sauer gewordenen Wurm vor dem Letzten, Schreck- lichsten zu erretten! Du bist wißbegierig und reisest viel, mein guter Vater, vielleicht besuchst du einmal auch das Cabinet von Myn Heer de Jonghe, und welch ein Augenblick wird es dann seyn, wenn du deinen unglücklichen Sohn vielleicht zwischen einer Fischotter und einem sibirischen Eichhorn siehst! -- Zwar ich vergesse, wer ich bin, ich rede irre -- du wirst mich nicht erkennen!
Ausgestopft zu werden! -- Gedanke, der das Hirn sieden macht, und alle Sehnen krachen! Nichts als Balg zu seyn und Werg! Aus gläsernen Augen dumm und starr zu schauen, und ewig den Drath in Rücken und Beinen zu fühlen, als einzigen hal- tenden Grundsatz! Neben sich nur Bälge zu haben, und diese ganze trockene Unsterblichkeit lediglich auf Kampher und Spiekoel gegründet!
In solchen jämmerlichen Betrachtungen ging mir ein Theil jener merkwürdigsten Nacht meines Lebens hin. Ich fühlte zugleich, daß die äußerste Beängstigung in meinem Körper Folgen hervor- brachte, denn ich konnte, da ich im Verlauf meines Kummers als Mensch mir vor die Stirn schlagen wollte, wunderbar genug, dieß mit meinen Vorder-
ſauer gewordenen Wurm vor dem Letzten, Schreck- lichſten zu erretten! Du biſt wißbegierig und reiſeſt viel, mein guter Vater, vielleicht beſuchſt du einmal auch das Cabinet von Myn Heer de Jonghe, und welch ein Augenblick wird es dann ſeyn, wenn du deinen unglücklichen Sohn vielleicht zwiſchen einer Fiſchotter und einem ſibiriſchen Eichhorn ſiehſt! — Zwar ich vergeſſe, wer ich bin, ich rede irre — du wirſt mich nicht erkennen!
Ausgeſtopft zu werden! — Gedanke, der das Hirn ſieden macht, und alle Sehnen krachen! Nichts als Balg zu ſeyn und Werg! Aus gläſernen Augen dumm und ſtarr zu ſchauen, und ewig den Drath in Rücken und Beinen zu fühlen, als einzigen hal- tenden Grundſatz! Neben ſich nur Bälge zu haben, und dieſe ganze trockene Unſterblichkeit lediglich auf Kampher und Spiekoel gegründet!
In ſolchen jämmerlichen Betrachtungen ging mir ein Theil jener merkwürdigſten Nacht meines Lebens hin. Ich fühlte zugleich, daß die äußerſte Beängſtigung in meinem Körper Folgen hervor- brachte, denn ich konnte, da ich im Verlauf meines Kummers als Menſch mir vor die Stirn ſchlagen wollte, wunderbar genug, dieß mit meinen Vorder-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0225"n="207"/>ſauer gewordenen Wurm vor dem Letzten, Schreck-<lb/>
lichſten zu erretten! Du biſt wißbegierig und reiſeſt<lb/>
viel, mein guter Vater, vielleicht beſuchſt du einmal<lb/>
auch das Cabinet von Myn Heer de Jonghe, und<lb/>
welch ein Augenblick wird es dann ſeyn, wenn du<lb/>
deinen unglücklichen Sohn vielleicht zwiſchen einer<lb/>
Fiſchotter und einem ſibiriſchen Eichhorn ſiehſt! —<lb/>
Zwar ich vergeſſe, wer ich bin, ich rede irre — du<lb/>
wirſt mich nicht erkennen!</p><lb/><p>Ausgeſtopft zu werden! — Gedanke, der das<lb/>
Hirn ſieden macht, und alle Sehnen krachen! Nichts<lb/>
als Balg zu ſeyn und Werg! Aus gläſernen Augen<lb/>
dumm und ſtarr zu ſchauen, und ewig den Drath<lb/>
in Rücken und Beinen zu fühlen, als einzigen hal-<lb/>
tenden Grundſatz! Neben ſich nur Bälge zu haben,<lb/>
und dieſe ganze trockene Unſterblichkeit lediglich auf<lb/>
Kampher und Spiekoel gegründet!</p><lb/><p>In ſolchen jämmerlichen Betrachtungen ging<lb/>
mir ein Theil jener merkwürdigſten Nacht meines<lb/>
Lebens hin. Ich fühlte zugleich, daß die äußerſte<lb/>
Beängſtigung in meinem Körper Folgen hervor-<lb/>
brachte, denn ich konnte, da ich im Verlauf meines<lb/>
Kummers als Menſch mir vor die Stirn ſchlagen<lb/>
wollte, wunderbar genug, dieß mit meinen Vorder-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[207/0225]
ſauer gewordenen Wurm vor dem Letzten, Schreck-
lichſten zu erretten! Du biſt wißbegierig und reiſeſt
viel, mein guter Vater, vielleicht beſuchſt du einmal
auch das Cabinet von Myn Heer de Jonghe, und
welch ein Augenblick wird es dann ſeyn, wenn du
deinen unglücklichen Sohn vielleicht zwiſchen einer
Fiſchotter und einem ſibiriſchen Eichhorn ſiehſt! —
Zwar ich vergeſſe, wer ich bin, ich rede irre — du
wirſt mich nicht erkennen!
Ausgeſtopft zu werden! — Gedanke, der das
Hirn ſieden macht, und alle Sehnen krachen! Nichts
als Balg zu ſeyn und Werg! Aus gläſernen Augen
dumm und ſtarr zu ſchauen, und ewig den Drath
in Rücken und Beinen zu fühlen, als einzigen hal-
tenden Grundſatz! Neben ſich nur Bälge zu haben,
und dieſe ganze trockene Unſterblichkeit lediglich auf
Kampher und Spiekoel gegründet!
In ſolchen jämmerlichen Betrachtungen ging
mir ein Theil jener merkwürdigſten Nacht meines
Lebens hin. Ich fühlte zugleich, daß die äußerſte
Beängſtigung in meinem Körper Folgen hervor-
brachte, denn ich konnte, da ich im Verlauf meines
Kummers als Menſch mir vor die Stirn ſchlagen
wollte, wunderbar genug, dieß mit meinen Vorder-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/225>, abgerufen am 28.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.