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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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schon größere Unwahrscheinlichkeiten begeben müssen,
als daß man einen Dieb erst einsteigen und dann
wieder herauskommen läßt. -- Du konntest nur ge-
rettet werden, wenn diese Unwahrscheinlichkeit vor-
fiel, denn machte ich früher Lärmen, so erwachte
das Landhaus Welgelegen, die Pforte wurde besetzt,
du bliebst mir unsichtbar und in den Händen von
Myn Heer van Streef. -- Diese Antwort stellte
mich vollkommen zufrieden.

Wir waren unter solchen und ähnlichen Gesprächen
vor Brouw Elizabeth angekommen; mein Vater
zog die Klingel und weckte dadurch den Portier,
der ihm sein Zimmer aufthat. In der Hellig-
keit, welche durch Wachskerzen und Alabasterlampen
hervorgebracht wurde, umarmten wir uns nun erst
bei voller Muße. Vater, wie sehe ich aus? war
meine erste Frage.

Abscheulich, mein Sohn, versetzte er. Deine
Züge sind in einer wunderbaren Unordnung, es ist,
als wären Nase, Mund und Augen bei dir berauscht
gewesen und erwachten nun in Winkeln, wohin sie
nicht gehören. Die Ohren müssen wir vor allen
Dingen stutzen, sie haben sich etwas zu üppig gen
Himmel erhoben, an den Extremitäten sind dir

14*

ſchon größere Unwahrſcheinlichkeiten begeben müſſen,
als daß man einen Dieb erſt einſteigen und dann
wieder herauskommen läßt. — Du konnteſt nur ge-
rettet werden, wenn dieſe Unwahrſcheinlichkeit vor-
fiel, denn machte ich früher Lärmen, ſo erwachte
das Landhaus Welgelegen, die Pforte wurde beſetzt,
du bliebſt mir unſichtbar und in den Händen von
Myn Heer van Streef. — Dieſe Antwort ſtellte
mich vollkommen zufrieden.

Wir waren unter ſolchen und ähnlichen Geſprächen
vor Brouw Elizabeth angekommen; mein Vater
zog die Klingel und weckte dadurch den Portier,
der ihm ſein Zimmer aufthat. In der Hellig-
keit, welche durch Wachskerzen und Alabaſterlampen
hervorgebracht wurde, umarmten wir uns nun erſt
bei voller Muße. Vater, wie ſehe ich aus? war
meine erſte Frage.

Abſcheulich, mein Sohn, verſetzte er. Deine
Züge ſind in einer wunderbaren Unordnung, es iſt,
als wären Naſe, Mund und Augen bei dir berauſcht
geweſen und erwachten nun in Winkeln, wohin ſie
nicht gehören. Die Ohren müſſen wir vor allen
Dingen ſtutzen, ſie haben ſich etwas zu üppig gen
Himmel erhoben, an den Extremitäten ſind dir

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[211/0229] ſchon größere Unwahrſcheinlichkeiten begeben müſſen, als daß man einen Dieb erſt einſteigen und dann wieder herauskommen läßt. — Du konnteſt nur ge- rettet werden, wenn dieſe Unwahrſcheinlichkeit vor- fiel, denn machte ich früher Lärmen, ſo erwachte das Landhaus Welgelegen, die Pforte wurde beſetzt, du bliebſt mir unſichtbar und in den Händen von Myn Heer van Streef. — Dieſe Antwort ſtellte mich vollkommen zufrieden. Wir waren unter ſolchen und ähnlichen Geſprächen vor Brouw Elizabeth angekommen; mein Vater zog die Klingel und weckte dadurch den Portier, der ihm ſein Zimmer aufthat. In der Hellig- keit, welche durch Wachskerzen und Alabaſterlampen hervorgebracht wurde, umarmten wir uns nun erſt bei voller Muße. Vater, wie ſehe ich aus? war meine erſte Frage. Abſcheulich, mein Sohn, verſetzte er. Deine Züge ſind in einer wunderbaren Unordnung, es iſt, als wären Naſe, Mund und Augen bei dir berauſcht geweſen und erwachten nun in Winkeln, wohin ſie nicht gehören. Die Ohren müſſen wir vor allen Dingen ſtutzen, ſie haben ſich etwas zu üppig gen Himmel erhoben, an den Extremitäten ſind dir 14*

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/229>, abgerufen am 06.05.2024.