Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Schweige, schweige! rief der alte Baron. Bei
dir wachsen wirklich; wie ich in einer englischen
Comödie las, die Gründe gemein wie die Brom-
beeren; die Hälfte von dem, was du sagtest, genügt.
Du bist ein Poltron, und denkst nur, wie Ihr
geringen Leute Alle zu thun pflegt, an dein theures
Leben. Schlafe ich nicht auch in der Nähe jener
geborstenen Wand? Aber ziehe nur auf den Schnecken-
berg, es ist mir selbst lieb, wenn Jemand dort
wohnen bleibt, der doch wenigstens halb und halb
zu uns gehört. Du sollst mir ein Trost für den
Schulmeister seyn.

Dieser bereitete sich zum Abgehen. Der alte
Schloßherr reichte ihm nicht ohne Rührung die Hand,
welche der Schulmeister mit dankbaren Thränen
küßte. Gott lohne Ihnen alles Gute, was Sie
mir erzeigt haben! rief er. Er segne Ihre Tage
und schenke Gedeihen Allem, was Sie vornehmen!

Schulmeister, sagte der Alte und legte ihm
feierlich die Hand auf die Schulter; wenn ich mir
es reiflich überlege, so geht Ihr im rechten Augen-
blicke. Große Umgestaltungen der Lebensverhält-
nisse sind immer zerstörerisch für den bisherigen
Umgang. Das Schloß wird der Schauplatz wichtiger

Schweige, ſchweige! rief der alte Baron. Bei
dir wachſen wirklich; wie ich in einer engliſchen
Comödie las, die Gründe gemein wie die Brom-
beeren; die Hälfte von dem, was du ſagteſt, genügt.
Du biſt ein Poltron, und denkſt nur, wie Ihr
geringen Leute Alle zu thun pflegt, an dein theures
Leben. Schlafe ich nicht auch in der Nähe jener
geborſtenen Wand? Aber ziehe nur auf den Schnecken-
berg, es iſt mir ſelbſt lieb, wenn Jemand dort
wohnen bleibt, der doch wenigſtens halb und halb
zu uns gehört. Du ſollſt mir ein Troſt für den
Schulmeiſter ſeyn.

Dieſer bereitete ſich zum Abgehen. Der alte
Schloßherr reichte ihm nicht ohne Rührung die Hand,
welche der Schulmeiſter mit dankbaren Thränen
küßte. Gott lohne Ihnen alles Gute, was Sie
mir erzeigt haben! rief er. Er ſegne Ihre Tage
und ſchenke Gedeihen Allem, was Sie vornehmen!

Schulmeiſter, ſagte der Alte und legte ihm
feierlich die Hand auf die Schulter; wenn ich mir
es reiflich überlege, ſo geht Ihr im rechten Augen-
blicke. Große Umgeſtaltungen der Lebensverhält-
niſſe ſind immer zerſtöreriſch für den bisherigen
Umgang. Das Schloß wird der Schauplatz wichtiger

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0248" n="230"/>
          <p>Schweige, &#x017F;chweige! rief der alte Baron. Bei<lb/>
dir wach&#x017F;en wirklich; wie ich in einer engli&#x017F;chen<lb/>
Comödie las, die Gründe gemein wie die Brom-<lb/>
beeren; die Hälfte von dem, was du &#x017F;agte&#x017F;t, genügt.<lb/>
Du bi&#x017F;t ein Poltron, und denk&#x017F;t nur, wie Ihr<lb/>
geringen Leute Alle zu thun pflegt, an dein theures<lb/>
Leben. Schlafe ich nicht auch in der Nähe jener<lb/>
gebor&#x017F;tenen Wand? Aber ziehe nur auf den Schnecken-<lb/>
berg, es i&#x017F;t mir &#x017F;elb&#x017F;t lieb, wenn Jemand dort<lb/>
wohnen bleibt, der doch wenig&#x017F;tens halb und halb<lb/>
zu uns gehört. Du &#x017F;oll&#x017F;t mir ein Tro&#x017F;t für den<lb/>
Schulmei&#x017F;ter &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Die&#x017F;er bereitete &#x017F;ich zum Abgehen. Der alte<lb/>
Schloßherr reichte ihm nicht ohne Rührung die Hand,<lb/>
welche der Schulmei&#x017F;ter mit dankbaren Thränen<lb/>
küßte. Gott lohne Ihnen alles Gute, was Sie<lb/>
mir erzeigt haben! rief er. Er &#x017F;egne Ihre Tage<lb/>
und &#x017F;chenke Gedeihen Allem, was Sie vornehmen!</p><lb/>
          <p>Schulmei&#x017F;ter, &#x017F;agte der Alte und legte ihm<lb/>
feierlich die Hand auf die Schulter; wenn ich mir<lb/>
es reiflich überlege, &#x017F;o geht Ihr im rechten Augen-<lb/>
blicke. Große Umge&#x017F;taltungen der Lebensverhält-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ind immer zer&#x017F;töreri&#x017F;ch für den bisherigen<lb/>
Umgang. Das Schloß wird der Schauplatz wichtiger<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[230/0248] Schweige, ſchweige! rief der alte Baron. Bei dir wachſen wirklich; wie ich in einer engliſchen Comödie las, die Gründe gemein wie die Brom- beeren; die Hälfte von dem, was du ſagteſt, genügt. Du biſt ein Poltron, und denkſt nur, wie Ihr geringen Leute Alle zu thun pflegt, an dein theures Leben. Schlafe ich nicht auch in der Nähe jener geborſtenen Wand? Aber ziehe nur auf den Schnecken- berg, es iſt mir ſelbſt lieb, wenn Jemand dort wohnen bleibt, der doch wenigſtens halb und halb zu uns gehört. Du ſollſt mir ein Troſt für den Schulmeiſter ſeyn. Dieſer bereitete ſich zum Abgehen. Der alte Schloßherr reichte ihm nicht ohne Rührung die Hand, welche der Schulmeiſter mit dankbaren Thränen küßte. Gott lohne Ihnen alles Gute, was Sie mir erzeigt haben! rief er. Er ſegne Ihre Tage und ſchenke Gedeihen Allem, was Sie vornehmen! Schulmeiſter, ſagte der Alte und legte ihm feierlich die Hand auf die Schulter; wenn ich mir es reiflich überlege, ſo geht Ihr im rechten Augen- blicke. Große Umgeſtaltungen der Lebensverhält- niſſe ſind immer zerſtöreriſch für den bisherigen Umgang. Das Schloß wird der Schauplatz wichtiger

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/248
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/248>, abgerufen am 06.05.2024.