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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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gehören. Ist man einmal begraben, so muß die
Sach' für hienieden vorbei seyn, wenn aber darnach
alte Geschichten herfürgeplappert werden, so giebt's
nichts als Prozeß' und Unruh' und Verfeindungen.
Als zum Beispiel, ich bin Specereihändler, habe
in meinem Geschäft den erlaubten kaufmännischen
Vortheil genommen. Nun fahren mir aber da drüben
Scrupel in den Sinn, weil man jenseits nichts zu
thun hat, fange an, zu rumoren im Gewölb und
im Laden, werfe die Kästen durch einander, stoße die
Läden am Magazin auf, daß das Salz vom Ein-
regnen feucht wird, errege meinen Erben Beschwer
und Gewissenszweifel -- was kommt dabei heraus?
Ich wünschte wahrhaftig, daß die Regierung ein
Einsehen thäte, und daß durch Höchste Entschließung
das gesammte Zwischenreich Landes verwiesen würde.

Mir waren diese aus der einseitigen Thätigkeit
des Cerebralsystems entspringenden Plaudereien
sehr langweilig, ich drang daher in den Nachbar,
mehr von der Schnotterbaum, ihrem Vater und
ihren Geheimnissen mir zu sagen, auf welche sie
auch schon bei früheren Gesprächen mit mir ange-
spielt hatte. -- Ihr Vater, sagte er, war ein Magi-
ster, der noch seine fuchsrothe Perücke trug, sie

gehören. Iſt man einmal begraben, ſo muß die
Sach’ für hienieden vorbei ſeyn, wenn aber darnach
alte Geſchichten herfürgeplappert werden, ſo giebt’s
nichts als Prozeß’ und Unruh’ und Verfeindungen.
Als zum Beiſpiel, ich bin Specereihändler, habe
in meinem Geſchäft den erlaubten kaufmänniſchen
Vortheil genommen. Nun fahren mir aber da drüben
Scrupel in den Sinn, weil man jenſeits nichts zu
thun hat, fange an, zu rumoren im Gewölb und
im Laden, werfe die Käſten durch einander, ſtoße die
Läden am Magazin auf, daß das Salz vom Ein-
regnen feucht wird, errege meinen Erben Beſchwer
und Gewiſſenszweifel — was kommt dabei heraus?
Ich wünſchte wahrhaftig, daß die Regierung ein
Einſehen thäte, und daß durch Höchſte Entſchließung
das geſammte Zwiſchenreich Landes verwieſen würde.

Mir waren dieſe aus der einſeitigen Thätigkeit
des Cerebralſyſtems entſpringenden Plaudereien
ſehr langweilig, ich drang daher in den Nachbar,
mehr von der Schnotterbaum, ihrem Vater und
ihren Geheimniſſen mir zu ſagen, auf welche ſie
auch ſchon bei früheren Geſprächen mit mir ange-
ſpielt hatte. — Ihr Vater, ſagte er, war ein Magi-
ſter, der noch ſeine fuchsrothe Perücke trug, ſie

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[282/0300] gehören. Iſt man einmal begraben, ſo muß die Sach’ für hienieden vorbei ſeyn, wenn aber darnach alte Geſchichten herfürgeplappert werden, ſo giebt’s nichts als Prozeß’ und Unruh’ und Verfeindungen. Als zum Beiſpiel, ich bin Specereihändler, habe in meinem Geſchäft den erlaubten kaufmänniſchen Vortheil genommen. Nun fahren mir aber da drüben Scrupel in den Sinn, weil man jenſeits nichts zu thun hat, fange an, zu rumoren im Gewölb und im Laden, werfe die Käſten durch einander, ſtoße die Läden am Magazin auf, daß das Salz vom Ein- regnen feucht wird, errege meinen Erben Beſchwer und Gewiſſenszweifel — was kommt dabei heraus? Ich wünſchte wahrhaftig, daß die Regierung ein Einſehen thäte, und daß durch Höchſte Entſchließung das geſammte Zwiſchenreich Landes verwieſen würde. Mir waren dieſe aus der einſeitigen Thätigkeit des Cerebralſyſtems entſpringenden Plaudereien ſehr langweilig, ich drang daher in den Nachbar, mehr von der Schnotterbaum, ihrem Vater und ihren Geheimniſſen mir zu ſagen, auf welche ſie auch ſchon bei früheren Geſprächen mit mir ange- ſpielt hatte. — Ihr Vater, ſagte er, war ein Magi- ſter, der noch ſeine fuchsrothe Perücke trug, ſie

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/300>, abgerufen am 11.05.2024.