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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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Der Schneider, auf dem der Beamte sein Auge
still und höflich ruhen ließ, griff sich noch stärker
an, warf die gräßlichsten Blicke, deren er mächtig
werden konnte, umher, und gebärdete sich wie ein
schaumbedeckter Schamane. Aber die Schnotter-
baum blieb ruhig liegen und kein Dämon erschien.
Plötzlich schnappte der Magische in einer ungeheu-
ren Formel, die er unvollendet ließ, kurz ab, rief,
den Beamten zornig anblickend: Wenn ich immer
beguckt werde, dann weichen die beiden Geister
der Stärk', welche mir helfen! und rannte aus der
Stube.

Der Beamte sprach jetzt noch höflicher als zu-
vor: O meine Herren, ich sehe wohl, daß Sie
mich für meine Zudringlichkeit bestrafen wollen.
Dürfte ich nichtsdestoweniger Sie Herr Doctor
Eschenmichel wohl ersuchen, mir gefälligst den Dä-
mon vorzustellen, der hier so oft seine Aufwartung
gemacht hat? -- Eschenmichel zog die Achseln in
die Höhe, ging gleichwohl zur Schnotterbaum und
sprach mit dem Dämon auf Kabbalistisch und
Swedenborgisch. Aber die Schnotterbaum blieb
ruhig liegen und der Dämon kam nicht. Eschen-
michel folgte darauf dem Schneider, indem er sagte,

Der Schneider, auf dem der Beamte ſein Auge
ſtill und höflich ruhen ließ, griff ſich noch ſtärker
an, warf die gräßlichſten Blicke, deren er mächtig
werden konnte, umher, und gebärdete ſich wie ein
ſchaumbedeckter Schamane. Aber die Schnotter-
baum blieb ruhig liegen und kein Dämon erſchien.
Plötzlich ſchnappte der Magiſche in einer ungeheu-
ren Formel, die er unvollendet ließ, kurz ab, rief,
den Beamten zornig anblickend: Wenn ich immer
beguckt werde, dann weichen die beiden Geiſter
der Stärk’, welche mir helfen! und rannte aus der
Stube.

Der Beamte ſprach jetzt noch höflicher als zu-
vor: O meine Herren, ich ſehe wohl, daß Sie
mich für meine Zudringlichkeit beſtrafen wollen.
Dürfte ich nichtsdeſtoweniger Sie Herr Doctor
Eſchenmichel wohl erſuchen, mir gefälligſt den Dä-
mon vorzuſtellen, der hier ſo oft ſeine Aufwartung
gemacht hat? — Eſchenmichel zog die Achſeln in
die Höhe, ging gleichwohl zur Schnotterbaum und
ſprach mit dem Dämon auf Kabbaliſtiſch und
Swedenborgiſch. Aber die Schnotterbaum blieb
ruhig liegen und der Dämon kam nicht. Eſchen-
michel folgte darauf dem Schneider, indem er ſagte,

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[320/0338] Der Schneider, auf dem der Beamte ſein Auge ſtill und höflich ruhen ließ, griff ſich noch ſtärker an, warf die gräßlichſten Blicke, deren er mächtig werden konnte, umher, und gebärdete ſich wie ein ſchaumbedeckter Schamane. Aber die Schnotter- baum blieb ruhig liegen und kein Dämon erſchien. Plötzlich ſchnappte der Magiſche in einer ungeheu- ren Formel, die er unvollendet ließ, kurz ab, rief, den Beamten zornig anblickend: Wenn ich immer beguckt werde, dann weichen die beiden Geiſter der Stärk’, welche mir helfen! und rannte aus der Stube. Der Beamte ſprach jetzt noch höflicher als zu- vor: O meine Herren, ich ſehe wohl, daß Sie mich für meine Zudringlichkeit beſtrafen wollen. Dürfte ich nichtsdeſtoweniger Sie Herr Doctor Eſchenmichel wohl erſuchen, mir gefälligſt den Dä- mon vorzuſtellen, der hier ſo oft ſeine Aufwartung gemacht hat? — Eſchenmichel zog die Achſeln in die Höhe, ging gleichwohl zur Schnotterbaum und ſprach mit dem Dämon auf Kabbaliſtiſch und Swedenborgiſch. Aber die Schnotterbaum blieb ruhig liegen und der Dämon kam nicht. Eſchen- michel folgte darauf dem Schneider, indem er ſagte,

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/338>, abgerufen am 27.11.2024.