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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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ben, der möglichen Fälle halber, in welchen ein
zweites Metier von großem Nutzen seyn kann.
Auch meine Sprache war ihnen noch nicht academisch
genug; sie meinten, es sei nicht das reine tosca-
nische Meckern. Ich muß hier einschalten, daß ich
mich deßhalb so rasch mit meinen Wohlthäterinnen
hatte verständigen können, weil meine erste Kind-
heit mir theilweise unter deutschen Kanzelrednern
hingegangen war, und ich daher nur bekannte Töne
hörte, als ich zu den Ziegen kam, nur bekannte Töne
im Gespräch mit ihnen zu wiederholen brauchte.
Indessen, wie gesagt, mein Meckern sollte doch noch
nicht ganz rein seyn, es mochte wohl noch in etwa
den Kanzelredner verrathen. Die gelehrte Ziege
Pipi gab sich daher an das Werk und unterwies
mich im Meckern nach den Regeln der Grammatik.
Ich lernte rasch und fand, daß das Ziegen-Idiom
einen großen Reichthum an eigenthümlichen Wen-
dungen für unklare Vorstellungen habe, weßhalb
es manchen Zeiten zu empfehlen seyn dürfte, um darin
die Geschäfte des öffentlichen Lebens abzuhandeln.

Tage kamen und Tage gingen, daraus wurden
Wochen und aus den Wochen stellten sich Monate
zusammen, ohne daß unser idyllisches Leben auf

ben, der möglichen Fälle halber, in welchen ein
zweites Metier von großem Nutzen ſeyn kann.
Auch meine Sprache war ihnen noch nicht academiſch
genug; ſie meinten, es ſei nicht das reine tosca-
niſche Meckern. Ich muß hier einſchalten, daß ich
mich deßhalb ſo raſch mit meinen Wohlthäterinnen
hatte verſtändigen können, weil meine erſte Kind-
heit mir theilweiſe unter deutſchen Kanzelrednern
hingegangen war, und ich daher nur bekannte Töne
hörte, als ich zu den Ziegen kam, nur bekannte Töne
im Geſpräch mit ihnen zu wiederholen brauchte.
Indeſſen, wie geſagt, mein Meckern ſollte doch noch
nicht ganz rein ſeyn, es mochte wohl noch in etwa
den Kanzelredner verrathen. Die gelehrte Ziege
Pipi gab ſich daher an das Werk und unterwies
mich im Meckern nach den Regeln der Grammatik.
Ich lernte raſch und fand, daß das Ziegen-Idiom
einen großen Reichthum an eigenthümlichen Wen-
dungen für unklare Vorſtellungen habe, weßhalb
es manchen Zeiten zu empfehlen ſeyn dürfte, um darin
die Geſchäfte des öffentlichen Lebens abzuhandeln.

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Wochen und aus den Wochen ſtellten ſich Monate
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[148/0166] ben, der möglichen Fälle halber, in welchen ein zweites Metier von großem Nutzen ſeyn kann. Auch meine Sprache war ihnen noch nicht academiſch genug; ſie meinten, es ſei nicht das reine tosca- niſche Meckern. Ich muß hier einſchalten, daß ich mich deßhalb ſo raſch mit meinen Wohlthäterinnen hatte verſtändigen können, weil meine erſte Kind- heit mir theilweiſe unter deutſchen Kanzelrednern hingegangen war, und ich daher nur bekannte Töne hörte, als ich zu den Ziegen kam, nur bekannte Töne im Geſpräch mit ihnen zu wiederholen brauchte. Indeſſen, wie geſagt, mein Meckern ſollte doch noch nicht ganz rein ſeyn, es mochte wohl noch in etwa den Kanzelredner verrathen. Die gelehrte Ziege Pipi gab ſich daher an das Werk und unterwies mich im Meckern nach den Regeln der Grammatik. Ich lernte raſch und fand, daß das Ziegen-Idiom einen großen Reichthum an eigenthümlichen Wen- dungen für unklare Vorſtellungen habe, weßhalb es manchen Zeiten zu empfehlen ſeyn dürfte, um darin die Geſchäfte des öffentlichen Lebens abzuhandeln. Tage kamen und Tage gingen, daraus wurden Wochen und aus den Wochen ſtellten ſich Monate zuſammen, ohne daß unſer idylliſches Leben auf

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/166>, abgerufen am 28.04.2024.