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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Geschichten wieder so schlicht angefangen, wie Ihre
Manier ist: "In der deutschen Landschaft, worin
ehemals das mächtige Fürstenthum Hechelkram lag,
erhebt sich eine Hochebne" u. s. w. hatten dann von
dem Schlosse und seinen Bewohnern berichtet, und
waren endlich nach und nach auf den Helden dieser
Erzählungen gekommen.

Ew. Wohlgeboren, dieser Stylus mochte zu
Cervantes Zeiten gut und ersprießlich seyn, wo
die Leser so sacht und gelind in eine Erzählung
hinein kommen wollten, wie in eine Zaubergrotte,
von der die Mährlein singen, daß eine schöne Elfe
davor sitzt, und den Ritter mit wunderleisen
Klängen in die karfunkelleuchtenden Klüfte lockt.
Sie stößt auch nicht in die Trompete, oder bläs't
die Baßposaune, oder macht Pizzicato, sondern sie
hat eine kleine goldne Laute im Arm; aus deren
Saiten quellen unschuldige, naive Töne, wie harm-
lose Kinder, die um den Ritter Blumenfesseln
schlingen, und eh er sich's versieht, ist er umspon-
nen und durch den Grotten-Eingang gezogen, und
steht mitten in dem Reiche der Wunder, bevor er
nur gemerkt hat, daß er aus der Welt da draußen
hinweggegangen ist.


Geſchichten wieder ſo ſchlicht angefangen, wie Ihre
Manier iſt: „In der deutſchen Landſchaft, worin
ehemals das mächtige Fürſtenthum Hechelkram lag,
erhebt ſich eine Hochebne“ u. ſ. w. hatten dann von
dem Schloſſe und ſeinen Bewohnern berichtet, und
waren endlich nach und nach auf den Helden dieſer
Erzählungen gekommen.

Ew. Wohlgeboren, dieſer Stylus mochte zu
Cervantes Zeiten gut und erſprießlich ſeyn, wo
die Leſer ſo ſacht und gelind in eine Erzählung
hinein kommen wollten, wie in eine Zaubergrotte,
von der die Mährlein ſingen, daß eine ſchöne Elfe
davor ſitzt, und den Ritter mit wunderleiſen
Klängen in die karfunkelleuchtenden Klüfte lockt.
Sie ſtößt auch nicht in die Trompete, oder bläſ’t
die Baßpoſaune, oder macht Pizzicato, ſondern ſie
hat eine kleine goldne Laute im Arm; aus deren
Saiten quellen unſchuldige, naive Töne, wie harm-
loſe Kinder, die um den Ritter Blumenfeſſeln
ſchlingen, und eh er ſich’s verſieht, iſt er umſpon-
nen und durch den Grotten-Eingang gezogen, und
ſteht mitten in dem Reiche der Wunder, bevor er
nur gemerkt hat, daß er aus der Welt da draußen
hinweggegangen iſt.


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[90/0098] Geſchichten wieder ſo ſchlicht angefangen, wie Ihre Manier iſt: „In der deutſchen Landſchaft, worin ehemals das mächtige Fürſtenthum Hechelkram lag, erhebt ſich eine Hochebne“ u. ſ. w. hatten dann von dem Schloſſe und ſeinen Bewohnern berichtet, und waren endlich nach und nach auf den Helden dieſer Erzählungen gekommen. Ew. Wohlgeboren, dieſer Stylus mochte zu Cervantes Zeiten gut und erſprießlich ſeyn, wo die Leſer ſo ſacht und gelind in eine Erzählung hinein kommen wollten, wie in eine Zaubergrotte, von der die Mährlein ſingen, daß eine ſchöne Elfe davor ſitzt, und den Ritter mit wunderleiſen Klängen in die karfunkelleuchtenden Klüfte lockt. Sie ſtößt auch nicht in die Trompete, oder bläſ’t die Baßpoſaune, oder macht Pizzicato, ſondern ſie hat eine kleine goldne Laute im Arm; aus deren Saiten quellen unſchuldige, naive Töne, wie harm- loſe Kinder, die um den Ritter Blumenfeſſeln ſchlingen, und eh er ſich’s verſieht, iſt er umſpon- nen und durch den Grotten-Eingang gezogen, und ſteht mitten in dem Reiche der Wunder, bevor er nur gemerkt hat, daß er aus der Welt da draußen hinweggegangen iſt.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/98>, abgerufen am 23.11.2024.