kehrt war, lernte ich in der Nachbarschaft meine Verwandte, Baroneß Clelia kennen, die sich früher in Wien aufgehalten hatte. Ich benahm mich gegen sie, wie es einem schwäbischen Vetter geziemte, sie deßgleichen, wie meinem Mühmchen zukam. Keines von Beiden dachte an eine Verbindung, wohl aber mochte der Verwandtschaft eine solche gar paßlich vorgekommen seyn, denn aus freundlichen Blicken, geselligen Aufmerksamkeiten und zwei oder drei Händedrücken, wie sie ein unbefangenes Wohlwollen giebt und nimmt, war bald für uns ein Netz zusam- mengestrickt worden, aus welchem wir schlechterdings als Braut und Bräutigam hervorgucken sollten; und der alte Oheim fragte mich eines Tages ganz naiv, wann denn die öffentliche Erklärung vor sich gehen werde.
Wir waren gewaltig betroffen, und wie zwei Leute sonst alles Mögliche anwenden, um einander habhaft zu werden, so ließen wir nichts unversucht, in der Meinung der Sippschaft von einander zu kommen, was in der freundlichsten Einigkeit von beiden Seiten geschah. Mühmchen Clelia hatte bei diesen Lockerungsbestrebungen ein noch größeres Interesse, als ich, denn es ließ sich bald vermerken,
kehrt war, lernte ich in der Nachbarſchaft meine Verwandte, Baroneß Clelia kennen, die ſich früher in Wien aufgehalten hatte. Ich benahm mich gegen ſie, wie es einem ſchwäbiſchen Vetter geziemte, ſie deßgleichen, wie meinem Mühmchen zukam. Keines von Beiden dachte an eine Verbindung, wohl aber mochte der Verwandtſchaft eine ſolche gar paßlich vorgekommen ſeyn, denn aus freundlichen Blicken, geſelligen Aufmerkſamkeiten und zwei oder drei Händedrücken, wie ſie ein unbefangenes Wohlwollen giebt und nimmt, war bald für uns ein Netz zuſam- mengeſtrickt worden, aus welchem wir ſchlechterdings als Braut und Bräutigam hervorgucken ſollten; und der alte Oheim fragte mich eines Tages ganz naiv, wann denn die öffentliche Erklärung vor ſich gehen werde.
Wir waren gewaltig betroffen, und wie zwei Leute ſonſt alles Mögliche anwenden, um einander habhaft zu werden, ſo ließen wir nichts unverſucht, in der Meinung der Sippſchaft von einander zu kommen, was in der freundlichſten Einigkeit von beiden Seiten geſchah. Mühmchen Clelia hatte bei dieſen Lockerungsbeſtrebungen ein noch größeres Intereſſe, als ich, denn es ließ ſich bald vermerken,
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kehrt war, lernte ich in der Nachbarſchaft meine
Verwandte, Baroneß Clelia kennen, die ſich früher
in Wien aufgehalten hatte. Ich benahm mich gegen
ſie, wie es einem ſchwäbiſchen Vetter geziemte, ſie
deßgleichen, wie meinem Mühmchen zukam. Keines
von Beiden dachte an eine Verbindung, wohl aber
mochte der Verwandtſchaft eine ſolche gar paßlich
vorgekommen ſeyn, denn aus freundlichen Blicken,
geſelligen Aufmerkſamkeiten und zwei oder drei
Händedrücken, wie ſie ein unbefangenes Wohlwollen
giebt und nimmt, war bald für uns ein Netz zuſam-
mengeſtrickt worden, aus welchem wir ſchlechterdings
als Braut und Bräutigam hervorgucken ſollten;
und der alte Oheim fragte mich eines Tages ganz
naiv, wann denn die öffentliche Erklärung vor ſich
gehen werde.
Wir waren gewaltig betroffen, und wie zwei
Leute ſonſt alles Mögliche anwenden, um einander
habhaft zu werden, ſo ließen wir nichts unverſucht,
in der Meinung der Sippſchaft von einander zu
kommen, was in der freundlichſten Einigkeit von
beiden Seiten geſchah. Mühmchen Clelia hatte bei
dieſen Lockerungsbeſtrebungen ein noch größeres
Intereſſe, als ich, denn es ließ ſich bald vermerken,
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/338>, abgerufen am 22.11.2024.
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