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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Dolch ist ihrer entkräfteten Hand entfallen und
rostet im Moder, im Moder liegt die Maske, welche
die gemeinen menschlichen Züge verschönernd be-
decken soll; Schimmel überzieht dieselbe, und Einer
der Theaterarbeiter hat ihr die Nase platt getreten.
Droben aber über ihrem Haupte, auf dem Po-
dium, scharrwerkt der lärmende Emporkömmling
mit seinen breitgerührten und doch hölzern geblie-
benen Jamben. Ach, die Arme! Nicht einmal
weinen kann sie mehr. Isidor hat sie mit dem
Stockschnupfen angesteckt, und verlangt nun grausam
spottend von ihr, sie solle Macuba schnupfen lernen,
dadurch helfe er sich in allen Nöthen.

Das Alles ist weltbekannt. Nicht so bekannt
ist aber der Umstand, daß der Tragöde alle die
Stücke, die seitdem wie ein nie versiegender Spü-
licht zwischen den Coulissen hervorgebrodelt sind,
bereits während seiner Beschäftigung mit Zöpfen
und Frisuren in müßigen Nebenstunden verfertigte.
Ja, meine Freunde, er hat sie sämmtlich auf den
Vorrath gearbeitet; die Manuscripte lagen in seinem
Haaratellier geordnet zwischen den übrigen Fabri-
caten und Sachen, ungefähr so: Ein Zopf; die
Erdennacht, eine Perücke; Genoveva, Pomade;

Dolch iſt ihrer entkräfteten Hand entfallen und
roſtet im Moder, im Moder liegt die Maske, welche
die gemeinen menſchlichen Züge verſchönernd be-
decken ſoll; Schimmel überzieht dieſelbe, und Einer
der Theaterarbeiter hat ihr die Naſe platt getreten.
Droben aber über ihrem Haupte, auf dem Po-
dium, ſcharrwerkt der lärmende Emporkömmling
mit ſeinen breitgerührten und doch hölzern geblie-
benen Jamben. Ach, die Arme! Nicht einmal
weinen kann ſie mehr. Iſidor hat ſie mit dem
Stockſchnupfen angeſteckt, und verlangt nun grauſam
ſpottend von ihr, ſie ſolle Macuba ſchnupfen lernen,
dadurch helfe er ſich in allen Nöthen.

Das Alles iſt weltbekannt. Nicht ſo bekannt
iſt aber der Umſtand, daß der Tragöde alle die
Stücke, die ſeitdem wie ein nie verſiegender Spü-
licht zwiſchen den Couliſſen hervorgebrodelt ſind,
bereits während ſeiner Beſchäftigung mit Zöpfen
und Friſuren in müßigen Nebenſtunden verfertigte.
Ja, meine Freunde, er hat ſie ſämmtlich auf den
Vorrath gearbeitet; die Manuſcripte lagen in ſeinem
Haaratellier geordnet zwiſchen den übrigen Fabri-
caten und Sachen, ungefähr ſo: Ein Zopf; die
Erdennacht, eine Perücke; Genoveva, Pomade;

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[57/0065] Dolch iſt ihrer entkräfteten Hand entfallen und roſtet im Moder, im Moder liegt die Maske, welche die gemeinen menſchlichen Züge verſchönernd be- decken ſoll; Schimmel überzieht dieſelbe, und Einer der Theaterarbeiter hat ihr die Naſe platt getreten. Droben aber über ihrem Haupte, auf dem Po- dium, ſcharrwerkt der lärmende Emporkömmling mit ſeinen breitgerührten und doch hölzern geblie- benen Jamben. Ach, die Arme! Nicht einmal weinen kann ſie mehr. Iſidor hat ſie mit dem Stockſchnupfen angeſteckt, und verlangt nun grauſam ſpottend von ihr, ſie ſolle Macuba ſchnupfen lernen, dadurch helfe er ſich in allen Nöthen. Das Alles iſt weltbekannt. Nicht ſo bekannt iſt aber der Umſtand, daß der Tragöde alle die Stücke, die ſeitdem wie ein nie verſiegender Spü- licht zwiſchen den Couliſſen hervorgebrodelt ſind, bereits während ſeiner Beſchäftigung mit Zöpfen und Friſuren in müßigen Nebenſtunden verfertigte. Ja, meine Freunde, er hat ſie ſämmtlich auf den Vorrath gearbeitet; die Manuſcripte lagen in ſeinem Haaratellier geordnet zwiſchen den übrigen Fabri- caten und Sachen, ungefähr ſo: Ein Zopf; die Erdennacht, eine Perücke; Genoveva, Pomade;

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/65>, abgerufen am 23.11.2024.