Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Nun trat wieder ein Schweigen von wohl einer
Stunde ein, während welcher Zeit ich die Augen
und Ohren offen hielt, wie ein Hase. Da auf
einmal hörte ich ein bröckelndes Geräusch an der
Wand, wo ich meine Kleider aufgehängt hatte,
und ein Fallen. Zugleich spürte ich das Aufsteigen
von Staub. Jetzt seid still, Dämonen! rief ich,
ich habe nun genug neue Erfahrungen eingesammelt.
Ihr könnt Euch wie Regentropfen ankündigen, Ihr
zieht Einem die Federn unter'm Kopfe weg, Ihr
trampt wie ein Hausknecht und rührt Staub auf --
ich bitte mir nun Ruhe aus, Kerls, denn ich will
schlafen.

Wirklich schlief ich, nachdem die Geister auf
diese Anrede muckmausestill geworden waren, ein.
Allein noch vor Tagwerden erwachte ich wieder
von unendlichen Beklemmungen, welche der dämo-
nische Brodem in der Kammer und dann auch meine
unnatürliche Lage mit dem Kopfe unten, mit den
Füßen oben, mir verursachte. Das Blut war mir
so zu Kopfe gestiegen, daß ich zu ersticken meinte,
ich hielt mich aber ganz still und dachte: Stickst
du, so stickst du als Opfer für die Ausbreitung
höherer Erkenntniß. -- Endlich wurde es denn

Nun trat wieder ein Schweigen von wohl einer
Stunde ein, während welcher Zeit ich die Augen
und Ohren offen hielt, wie ein Haſe. Da auf
einmal hörte ich ein bröckelndes Geräuſch an der
Wand, wo ich meine Kleider aufgehängt hatte,
und ein Fallen. Zugleich ſpürte ich das Aufſteigen
von Staub. Jetzt ſeid ſtill, Dämonen! rief ich,
ich habe nun genug neue Erfahrungen eingeſammelt.
Ihr könnt Euch wie Regentropfen ankündigen, Ihr
zieht Einem die Federn unter’m Kopfe weg, Ihr
trampt wie ein Hausknecht und rührt Staub auf —
ich bitte mir nun Ruhe aus, Kerls, denn ich will
ſchlafen.

Wirklich ſchlief ich, nachdem die Geiſter auf
dieſe Anrede muckmauſeſtill geworden waren, ein.
Allein noch vor Tagwerden erwachte ich wieder
von unendlichen Beklemmungen, welche der dämo-
niſche Brodem in der Kammer und dann auch meine
unnatürliche Lage mit dem Kopfe unten, mit den
Füßen oben, mir verurſachte. Das Blut war mir
ſo zu Kopfe geſtiegen, daß ich zu erſticken meinte,
ich hielt mich aber ganz ſtill und dachte: Stickſt
du, ſo ſtickſt du als Opfer für die Ausbreitung
höherer Erkenntniß. — Endlich wurde es denn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0264" n="246"/>
Nun trat wieder ein Schweigen von wohl einer<lb/>
Stunde ein, während welcher Zeit ich die Augen<lb/>
und Ohren offen hielt, wie ein Ha&#x017F;e. Da auf<lb/>
einmal hörte ich ein bröckelndes Geräu&#x017F;ch an der<lb/>
Wand, wo ich meine Kleider aufgehängt hatte,<lb/>
und ein Fallen. Zugleich &#x017F;pürte ich das Auf&#x017F;teigen<lb/>
von Staub. Jetzt &#x017F;eid &#x017F;till, Dämonen! rief ich,<lb/>
ich habe nun genug neue Erfahrungen einge&#x017F;ammelt.<lb/>
Ihr könnt Euch wie Regentropfen ankündigen, Ihr<lb/>
zieht Einem die Federn unter&#x2019;m Kopfe weg, Ihr<lb/>
trampt wie ein Hausknecht und rührt Staub auf &#x2014;<lb/>
ich bitte mir nun Ruhe aus, Kerls, denn ich will<lb/>
&#x017F;chlafen.</p><lb/>
          <p>Wirklich &#x017F;chlief ich, nachdem die Gei&#x017F;ter auf<lb/>
die&#x017F;e Anrede muckmau&#x017F;e&#x017F;till geworden waren, ein.<lb/>
Allein noch vor Tagwerden erwachte ich wieder<lb/>
von unendlichen Beklemmungen, welche der dämo-<lb/>
ni&#x017F;che Brodem in der Kammer und dann auch meine<lb/>
unnatürliche Lage mit dem Kopfe unten, mit den<lb/>
Füßen oben, mir verur&#x017F;achte. Das Blut war mir<lb/>
&#x017F;o zu Kopfe ge&#x017F;tiegen, daß ich zu er&#x017F;ticken meinte,<lb/>
ich hielt mich aber ganz &#x017F;till und dachte: Stick&#x017F;t<lb/>
du, &#x017F;o &#x017F;tick&#x017F;t du als Opfer für die Ausbreitung<lb/>
höherer Erkenntniß. &#x2014; Endlich wurde es denn<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[246/0264] Nun trat wieder ein Schweigen von wohl einer Stunde ein, während welcher Zeit ich die Augen und Ohren offen hielt, wie ein Haſe. Da auf einmal hörte ich ein bröckelndes Geräuſch an der Wand, wo ich meine Kleider aufgehängt hatte, und ein Fallen. Zugleich ſpürte ich das Aufſteigen von Staub. Jetzt ſeid ſtill, Dämonen! rief ich, ich habe nun genug neue Erfahrungen eingeſammelt. Ihr könnt Euch wie Regentropfen ankündigen, Ihr zieht Einem die Federn unter’m Kopfe weg, Ihr trampt wie ein Hausknecht und rührt Staub auf — ich bitte mir nun Ruhe aus, Kerls, denn ich will ſchlafen. Wirklich ſchlief ich, nachdem die Geiſter auf dieſe Anrede muckmauſeſtill geworden waren, ein. Allein noch vor Tagwerden erwachte ich wieder von unendlichen Beklemmungen, welche der dämo- niſche Brodem in der Kammer und dann auch meine unnatürliche Lage mit dem Kopfe unten, mit den Füßen oben, mir verurſachte. Das Blut war mir ſo zu Kopfe geſtiegen, daß ich zu erſticken meinte, ich hielt mich aber ganz ſtill und dachte: Stickſt du, ſo ſtickſt du als Opfer für die Ausbreitung höherer Erkenntniß. — Endlich wurde es denn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/264
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/264>, abgerufen am 11.05.2024.