Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

daß Geschäfte ihn abriefen. Ich bin untröstlich,
sagte der Beamte, daß ich diese Störungen in
Ihren Geschäftsbetrieb bringe. Wäre es nicht zu
vermessen, so würde ich mich gleichwohl ermüssiget
sehen, auch Sie Herr Doctor Kernbeißer zu bitten --

Doch nicht, daß ich den Dämon herbeischaffe?
rief Kernbeißer, der durch alle Verlegenheit hin-
durch ein Lächeln hatte blicken lassen. Sein Humor
verließ ihn auch in dieser drangvollen Lage nicht.
Er fuhr fort: Der muß nunmehr in contumaciam
zum Tode verurtheilt werden. Aber, sprach er
weinend (denn die Uebergänge von Lachen zu Thrä-
nen waren bei ihm unglaublich rasch;) das liebe
Englein wird kommen, der zarte Bub', er thut
mir schon den Gefallen, er läßt seinen alten Kern-
beißer nicht im Stich.

Er setzte sich zum Bette, nahm die Hand
der Kranken in die seinige und sang mit sanfter
Stimme:

Ich weiß, daß du vorhanden
Im ew'gen Lichte webest,
Weiß auch, daß du zu Banden
Des Ird'schen niederschwebest!

Immermann's Münchhausen. 2. Th. 21

daß Geſchäfte ihn abriefen. Ich bin untröſtlich,
ſagte der Beamte, daß ich dieſe Störungen in
Ihren Geſchäftsbetrieb bringe. Wäre es nicht zu
vermeſſen, ſo würde ich mich gleichwohl ermüſſiget
ſehen, auch Sie Herr Doctor Kernbeißer zu bitten —

Doch nicht, daß ich den Dämon herbeiſchaffe?
rief Kernbeißer, der durch alle Verlegenheit hin-
durch ein Lächeln hatte blicken laſſen. Sein Humor
verließ ihn auch in dieſer drangvollen Lage nicht.
Er fuhr fort: Der muß nunmehr in contumaciam
zum Tode verurtheilt werden. Aber, ſprach er
weinend (denn die Uebergänge von Lachen zu Thrä-
nen waren bei ihm unglaublich raſch;) das liebe
Englein wird kommen, der zarte Bub’, er thut
mir ſchon den Gefallen, er läßt ſeinen alten Kern-
beißer nicht im Stich.

Er ſetzte ſich zum Bette, nahm die Hand
der Kranken in die ſeinige und ſang mit ſanfter
Stimme:

Ich weiß, daß du vorhanden
Im ew’gen Lichte webeſt,
Weiß auch, daß du zu Banden
Des Ird’ſchen niederſchwebeſt!

Immermann’s Münchhauſen. 2. Th. 21
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0339" n="321"/>
daß Ge&#x017F;chäfte ihn abriefen. Ich bin untrö&#x017F;tlich,<lb/>
&#x017F;agte der Beamte, daß ich die&#x017F;e Störungen in<lb/>
Ihren Ge&#x017F;chäftsbetrieb bringe. Wäre es nicht zu<lb/>
verme&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o würde ich mich gleichwohl ermü&#x017F;&#x017F;iget<lb/>
&#x017F;ehen, auch Sie Herr Doctor Kernbeißer zu bitten &#x2014;</p><lb/>
          <p>Doch nicht, daß ich den Dämon herbei&#x017F;chaffe?<lb/>
rief Kernbeißer, der durch alle Verlegenheit hin-<lb/>
durch ein Lächeln hatte blicken la&#x017F;&#x017F;en. Sein Humor<lb/>
verließ ihn auch in die&#x017F;er drangvollen Lage nicht.<lb/>
Er fuhr fort: Der muß nunmehr in <hi rendition="#aq">contumaciam</hi><lb/>
zum Tode verurtheilt werden. Aber, &#x017F;prach er<lb/>
weinend (denn die Uebergänge von Lachen zu Thrä-<lb/>
nen waren bei ihm unglaublich ra&#x017F;ch;) das liebe<lb/>
Englein wird kommen, der zarte Bub&#x2019;, er thut<lb/>
mir &#x017F;chon den Gefallen, er läßt &#x017F;einen alten Kern-<lb/>
beißer nicht im Stich.</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;etzte &#x017F;ich zum Bette, nahm die Hand<lb/>
der Kranken in die &#x017F;einige und &#x017F;ang mit &#x017F;anfter<lb/>
Stimme:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Ich weiß, daß du vorhanden</l><lb/>
              <l>Im ew&#x2019;gen Lichte webe&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Weiß auch, daß du zu Banden</l><lb/>
              <l>Des Ird&#x2019;&#x017F;chen nieder&#x017F;chwebe&#x017F;t!</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">Immermann&#x2019;s Münchhau&#x017F;en. 2. Th. 21</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[321/0339] daß Geſchäfte ihn abriefen. Ich bin untröſtlich, ſagte der Beamte, daß ich dieſe Störungen in Ihren Geſchäftsbetrieb bringe. Wäre es nicht zu vermeſſen, ſo würde ich mich gleichwohl ermüſſiget ſehen, auch Sie Herr Doctor Kernbeißer zu bitten — Doch nicht, daß ich den Dämon herbeiſchaffe? rief Kernbeißer, der durch alle Verlegenheit hin- durch ein Lächeln hatte blicken laſſen. Sein Humor verließ ihn auch in dieſer drangvollen Lage nicht. Er fuhr fort: Der muß nunmehr in contumaciam zum Tode verurtheilt werden. Aber, ſprach er weinend (denn die Uebergänge von Lachen zu Thrä- nen waren bei ihm unglaublich raſch;) das liebe Englein wird kommen, der zarte Bub’, er thut mir ſchon den Gefallen, er läßt ſeinen alten Kern- beißer nicht im Stich. Er ſetzte ſich zum Bette, nahm die Hand der Kranken in die ſeinige und ſang mit ſanfter Stimme: Ich weiß, daß du vorhanden Im ew’gen Lichte webeſt, Weiß auch, daß du zu Banden Des Ird’ſchen niederſchwebeſt! Immermann’s Münchhauſen. 2. Th. 21

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/339
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/339>, abgerufen am 27.11.2024.