Gelegenheiten an. Der Hofschulze besaß deren neun, und alle waren von ihm bestimmt, sich am heutigen Tage auf seinem Leibe zu versammeln. Er hatte sie hinter einem Saatlaken, welches wie ein Vorhang den einen Theil der Kammer von dem andern schied, der Reihe nach an Pflöcken neben einander aufgehängt, erst die unteren von wollenem geblümtem Damast, silbergrauem oder rothem, dann die oberen von braunem, gelbem, grünem Tuche. Diese waren mit schweren silbernen Knöpfen geziert. Hinter dem Saatlaken besorgte der Hofschulze seinen Anzug.
Er hatte sein weißes Haar sauber gekämmt, und das gelbe, frischgewaschene Antlitz leuchtete darunter hervor wie ein Rübsenfeld, über welchem im Mai Schnee gefallen ist. Der Ausdruck natür- licher Würde, welcher diesen Zügen eigen war, hatte sich heute noch um ein Großes vermehrt; er war Brautvater und fühlte das. Seine Bewegun- gen waren noch langsamer und gemessener als da- mals, wo er mit dem Roßkamm feilschte. Sorg- fältig prüfend beschaute er jede Jacke, bevor er sie von ihrem Pflocke nahm, und legte sie darauf be- dachtsam eine nach der andern an, ohne sich bei dem Zuknöpfen irgend zu übereilen.
Gelegenheiten an. Der Hofſchulze beſaß deren neun, und alle waren von ihm beſtimmt, ſich am heutigen Tage auf ſeinem Leibe zu verſammeln. Er hatte ſie hinter einem Saatlaken, welches wie ein Vorhang den einen Theil der Kammer von dem andern ſchied, der Reihe nach an Pflöcken neben einander aufgehängt, erſt die unteren von wollenem geblümtem Damaſt, ſilbergrauem oder rothem, dann die oberen von braunem, gelbem, grünem Tuche. Dieſe waren mit ſchweren ſilbernen Knöpfen geziert. Hinter dem Saatlaken beſorgte der Hofſchulze ſeinen Anzug.
Er hatte ſein weißes Haar ſauber gekämmt, und das gelbe, friſchgewaſchene Antlitz leuchtete darunter hervor wie ein Rübſenfeld, über welchem im Mai Schnee gefallen iſt. Der Ausdruck natür- licher Würde, welcher dieſen Zügen eigen war, hatte ſich heute noch um ein Großes vermehrt; er war Brautvater und fühlte das. Seine Bewegun- gen waren noch langſamer und gemeſſener als da- mals, wo er mit dem Roßkamm feilſchte. Sorg- fältig prüfend beſchaute er jede Jacke, bevor er ſie von ihrem Pflocke nahm, und legte ſie darauf be- dachtſam eine nach der andern an, ohne ſich bei dem Zuknöpfen irgend zu übereilen.
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Gelegenheiten an. Der Hofſchulze beſaß deren
neun, und alle waren von ihm beſtimmt, ſich am
heutigen Tage auf ſeinem Leibe zu verſammeln.
Er hatte ſie hinter einem Saatlaken, welches wie
ein Vorhang den einen Theil der Kammer von dem
andern ſchied, der Reihe nach an Pflöcken neben
einander aufgehängt, erſt die unteren von wollenem
geblümtem Damaſt, ſilbergrauem oder rothem, dann
die oberen von braunem, gelbem, grünem Tuche. Dieſe
waren mit ſchweren ſilbernen Knöpfen geziert. Hinter
dem Saatlaken beſorgte der Hofſchulze ſeinen Anzug.
Er hatte ſein weißes Haar ſauber gekämmt,
und das gelbe, friſchgewaſchene Antlitz leuchtete
darunter hervor wie ein Rübſenfeld, über welchem
im Mai Schnee gefallen iſt. Der Ausdruck natür-
licher Würde, welcher dieſen Zügen eigen war,
hatte ſich heute noch um ein Großes vermehrt; er
war Brautvater und fühlte das. Seine Bewegun-
gen waren noch langſamer und gemeſſener als da-
mals, wo er mit dem Roßkamm feilſchte. Sorg-
fältig prüfend beſchaute er jede Jacke, bevor er ſie
von ihrem Pflocke nahm, und legte ſie darauf be-
dachtſam eine nach der andern an, ohne ſich bei
dem Zuknöpfen irgend zu übereilen.
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/23>, abgerufen am 23.11.2024.
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