O Herr! seufzte ich bei diesem niederländischen Leben in Freude und Rast oft (denn ich bediente mich bei meinen Ausrufungen nun nicht mehr der Mythologie) was für eine Langeweile! Steht denn mein Herr nur eine Stufe über dem Faulthier und nicht tief unter dem Elephanten, dem stolz- empfindlichen Rosse, dem rührigen Hunde, obschon er Kans Billets und Amsterdamer Stadtobligatio- nen liest? Und doch dünkt er sich was Rechtes, glaubt eine unsterbliche Seele zu besitzen, und doch behandelt der schwärmerische Barbar uns Thiere mit Verachtung! -- Es war natürlich, daß sich auf solchem Wege kein Verhältniß der Zuneigung zwi- schen mir und ihm entfalten konnte; dieser Hollän- der war nicht geeignet, Liebe zu erwecken. Ich drehte ihm daher auch immer den Rücken zu, wenn er vor meinen Verschlag trat. Um der Last der schrecklichen Langeweile von Welgelegen mich zu entziehen, suchte ich mit meinen Nachbarn in der Menagerie Umgang anzuknüpfen. Ich hatte recht leidliche Leute zu Nachbarn, links einen Goldfasan und rechts einen Silberfasan, hinter mir ein Paar Schildkröten in einem großen Sandkasten und einen
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So ging ein Tag wie der Andere hin.
O Herr! ſeufzte ich bei dieſem niederländiſchen Leben in Freude und Raſt oft (denn ich bediente mich bei meinen Ausrufungen nun nicht mehr der Mythologie) was für eine Langeweile! Steht denn mein Herr nur eine Stufe über dem Faulthier und nicht tief unter dem Elephanten, dem ſtolz- empfindlichen Roſſe, dem rührigen Hunde, obſchon er Kans Billets und Amſterdamer Stadtobligatio- nen lieſt? Und doch dünkt er ſich was Rechtes, glaubt eine unſterbliche Seele zu beſitzen, und doch behandelt der ſchwärmeriſche Barbar uns Thiere mit Verachtung! — Es war natürlich, daß ſich auf ſolchem Wege kein Verhältniß der Zuneigung zwi- ſchen mir und ihm entfalten konnte; dieſer Hollän- der war nicht geeignet, Liebe zu erwecken. Ich drehte ihm daher auch immer den Rücken zu, wenn er vor meinen Verſchlag trat. Um der Laſt der ſchrecklichen Langeweile von Welgelegen mich zu entziehen, ſuchte ich mit meinen Nachbarn in der Menagerie Umgang anzuknüpfen. Ich hatte recht leidliche Leute zu Nachbarn, links einen Goldfaſan und rechts einen Silberfaſan, hinter mir ein Paar Schildkröten in einem großen Sandkaſten und einen
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So ging ein Tag wie der Andere hin.
O Herr! ſeufzte ich bei dieſem niederländiſchen
Leben in Freude und Raſt oft (denn ich bediente
mich bei meinen Ausrufungen nun nicht mehr der
Mythologie) was für eine Langeweile! Steht denn
mein Herr nur eine Stufe über dem Faulthier
und nicht tief unter dem Elephanten, dem ſtolz-
empfindlichen Roſſe, dem rührigen Hunde, obſchon
er Kans Billets und Amſterdamer Stadtobligatio-
nen lieſt? Und doch dünkt er ſich was Rechtes,
glaubt eine unſterbliche Seele zu beſitzen, und doch
behandelt der ſchwärmeriſche Barbar uns Thiere
mit Verachtung! — Es war natürlich, daß ſich auf
ſolchem Wege kein Verhältniß der Zuneigung zwi-
ſchen mir und ihm entfalten konnte; dieſer Hollän-
der war nicht geeignet, Liebe zu erwecken. Ich
drehte ihm daher auch immer den Rücken zu, wenn
er vor meinen Verſchlag trat. Um der Laſt der
ſchrecklichen Langeweile von Welgelegen mich zu
entziehen, ſuchte ich mit meinen Nachbarn in der
Menagerie Umgang anzuknüpfen. Ich hatte recht
leidliche Leute zu Nachbarn, links einen Goldfaſan
und rechts einen Silberfaſan, hinter mir ein Paar
Schildkröten in einem großen Sandkaſten und einen
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/213>, abgerufen am 29.11.2024.
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