Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.ihr nur! Viel Geschrei und wenig Wolle, ich behalte meine ledernen Hosen und meine großen Stiefeln an für die Zukunft. -- Anno Dreizehn ging's los; wie schlug mir das Herz! Aber zum Teufel! es war nicht mehr die alte Sache. Ich meldete mich freiwillig zur Landwehr, ich war längst aus den Jahren. Schön, brav! sagte der Aushebungs-Commissarius, aber die großen Stiefeln und die ledernen Hosen müssen Sie ablegen, die werden nicht mehr getragen. -- Dann geht es nicht, erwiderte ich, die trage ich mit Ehren, ohne die vermag ich nichts, die marschiren mit mir ins Grab. -- So blieb ich zu Hause, las die Zeitungen und exercirte den Landsturm, bei dem wurde es so genau nicht genommen mit der Montirung. Nun, sie haben's anerkannt, daß ich ein brandenburgisches Herz führe, und mir den Posten in eurem verwünschten Steinklumpen gegeben. Aber mir gefällt's nicht mehr in der Welt, das preußische Wesen ist hinüber, der Staat wird nicht lange mehr bestehn, davon bin ich fest überzeugt. Was mich wundert, ist, daß es mit den neumodigen Streichen in den letzten Campagnen noch so passabel gut fleckte, es war nichts mehr, wie es sein sollte, das versichere ich euch, keine Zelte, keine Regimentsquartiermeister, keine Hühnerwagen für die Herren Generale und Commandeure, kein Schick und kein Takt, kein Nichts und kein Alles. Die Sache nimmt ein schlechtes Ende, sagte ich damals, und doch schlug sie noch so so aus -- begreif' es, wer kann, ich kann's nicht. ihr nur! Viel Geschrei und wenig Wolle, ich behalte meine ledernen Hosen und meine großen Stiefeln an für die Zukunft. — Anno Dreizehn ging's los; wie schlug mir das Herz! Aber zum Teufel! es war nicht mehr die alte Sache. Ich meldete mich freiwillig zur Landwehr, ich war längst aus den Jahren. Schön, brav! sagte der Aushebungs-Commissarius, aber die großen Stiefeln und die ledernen Hosen müssen Sie ablegen, die werden nicht mehr getragen. — Dann geht es nicht, erwiderte ich, die trage ich mit Ehren, ohne die vermag ich nichts, die marschiren mit mir ins Grab. — So blieb ich zu Hause, las die Zeitungen und exercirte den Landsturm, bei dem wurde es so genau nicht genommen mit der Montirung. Nun, sie haben's anerkannt, daß ich ein brandenburgisches Herz führe, und mir den Posten in eurem verwünschten Steinklumpen gegeben. Aber mir gefällt's nicht mehr in der Welt, das preußische Wesen ist hinüber, der Staat wird nicht lange mehr bestehn, davon bin ich fest überzeugt. Was mich wundert, ist, daß es mit den neumodigen Streichen in den letzten Campagnen noch so passabel gut fleckte, es war nichts mehr, wie es sein sollte, das versichere ich euch, keine Zelte, keine Regimentsquartiermeister, keine Hühnerwagen für die Herren Generale und Commandeure, kein Schick und kein Takt, kein Nichts und kein Alles. Die Sache nimmt ein schlechtes Ende, sagte ich damals, und doch schlug sie noch so so aus — begreif' es, wer kann, ich kann's nicht. <TEI> <text> <body> <div n="14"> <p><pb facs="#f0077"/> ihr nur! Viel Geschrei und wenig Wolle, ich behalte meine ledernen Hosen und meine großen Stiefeln an für die Zukunft. — Anno Dreizehn ging's los; wie schlug mir das Herz! Aber zum Teufel! es war nicht mehr die alte Sache. Ich meldete mich freiwillig zur Landwehr, ich war längst aus den Jahren. Schön, brav! sagte der Aushebungs-Commissarius, aber die großen Stiefeln und die ledernen Hosen müssen Sie ablegen, die werden nicht mehr getragen. — Dann geht es nicht, erwiderte ich, die trage ich mit Ehren, ohne die vermag ich nichts, die marschiren mit mir ins Grab. — So blieb ich zu Hause, las die Zeitungen und exercirte den Landsturm, bei dem wurde es so genau nicht genommen mit der Montirung. Nun, sie haben's anerkannt, daß ich ein brandenburgisches Herz führe, und mir den Posten in eurem verwünschten Steinklumpen gegeben. Aber mir gefällt's nicht mehr in der Welt, das preußische Wesen ist hinüber, der Staat wird nicht lange mehr bestehn, davon bin ich fest überzeugt. Was mich wundert, ist, daß es mit den neumodigen Streichen in den letzten Campagnen noch so passabel gut fleckte, es war nichts mehr, wie es sein sollte, das versichere ich euch, keine Zelte, keine Regimentsquartiermeister, keine Hühnerwagen für die Herren Generale und Commandeure, kein Schick und kein Takt, kein Nichts und kein Alles. Die Sache nimmt ein schlechtes Ende, sagte ich damals, und doch schlug sie noch so so aus — begreif' es, wer kann, ich kann's nicht.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0077]
ihr nur! Viel Geschrei und wenig Wolle, ich behalte meine ledernen Hosen und meine großen Stiefeln an für die Zukunft. — Anno Dreizehn ging's los; wie schlug mir das Herz! Aber zum Teufel! es war nicht mehr die alte Sache. Ich meldete mich freiwillig zur Landwehr, ich war längst aus den Jahren. Schön, brav! sagte der Aushebungs-Commissarius, aber die großen Stiefeln und die ledernen Hosen müssen Sie ablegen, die werden nicht mehr getragen. — Dann geht es nicht, erwiderte ich, die trage ich mit Ehren, ohne die vermag ich nichts, die marschiren mit mir ins Grab. — So blieb ich zu Hause, las die Zeitungen und exercirte den Landsturm, bei dem wurde es so genau nicht genommen mit der Montirung. Nun, sie haben's anerkannt, daß ich ein brandenburgisches Herz führe, und mir den Posten in eurem verwünschten Steinklumpen gegeben. Aber mir gefällt's nicht mehr in der Welt, das preußische Wesen ist hinüber, der Staat wird nicht lange mehr bestehn, davon bin ich fest überzeugt. Was mich wundert, ist, daß es mit den neumodigen Streichen in den letzten Campagnen noch so passabel gut fleckte, es war nichts mehr, wie es sein sollte, das versichere ich euch, keine Zelte, keine Regimentsquartiermeister, keine Hühnerwagen für die Herren Generale und Commandeure, kein Schick und kein Takt, kein Nichts und kein Alles. Die Sache nimmt ein schlechtes Ende, sagte ich damals, und doch schlug sie noch so so aus — begreif' es, wer kann, ich kann's nicht.
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Zitationshilfe: | Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/77>, abgerufen am 16.02.2025. |