F;ogar lieb, eine Gelegenheit zu<lb/>
finden, mit ihm wieder anknüpfen zu dürfen. Sie<lb/>
&#x017F;etzte &#x017F;ich daher nieder und &#x017F;chrieb folgenden Brief<lb/>
an ihn:</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et"><hi rendition="#g">Münchhau&#x017F;en</hi>!</hi> </p><lb/>
          <p>Ich nenne Sie nicht mehr Du, denn &#x017F;chmerz-<lb/>
lich habe ich ein&#x017F;chen lernen, daß wir einander<lb/>
doch nicht ganz &#x017F;o nahe &#x017F;tanden, als &#x017F;chöne<lb/>
Träume mir &#x017F;agen wollten. Denken Sie an<lb/>
den Augenblick, da ich die Bohnen&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;el fallen<lb/>
ließ, weil Sie mich nicht begriffen. Inde&#x017F;&#x017F;en<lb/>
i&#x017F;t mir ein hohes Gefühl von Ihnen geblieben,<lb/>
und das Schick&#x017F;al lehrt uns wohl uns begnü-<lb/>
gen, wo uns die volle Befriedigung ver&#x017F;agt<lb/>
wird.</p><lb/>
          <p>Münchhau&#x017F;en, Karl hofft auf Sie. Sie<lb/>
haben, wenn Sie wollen, Alles in der Hand;<lb/>
einem Manne, gleich Ihnen, i&#x017F;t nichts unmög-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[226/0240] geworden war. Emerentia hatte ſich ſeit der Stunde, wo ſie Münchhauſen zum erſtenmale nicht verſtanden, in einer ſtillen Entfernung von ihm gehalten, welche jedoch die Fortdauer achtungs- voller Empfindungen noch nicht ganz ausſchloß. Jetzt war es ihr ſogar lieb, eine Gelegenheit zu finden, mit ihm wieder anknüpfen zu dürfen. Sie ſetzte ſich daher nieder und ſchrieb folgenden Brief an ihn: Münchhauſen! Ich nenne Sie nicht mehr Du, denn ſchmerz- lich habe ich einſchen lernen, daß wir einander doch nicht ganz ſo nahe ſtanden, als ſchöne Träume mir ſagen wollten. Denken Sie an den Augenblick, da ich die Bohnenſchüſſel fallen ließ, weil Sie mich nicht begriffen. Indeſſen iſt mir ein hohes Gefühl von Ihnen geblieben, und das Schickſal lehrt uns wohl uns begnü- gen, wo uns die volle Befriedigung verſagt wird. Münchhauſen, Karl hofft auf Sie. Sie haben, wenn Sie wollen, Alles in der Hand; einem Manne, gleich Ihnen, iſt nichts unmög-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/240
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/240>, abgerufen am 03.05.2024.