Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

Endlich begann der dritte Kalender, der Bonapartist, seine Geschichte und sprach:

Daran ist Niemand Schuld, als der verwünschte Feuerwerker, der die Elsterbrücke bei Leipzig zu früh sprengte. Wir haben euch Preußen überall geschlagen, wir sind siegend von Moskau nach Paris gekommen. Die Elemente haben uns überwunden und die Ueberzahl, und der Duc d'Otrante und die Verrätherei. Der Kaiser! ich habe ihn gesehn, es gefällt mir Keiner mehr nach ihm. Was soll man machen? die glückliche Zeit ist vorbei. Die Steuern waren geringer als jetzt, die Conscription ist geblieben, die Constitution ist nicht gekommen. Am schlimmsten ging es mir. Ich war in Dresden während der sächsischen Campagne Magazin-Verwalter, ich hielt mein Magazin, das muß ich sagen, in Ordnung, die Soldaten bekamen Alles gut und in vollwichtigen Rationen; wer den armen Teufeln das Ihrige nimmt, dachte ich, stiehlt's aus der Kirche. Enfin! Was ist's weiter, wenn man seine Pflicht thut? Eh bien! was geschieht? Der Kaiser zu Pferde, kommt eines Tages, reitet in mein Magazin, hinter ihm der Prince de Neufchatel und der Prince Poniatowsky und General St. Cyr. Zu Pferde revidirt er Alles, läßt sich jeden Artikel zeigen, kostet das Brod, probirt den Branntwein. Und da er nun Alles gut findet und bester als irgendwo, wird er immer freundlicher, fängt an zu lächeln und sagt: bon! und zu mir sagt er: Votre nom? -- Pützenkirchen, Sire! antwortete ich.

Endlich begann der dritte Kalender, der Bonapartist, seine Geschichte und sprach:

Daran ist Niemand Schuld, als der verwünschte Feuerwerker, der die Elsterbrücke bei Leipzig zu früh sprengte. Wir haben euch Preußen überall geschlagen, wir sind siegend von Moskau nach Paris gekommen. Die Elemente haben uns überwunden und die Ueberzahl, und der Duc d'Otrante und die Verrätherei. Der Kaiser! ich habe ihn gesehn, es gefällt mir Keiner mehr nach ihm. Was soll man machen? die glückliche Zeit ist vorbei. Die Steuern waren geringer als jetzt, die Conscription ist geblieben, die Constitution ist nicht gekommen. Am schlimmsten ging es mir. Ich war in Dresden während der sächsischen Campagne Magazin-Verwalter, ich hielt mein Magazin, das muß ich sagen, in Ordnung, die Soldaten bekamen Alles gut und in vollwichtigen Rationen; wer den armen Teufeln das Ihrige nimmt, dachte ich, stiehlt's aus der Kirche. Enfin! Was ist's weiter, wenn man seine Pflicht thut? Eh bien! was geschieht? Der Kaiser zu Pferde, kommt eines Tages, reitet in mein Magazin, hinter ihm der Prince de Neufchatel und der Prince Poniatowsky und General St. Cyr. Zu Pferde revidirt er Alles, läßt sich jeden Artikel zeigen, kostet das Brod, probirt den Branntwein. Und da er nun Alles gut findet und bester als irgendwo, wird er immer freundlicher, fängt an zu lächeln und sagt: bon! und zu mir sagt er: Votre nom? — Pützenkirchen, Sire! antwortete ich.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="14">
        <pb facs="#f0078"/>
        <p>Endlich begann der dritte Kalender, der Bonapartist, seine Geschichte und sprach:</p><lb/>
        <p>Daran ist Niemand Schuld, als der verwünschte Feuerwerker, der die Elsterbrücke bei Leipzig      zu früh sprengte. Wir haben euch Preußen überall geschlagen, wir sind siegend von Moskau nach      Paris gekommen. Die Elemente haben uns überwunden und die Ueberzahl, und der Duc d'Otrante und      die Verrätherei. Der Kaiser! ich habe ihn gesehn, es gefällt mir Keiner mehr nach ihm. Was soll      man machen? die glückliche Zeit ist vorbei. Die Steuern waren geringer als jetzt, die      Conscription ist geblieben, die Constitution ist nicht gekommen. Am schlimmsten ging es mir.      Ich war in Dresden während der sächsischen Campagne Magazin-Verwalter, ich hielt mein Magazin,      das muß ich sagen, in Ordnung, die Soldaten bekamen Alles gut und in vollwichtigen Rationen;      wer den armen Teufeln das Ihrige nimmt, dachte ich, stiehlt's aus der Kirche. Enfin! Was ist's      weiter, wenn man seine Pflicht thut? Eh bien! was geschieht? Der Kaiser zu Pferde, kommt eines      Tages, reitet in mein Magazin, hinter ihm der Prince de Neufchatel und der Prince Poniatowsky      und General St. Cyr. Zu Pferde revidirt er Alles, läßt sich jeden Artikel zeigen, kostet das      Brod, probirt den Branntwein. Und da er nun Alles gut findet und bester als irgendwo, wird er      immer freundlicher, fängt an zu lächeln und sagt: bon! und zu mir sagt er: Votre nom? &#x2014;      Pützenkirchen, Sire! antwortete ich.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0078] Endlich begann der dritte Kalender, der Bonapartist, seine Geschichte und sprach: Daran ist Niemand Schuld, als der verwünschte Feuerwerker, der die Elsterbrücke bei Leipzig zu früh sprengte. Wir haben euch Preußen überall geschlagen, wir sind siegend von Moskau nach Paris gekommen. Die Elemente haben uns überwunden und die Ueberzahl, und der Duc d'Otrante und die Verrätherei. Der Kaiser! ich habe ihn gesehn, es gefällt mir Keiner mehr nach ihm. Was soll man machen? die glückliche Zeit ist vorbei. Die Steuern waren geringer als jetzt, die Conscription ist geblieben, die Constitution ist nicht gekommen. Am schlimmsten ging es mir. Ich war in Dresden während der sächsischen Campagne Magazin-Verwalter, ich hielt mein Magazin, das muß ich sagen, in Ordnung, die Soldaten bekamen Alles gut und in vollwichtigen Rationen; wer den armen Teufeln das Ihrige nimmt, dachte ich, stiehlt's aus der Kirche. Enfin! Was ist's weiter, wenn man seine Pflicht thut? Eh bien! was geschieht? Der Kaiser zu Pferde, kommt eines Tages, reitet in mein Magazin, hinter ihm der Prince de Neufchatel und der Prince Poniatowsky und General St. Cyr. Zu Pferde revidirt er Alles, läßt sich jeden Artikel zeigen, kostet das Brod, probirt den Branntwein. Und da er nun Alles gut findet und bester als irgendwo, wird er immer freundlicher, fängt an zu lächeln und sagt: bon! und zu mir sagt er: Votre nom? — Pützenkirchen, Sire! antwortete ich.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/78
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/78>, abgerufen am 17.05.2024.