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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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gener Rentenierer war, welcher unweit Amsterdam
und eine Stunde von Harlem auf seinem Land-
hause gelebt hatte. Da sich die Anfälle des
Podagra's bei ihm mehrten und gewisse Vorboten
der Wassersucht erschienen, so war ihm von seinem
Arzte eine Reise in die südlichen Länder verordnet
worden. Dazu wollte sich denn auch Myn Heer
van Streef verstehen und erklärte seine Bereit-
willigkeit, bis in den Reichswald bei Cleve zu
reisen. Der Arzt erklärte aber dagegen, er sei
mißverstanden worden und nannte ihm die unge-
heure Meilenzahl, welche er wenigstens abzureisen
habe. Der Holländer war hierüber anfangs, so
weit sein Naturell dies zuließ, in einige Verzweif-
lung gerathen, jedoch endlich, weil der Arzt eben-
falls ein ruhiger hartnäckiger Altniederländer war,
und seinem Patienten mit größter Fassung Todes-
tag, ja Todesstunde vorausgesagt hatte, wenn er
nicht Folge leiste, genöthigt gewesen, sich zu fügen,
und an die Reise zu denken, die er in südöstlicher
Richtung vornehmen mußte, da er südlich auf der
Karte die verordnete Meilenzahl nicht vor sich sah.

Um dies zu verstehen, muß gesagt werden, was
ich aus den Gesprächen heraushörte, daß nämlich

gener Rentenierer war, welcher unweit Amſterdam
und eine Stunde von Harlem auf ſeinem Land-
hauſe gelebt hatte. Da ſich die Anfälle des
Podagra’s bei ihm mehrten und gewiſſe Vorboten
der Waſſerſucht erſchienen, ſo war ihm von ſeinem
Arzte eine Reiſe in die ſüdlichen Länder verordnet
worden. Dazu wollte ſich denn auch Myn Heer
van Streef verſtehen und erklärte ſeine Bereit-
willigkeit, bis in den Reichswald bei Cleve zu
reiſen. Der Arzt erklärte aber dagegen, er ſei
mißverſtanden worden und nannte ihm die unge-
heure Meilenzahl, welche er wenigſtens abzureiſen
habe. Der Holländer war hierüber anfangs, ſo
weit ſein Naturell dies zuließ, in einige Verzweif-
lung gerathen, jedoch endlich, weil der Arzt eben-
falls ein ruhiger hartnäckiger Altniederländer war,
und ſeinem Patienten mit größter Faſſung Todes-
tag, ja Todesſtunde vorausgeſagt hatte, wenn er
nicht Folge leiſte, genöthigt geweſen, ſich zu fügen,
und an die Reiſe zu denken, die er in ſüdöſtlicher
Richtung vornehmen mußte, da er ſüdlich auf der
Karte die verordnete Meilenzahl nicht vor ſich ſah.

Um dies zu verſtehen, muß geſagt werden, was
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[176/0194] gener Rentenierer war, welcher unweit Amſterdam und eine Stunde von Harlem auf ſeinem Land- hauſe gelebt hatte. Da ſich die Anfälle des Podagra’s bei ihm mehrten und gewiſſe Vorboten der Waſſerſucht erſchienen, ſo war ihm von ſeinem Arzte eine Reiſe in die ſüdlichen Länder verordnet worden. Dazu wollte ſich denn auch Myn Heer van Streef verſtehen und erklärte ſeine Bereit- willigkeit, bis in den Reichswald bei Cleve zu reiſen. Der Arzt erklärte aber dagegen, er ſei mißverſtanden worden und nannte ihm die unge- heure Meilenzahl, welche er wenigſtens abzureiſen habe. Der Holländer war hierüber anfangs, ſo weit ſein Naturell dies zuließ, in einige Verzweif- lung gerathen, jedoch endlich, weil der Arzt eben- falls ein ruhiger hartnäckiger Altniederländer war, und ſeinem Patienten mit größter Faſſung Todes- tag, ja Todesſtunde vorausgeſagt hatte, wenn er nicht Folge leiſte, genöthigt geweſen, ſich zu fügen, und an die Reiſe zu denken, die er in ſüdöſtlicher Richtung vornehmen mußte, da er ſüdlich auf der Karte die verordnete Meilenzahl nicht vor ſich ſah. Um dies zu verſtehen, muß geſagt werden, was ich aus den Geſprächen heraushörte, daß nämlich

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/194>, abgerufen am 28.04.2024.