Myn Heer van Streef durchaus nur seine Mei- len in gerader Richtung, ohne durch Umwege und Absprünge ihre Zahl zu erfüllen, verreisen wollte. Denn da ihm die Reise äußerst zuwider war, so haßte er Alles, was ihr den Schein einer Wande- rung zum Vergnügen hätte geben können. Er zog deßhalb auf seiner Karte von Europa nach dem Lineal mit Bleistift einen Strich von Amsterdam nach Südosten, maß daran die Meilen, fand, daß ihre Zahl sich genau auf dem Gipfel des Helikon vollende, und war so, immer streng dem Striche nachreisend, und weder rechts noch links abwei- chend, allgemach auf den geheiligten Berg gekommen.
Hier tröstete ihn nun der Diener, nachdem er ihm Vorstehendes in einzelnen Bemerkungen erin- nerlich gemacht hatte, um ihn durch den Gedanken an die Nothwendigkeit der Reise und ihre strenge Consequenz aufzurichten, mit dem Ausrufe: Myn Heer, wir sind am Ziel, und morgen geht es nach unserem schönen Welgelegen zurück.
Gottlob, sagte der Holländer, der sich bei dem Gedanken an sein Landhaus ein wenig erheitert fühlte, und ich will, wenn wir nach Hause gekom- men sind, ein Lusthaus anbauen und das soll hei-
Immermann's Münchhausen. 2. Th. 12
Myn Heer van Streef durchaus nur ſeine Mei- len in gerader Richtung, ohne durch Umwege und Abſprünge ihre Zahl zu erfüllen, verreiſen wollte. Denn da ihm die Reiſe äußerſt zuwider war, ſo haßte er Alles, was ihr den Schein einer Wande- rung zum Vergnügen hätte geben können. Er zog deßhalb auf ſeiner Karte von Europa nach dem Lineal mit Bleiſtift einen Strich von Amſterdam nach Südoſten, maß daran die Meilen, fand, daß ihre Zahl ſich genau auf dem Gipfel des Helikon vollende, und war ſo, immer ſtreng dem Striche nachreiſend, und weder rechts noch links abwei- chend, allgemach auf den geheiligten Berg gekommen.
Hier tröſtete ihn nun der Diener, nachdem er ihm Vorſtehendes in einzelnen Bemerkungen erin- nerlich gemacht hatte, um ihn durch den Gedanken an die Nothwendigkeit der Reiſe und ihre ſtrenge Conſequenz aufzurichten, mit dem Ausrufe: Myn Heer, wir ſind am Ziel, und morgen geht es nach unſerem ſchönen Welgelegen zurück.
Gottlob, ſagte der Holländer, der ſich bei dem Gedanken an ſein Landhaus ein wenig erheitert fühlte, und ich will, wenn wir nach Hauſe gekom- men ſind, ein Luſthaus anbauen und das ſoll hei-
Immermann’s Münchhauſen. 2. Th. 12
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Myn Heer van Streef durchaus nur ſeine Mei-
len in gerader Richtung, ohne durch Umwege und
Abſprünge ihre Zahl zu erfüllen, verreiſen wollte.
Denn da ihm die Reiſe äußerſt zuwider war, ſo
haßte er Alles, was ihr den Schein einer Wande-
rung zum Vergnügen hätte geben können. Er zog
deßhalb auf ſeiner Karte von Europa nach dem
Lineal mit Bleiſtift einen Strich von Amſterdam
nach Südoſten, maß daran die Meilen, fand, daß
ihre Zahl ſich genau auf dem Gipfel des Helikon
vollende, und war ſo, immer ſtreng dem Striche
nachreiſend, und weder rechts noch links abwei-
chend, allgemach auf den geheiligten Berg gekommen.
Hier tröſtete ihn nun der Diener, nachdem er
ihm Vorſtehendes in einzelnen Bemerkungen erin-
nerlich gemacht hatte, um ihn durch den Gedanken
an die Nothwendigkeit der Reiſe und ihre ſtrenge
Conſequenz aufzurichten, mit dem Ausrufe: Myn
Heer, wir ſind am Ziel, und morgen geht es nach
unſerem ſchönen Welgelegen zurück.
Gottlob, ſagte der Holländer, der ſich bei dem
Gedanken an ſein Landhaus ein wenig erheitert
fühlte, und ich will, wenn wir nach Hauſe gekom-
men ſind, ein Luſthaus anbauen und das ſoll hei-
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/195>, abgerufen am 23.12.2024.
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