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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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Andern wehe zu thun, nur um doch mit etwas
ihre Tage auszufüllen, während der Fleiß, der
durch Geschick oder durch Vorsatz auferlegte, auch
geringere Seelen zu veredeln pflegt. Nicht mit
Unrecht kann man sagen, daß er wie ein Magnet
durch fortgesetztes Tragen unglaublicher Lasten
mächtig wird, während die Trägheit ein Stahl in
der Scheide ist, den zuletzt doch der Rost zernagt.
Auch ist ferner zu sagen, daß die emsigen Bienen,
obzwar ihnen die Natur einen scharfen Giftstachel
gegeben hat, nur gereizt stechen, und den Nicht-
beleidiger unbeleidigt durch ihren Schwarm hin-
durchgehen lassen, wogegen die nicht sammelnden
Wespen Jeden, auch den Ruhigsten muthwillig an-
zufallen pflegen. Weßhalb der Fleiß ein Freund
seiner selbst und Anderer genannt werden darf, die
Faulheit aber als Feindin an sich und Jedermann
handelt. Und darum ist es mir so lieb, daß meine
letzten Tage nunmehr aus dem müßigen Schwär-
men, welches mich ganz aushöhlte und vernichtigte,
in eine rühmliche Thätigkeit sich retten, bei welcher
ich mit gutem Gewissen und starkem Bewußtseyn
geduldig die Rückkehr der alten Verhältnisse und
meinen Eintritt in das höchste Gericht erwarten

Andern wehe zu thun, nur um doch mit etwas
ihre Tage auszufüllen, während der Fleiß, der
durch Geſchick oder durch Vorſatz auferlegte, auch
geringere Seelen zu veredeln pflegt. Nicht mit
Unrecht kann man ſagen, daß er wie ein Magnet
durch fortgeſetztes Tragen unglaublicher Laſten
mächtig wird, während die Trägheit ein Stahl in
der Scheide iſt, den zuletzt doch der Roſt zernagt.
Auch iſt ferner zu ſagen, daß die emſigen Bienen,
obzwar ihnen die Natur einen ſcharfen Giftſtachel
gegeben hat, nur gereizt ſtechen, und den Nicht-
beleidiger unbeleidigt durch ihren Schwarm hin-
durchgehen laſſen, wogegen die nicht ſammelnden
Wespen Jeden, auch den Ruhigſten muthwillig an-
zufallen pflegen. Weßhalb der Fleiß ein Freund
ſeiner ſelbſt und Anderer genannt werden darf, die
Faulheit aber als Feindin an ſich und Jedermann
handelt. Und darum iſt es mir ſo lieb, daß meine
letzten Tage nunmehr aus dem müßigen Schwär-
men, welches mich ganz aushöhlte und vernichtigte,
in eine rühmliche Thätigkeit ſich retten, bei welcher
ich mit gutem Gewiſſen und ſtarkem Bewußtſeyn
geduldig die Rückkehr der alten Verhältniſſe und
meinen Eintritt in das höchſte Gericht erwarten

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[89/0107] Andern wehe zu thun, nur um doch mit etwas ihre Tage auszufüllen, während der Fleiß, der durch Geſchick oder durch Vorſatz auferlegte, auch geringere Seelen zu veredeln pflegt. Nicht mit Unrecht kann man ſagen, daß er wie ein Magnet durch fortgeſetztes Tragen unglaublicher Laſten mächtig wird, während die Trägheit ein Stahl in der Scheide iſt, den zuletzt doch der Roſt zernagt. Auch iſt ferner zu ſagen, daß die emſigen Bienen, obzwar ihnen die Natur einen ſcharfen Giftſtachel gegeben hat, nur gereizt ſtechen, und den Nicht- beleidiger unbeleidigt durch ihren Schwarm hin- durchgehen laſſen, wogegen die nicht ſammelnden Wespen Jeden, auch den Ruhigſten muthwillig an- zufallen pflegen. Weßhalb der Fleiß ein Freund ſeiner ſelbſt und Anderer genannt werden darf, die Faulheit aber als Feindin an ſich und Jedermann handelt. Und darum iſt es mir ſo lieb, daß meine letzten Tage nunmehr aus dem müßigen Schwär- men, welches mich ganz aushöhlte und vernichtigte, in eine rühmliche Thätigkeit ſich retten, bei welcher ich mit gutem Gewiſſen und ſtarkem Bewußtſeyn geduldig die Rückkehr der alten Verhältniſſe und meinen Eintritt in das höchſte Gericht erwarten

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/107>, abgerufen am 22.12.2024.