seiner eigenthümlichen närrischen Vorstellungsart angesprochen seyn. Läßt man ihn aber laufen, so wird er bald vernünftig, er mag wollen oder nicht.
Schulmeister, rief der alte Baron, Ihr sprecht da große Dinge aus. Demnach wäre alle Unver- nunft --
... sehr bald zu heilen, ja vielleicht schon ganz in der Welt ausgegangen, wenn nicht darauf ge- achtet würde, sagte der Schulmeister. -- Ein Satz, der nicht nur im Privatleben ernstlich erwogen, sondern auch Fürsten und Gewalthabern zum Nach- denken anempfohlen zu werden verdient. -- Der Lärmen und das Geschrei um widersinnige Vorstel- lungen und Handlungen rührt auch meistentheils nicht aus einem Widerwillen gegen sie, sondern daher, daß jeder Mensch in sich den Narren fühlt, und ihn liebt und zu erhalten wünscht. Er macht daher über den Narren seines Nächsten so großes Aufheben, oder richtiger zu reden; Er widmet ihm Anerkennung, weil er bei sich denkt: Was du willst, daß dir die Leute thun sollen, das thue ihnen zuerst.
Der alte Baron verwunderte sich jetzt wie schon früher einmal über die Weisheit des Schulmeisters, die ihm geblieben war, obgleich er wieder den Sinn
15*
ſeiner eigenthümlichen närriſchen Vorſtellungsart angeſprochen ſeyn. Läßt man ihn aber laufen, ſo wird er bald vernünftig, er mag wollen oder nicht.
Schulmeiſter, rief der alte Baron, Ihr ſprecht da große Dinge aus. Demnach wäre alle Unver- nunft —
… ſehr bald zu heilen, ja vielleicht ſchon ganz in der Welt ausgegangen, wenn nicht darauf ge- achtet würde, ſagte der Schulmeiſter. — Ein Satz, der nicht nur im Privatleben ernſtlich erwogen, ſondern auch Fürſten und Gewalthabern zum Nach- denken anempfohlen zu werden verdient. — Der Lärmen und das Geſchrei um widerſinnige Vorſtel- lungen und Handlungen rührt auch meiſtentheils nicht aus einem Widerwillen gegen ſie, ſondern daher, daß jeder Menſch in ſich den Narren fühlt, und ihn liebt und zu erhalten wünſcht. Er macht daher über den Narren ſeines Nächſten ſo großes Aufheben, oder richtiger zu reden; Er widmet ihm Anerkennung, weil er bei ſich denkt: Was du willſt, daß dir die Leute thun ſollen, das thue ihnen zuerſt.
Der alte Baron verwunderte ſich jetzt wie ſchon früher einmal über die Weisheit des Schulmeiſters, die ihm geblieben war, obgleich er wieder den Sinn
15*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0245"n="227"/>ſeiner eigenthümlichen närriſchen Vorſtellungsart<lb/>
angeſprochen ſeyn. Läßt man ihn aber laufen, ſo<lb/>
wird er bald vernünftig, er mag wollen oder nicht.</p><lb/><p>Schulmeiſter, rief der alte Baron, Ihr ſprecht<lb/>
da große Dinge aus. Demnach wäre alle Unver-<lb/>
nunft —</p><lb/><p>…ſehr bald zu heilen, ja vielleicht ſchon ganz<lb/>
in der Welt ausgegangen, wenn nicht darauf ge-<lb/>
achtet würde, ſagte der Schulmeiſter. — Ein Satz,<lb/>
der nicht nur im Privatleben ernſtlich erwogen,<lb/>ſondern auch Fürſten und Gewalthabern zum Nach-<lb/>
denken anempfohlen zu werden verdient. — Der<lb/>
Lärmen und das Geſchrei um widerſinnige Vorſtel-<lb/>
lungen und Handlungen rührt auch meiſtentheils<lb/>
nicht aus einem Widerwillen gegen ſie, ſondern<lb/>
daher, daß jeder Menſch in ſich den Narren fühlt,<lb/>
und ihn liebt und zu erhalten wünſcht. Er macht<lb/>
daher über den Narren ſeines Nächſten ſo großes<lb/>
Aufheben, oder richtiger zu reden; Er widmet ihm<lb/>
Anerkennung, weil er bei ſich denkt: Was du willſt,<lb/>
daß dir die Leute thun ſollen, das thue ihnen zuerſt.</p><lb/><p>Der alte Baron verwunderte ſich jetzt wie ſchon<lb/>
früher einmal über die Weisheit des Schulmeiſters,<lb/>
die ihm geblieben war, obgleich er wieder den Sinn<lb/><fwplace="bottom"type="sig">15*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[227/0245]
ſeiner eigenthümlichen närriſchen Vorſtellungsart
angeſprochen ſeyn. Läßt man ihn aber laufen, ſo
wird er bald vernünftig, er mag wollen oder nicht.
Schulmeiſter, rief der alte Baron, Ihr ſprecht
da große Dinge aus. Demnach wäre alle Unver-
nunft —
… ſehr bald zu heilen, ja vielleicht ſchon ganz
in der Welt ausgegangen, wenn nicht darauf ge-
achtet würde, ſagte der Schulmeiſter. — Ein Satz,
der nicht nur im Privatleben ernſtlich erwogen,
ſondern auch Fürſten und Gewalthabern zum Nach-
denken anempfohlen zu werden verdient. — Der
Lärmen und das Geſchrei um widerſinnige Vorſtel-
lungen und Handlungen rührt auch meiſtentheils
nicht aus einem Widerwillen gegen ſie, ſondern
daher, daß jeder Menſch in ſich den Narren fühlt,
und ihn liebt und zu erhalten wünſcht. Er macht
daher über den Narren ſeines Nächſten ſo großes
Aufheben, oder richtiger zu reden; Er widmet ihm
Anerkennung, weil er bei ſich denkt: Was du willſt,
daß dir die Leute thun ſollen, das thue ihnen zuerſt.
Der alte Baron verwunderte ſich jetzt wie ſchon
früher einmal über die Weisheit des Schulmeiſters,
die ihm geblieben war, obgleich er wieder den Sinn
15*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/245>, abgerufen am 11.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.