Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

wollte mir den lichten Blumenschein besehen. So
kam ich her, nachdem ich noch die Kreuz und Quer
nach meinem Freunde gesucht hatte. Auch mich
umgab es hier im Walde aus den Lüften wie ein
Wühlen und Schwingen, das Gewürm war in einer
Bewegung, die Vögel verführten ein so eigenes
Flattern und Zirpen. -- Weil ich aber an die helle
gute Straße dachte, auf die ich den Petrus gern
bringen wollte, so hat mir vermuthlich das Wesen
nichts anhaben können. Als ich dich schlummernd
fand, drang mir mit der Gewalt der süßesten Liebe
ein ungeheures Mitleid um dich in das Herz, ich
frohlockte und weinte doch Thränen, die heißesten,
die je aus meinen munteren Augen gekommen. Ich
glaube, daß mir vergönnt war, in den Winkel zu
schauen, wo dir das Grauen wohnte. Schluch-
zend und lachend rief ich:

Die schönste Rose, die da blüht,
Das ist der rosenfarbne Mund
Von wonniglichen Weiben;
Am Kuß des Mai'n die Ros' erglüht,
Es soll der schönste Rosenmund
Nicht ungeküsset bleiben!

und da boten meine Lippen in Gottes Namen den
Deinen ihren Gruß...


wollte mir den lichten Blumenſchein beſehen. So
kam ich her, nachdem ich noch die Kreuz und Quer
nach meinem Freunde geſucht hatte. Auch mich
umgab es hier im Walde aus den Lüften wie ein
Wühlen und Schwingen, das Gewürm war in einer
Bewegung, die Vögel verführten ein ſo eigenes
Flattern und Zirpen. — Weil ich aber an die helle
gute Straße dachte, auf die ich den Petrus gern
bringen wollte, ſo hat mir vermuthlich das Weſen
nichts anhaben können. Als ich dich ſchlummernd
fand, drang mir mit der Gewalt der ſüßeſten Liebe
ein ungeheures Mitleid um dich in das Herz, ich
frohlockte und weinte doch Thränen, die heißeſten,
die je aus meinen munteren Augen gekommen. Ich
glaube, daß mir vergönnt war, in den Winkel zu
ſchauen, wo dir das Grauen wohnte. Schluch-
zend und lachend rief ich:

Die ſchönſte Roſe, die da blüht,
Das iſt der roſenfarbne Mund
Von wonniglichen Weiben;
Am Kuß des Mai’n die Roſ’ erglüht,
Es ſoll der ſchönſte Roſenmund
Nicht ungeküſſet bleiben!

und da boten meine Lippen in Gottes Namen den
Deinen ihren Gruß…


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0196" n="182"/>
wollte mir den lichten Blumen&#x017F;chein be&#x017F;ehen. So<lb/>
kam ich her, nachdem ich noch die Kreuz und Quer<lb/>
nach meinem Freunde ge&#x017F;ucht hatte. Auch mich<lb/>
umgab es hier im Walde aus den Lüften wie ein<lb/>
Wühlen und Schwingen, das Gewürm war in einer<lb/>
Bewegung, die Vögel verführten ein &#x017F;o eigenes<lb/>
Flattern und Zirpen. &#x2014; Weil ich aber an die helle<lb/>
gute Straße dachte, auf die ich den Petrus gern<lb/>
bringen wollte, &#x017F;o hat mir vermuthlich das We&#x017F;en<lb/>
nichts anhaben können. Als ich dich &#x017F;chlummernd<lb/>
fand, drang mir mit der Gewalt der &#x017F;üße&#x017F;ten Liebe<lb/>
ein ungeheures Mitleid um dich in das Herz, ich<lb/>
frohlockte und weinte doch Thränen, die heiße&#x017F;ten,<lb/>
die je aus meinen munteren Augen gekommen. Ich<lb/>
glaube, daß mir vergönnt war, in den Winkel zu<lb/>
&#x017F;chauen, wo dir das Grauen wohnte. Schluch-<lb/>
zend und lachend rief ich:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Die &#x017F;chön&#x017F;te <hi rendition="#g">Ro&#x017F;e</hi>, die da blüht,</l><lb/>
            <l>Das i&#x017F;t der ro&#x017F;enfarbne Mund</l><lb/>
            <l>Von wonniglichen Weiben;</l><lb/>
            <l>Am Kuß des Mai&#x2019;n die Ro&#x017F;&#x2019; erglüht,</l><lb/>
            <l>Es &#x017F;oll der &#x017F;chön&#x017F;te Ro&#x017F;enmund</l><lb/>
            <l>Nicht ungekü&#x017F;&#x017F;et bleiben!</l>
          </lg><lb/>
          <p>und da boten meine Lippen in Gottes Namen den<lb/>
Deinen ihren Gruß&#x2026;</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[182/0196] wollte mir den lichten Blumenſchein beſehen. So kam ich her, nachdem ich noch die Kreuz und Quer nach meinem Freunde geſucht hatte. Auch mich umgab es hier im Walde aus den Lüften wie ein Wühlen und Schwingen, das Gewürm war in einer Bewegung, die Vögel verführten ein ſo eigenes Flattern und Zirpen. — Weil ich aber an die helle gute Straße dachte, auf die ich den Petrus gern bringen wollte, ſo hat mir vermuthlich das Weſen nichts anhaben können. Als ich dich ſchlummernd fand, drang mir mit der Gewalt der ſüßeſten Liebe ein ungeheures Mitleid um dich in das Herz, ich frohlockte und weinte doch Thränen, die heißeſten, die je aus meinen munteren Augen gekommen. Ich glaube, daß mir vergönnt war, in den Winkel zu ſchauen, wo dir das Grauen wohnte. Schluch- zend und lachend rief ich: Die ſchönſte Roſe, die da blüht, Das iſt der roſenfarbne Mund Von wonniglichen Weiben; Am Kuß des Mai’n die Roſ’ erglüht, Es ſoll der ſchönſte Roſenmund Nicht ungeküſſet bleiben! und da boten meine Lippen in Gottes Namen den Deinen ihren Gruß…

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/196
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/196>, abgerufen am 05.05.2024.