ist, daß ich es Ihnen nur entdecke, ein Jungfern- kind; der Alte hatte sich mit der Aufwärterin ein- gelassen, da er Präceptor im Stift war. Ein verwetterter, leichtfertiger Camerad, der seine Schraubereien über Alles hatte und selbst Gottes- wort nicht verschonte, weßhalb ihn die Leute für einen Atheisten hielten und ihn mieden. Er wurde auch seiner Präceptorschaft entsetzt wegen des Aerger- nisses mit der Aufwärterin und wegen der gottlosen Reden. Nach dem strich er viel umher, hatte die Nas' hier und anderer Orten in jedem Kohl und suchte sich von seinen Schreibereien kümmerlich zu ernähren. An der Anna Katharina hat er aber doch rechtschaffen gehandelt, er nahm sie auf seine alten Tage zu sich, daß sie ihm wasche und koche. Da sie aber von Jugend auf sehr fromm gewesen, so mögen ihr die lästerlichen Reden, die der Alt' auch noch in seinen letzten Jahren nicht lassen konnte, eine große Trübsal erschaffen haben, und dazu kommt, daß er einige Zeit vor seinem Ende in eine große Unruhe verfallen ist, wie diese sich immer bei den bösen Christen zu begeben pflegt, wenn der Tod anfängt, die Sens' zu schleifen. Er ist ohne Nacht- mahl verstorben. Das Alles hat sich die Anna
iſt, daß ich es Ihnen nur entdecke, ein Jungfern- kind; der Alte hatte ſich mit der Aufwärterin ein- gelaſſen, da er Präceptor im Stift war. Ein verwetterter, leichtfertiger Camerad, der ſeine Schraubereien über Alles hatte und ſelbſt Gottes- wort nicht verſchonte, weßhalb ihn die Leute für einen Atheiſten hielten und ihn mieden. Er wurde auch ſeiner Präceptorſchaft entſetzt wegen des Aerger- niſſes mit der Aufwärterin und wegen der gottloſen Reden. Nach dem ſtrich er viel umher, hatte die Nas’ hier und anderer Orten in jedem Kohl und ſuchte ſich von ſeinen Schreibereien kümmerlich zu ernähren. An der Anna Katharina hat er aber doch rechtſchaffen gehandelt, er nahm ſie auf ſeine alten Tage zu ſich, daß ſie ihm waſche und koche. Da ſie aber von Jugend auf ſehr fromm geweſen, ſo mögen ihr die läſterlichen Reden, die der Alt’ auch noch in ſeinen letzten Jahren nicht laſſen konnte, eine große Trübſal erſchaffen haben, und dazu kommt, daß er einige Zeit vor ſeinem Ende in eine große Unruhe verfallen iſt, wie dieſe ſich immer bei den böſen Chriſten zu begeben pflegt, wenn der Tod anfängt, die Senſ’ zu ſchleifen. Er iſt ohne Nacht- mahl verſtorben. Das Alles hat ſich die Anna
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iſt, daß ich es Ihnen nur entdecke, ein Jungfern-
kind; der Alte hatte ſich mit der Aufwärterin ein-
gelaſſen, da er Präceptor im Stift war. Ein
verwetterter, leichtfertiger Camerad, der ſeine
Schraubereien über Alles hatte und ſelbſt Gottes-
wort nicht verſchonte, weßhalb ihn die Leute für
einen Atheiſten hielten und ihn mieden. Er wurde
auch ſeiner Präceptorſchaft entſetzt wegen des Aerger-
niſſes mit der Aufwärterin und wegen der gottloſen
Reden. Nach dem ſtrich er viel umher, hatte die
Nas’ hier und anderer Orten in jedem Kohl und
ſuchte ſich von ſeinen Schreibereien kümmerlich zu
ernähren. An der Anna Katharina hat er aber
doch rechtſchaffen gehandelt, er nahm ſie auf ſeine
alten Tage zu ſich, daß ſie ihm waſche und koche.
Da ſie aber von Jugend auf ſehr fromm geweſen,
ſo mögen ihr die läſterlichen Reden, die der Alt’
auch noch in ſeinen letzten Jahren nicht laſſen konnte,
eine große Trübſal erſchaffen haben, und dazu kommt,
daß er einige Zeit vor ſeinem Ende in eine große
Unruhe verfallen iſt, wie dieſe ſich immer bei den
böſen Chriſten zu begeben pflegt, wenn der Tod
anfängt, die Senſ’ zu ſchleifen. Er iſt ohne Nacht-
mahl verſtorben. Das Alles hat ſich die Anna
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/301>, abgerufen am 23.12.2024.
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