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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Fingern die Daumenmühle. Das sind die sogenannten Stammgäste, fuhr der Wirth fort, das ist der eiserne Bestand, der zu jeder Weinstube gehört. Alte Junggesellen, Hagestolzen, Geistliche kommen Jahr aus Jahr ein um dieselbe Stunde und gehn um dieselbe Stunde weg, sitzen immer an einem Flecke, sprechen immer dasselbe. Mit denen hat man eine Art von Religion, man schickt ihnen von dem ersten Fasse neuer Heringe, und zu Neujahr bekommt ein jeder eine neue Gypspfeife mit einer rothen Federspitze. Wenn ein Stammgast stirbt, wird sein Stuhl weggesetzt und bleibt ungebraucht, kein Andrer erhält ihn hinterher. Es ist gleich halb Eilf, das ist die Zeit, wo diese ihre Geschichten erzählen. Ich nenne sie die Versteinerungen oder die drei Kalender. Der da im schwarzen altmodischen Rock, mit der Kappe, ist der Altkölner, der mit dem Puderzopf ist der Stockpreuße, und der mit dem starken Backenbart ist der Bonapartist.

Indem hob der Seiger aus, und auf dieses Zeichen war es, als ob drei Automaten lebendig würden. Sie ruckten auf ihren Stühlen, räusperten sich, stießen mit den Gläsern an und bewegten ihre Lippen, als wollten sie diese eingerosteten Werkzeuge zum Gebrauch erst wieder in Stand setzen.

Darauf begann der erste Kalender, der Altkölner, seine Geschichte und sprach:

Ja, ja, die Stadt, die Stadt! Es geht nichts über die Stadt, wie sie war, ehe ihr Herren Franzosen

Fingern die Daumenmühle. Das sind die sogenannten Stammgäste, fuhr der Wirth fort, das ist der eiserne Bestand, der zu jeder Weinstube gehört. Alte Junggesellen, Hagestolzen, Geistliche kommen Jahr aus Jahr ein um dieselbe Stunde und gehn um dieselbe Stunde weg, sitzen immer an einem Flecke, sprechen immer dasselbe. Mit denen hat man eine Art von Religion, man schickt ihnen von dem ersten Fasse neuer Heringe, und zu Neujahr bekommt ein jeder eine neue Gypspfeife mit einer rothen Federspitze. Wenn ein Stammgast stirbt, wird sein Stuhl weggesetzt und bleibt ungebraucht, kein Andrer erhält ihn hinterher. Es ist gleich halb Eilf, das ist die Zeit, wo diese ihre Geschichten erzählen. Ich nenne sie die Versteinerungen oder die drei Kalender. Der da im schwarzen altmodischen Rock, mit der Kappe, ist der Altkölner, der mit dem Puderzopf ist der Stockpreuße, und der mit dem starken Backenbart ist der Bonapartist.

Indem hob der Seiger aus, und auf dieses Zeichen war es, als ob drei Automaten lebendig würden. Sie ruckten auf ihren Stühlen, räusperten sich, stießen mit den Gläsern an und bewegten ihre Lippen, als wollten sie diese eingerosteten Werkzeuge zum Gebrauch erst wieder in Stand setzen.

Darauf begann der erste Kalender, der Altkölner, seine Geschichte und sprach:

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[0074] Fingern die Daumenmühle. Das sind die sogenannten Stammgäste, fuhr der Wirth fort, das ist der eiserne Bestand, der zu jeder Weinstube gehört. Alte Junggesellen, Hagestolzen, Geistliche kommen Jahr aus Jahr ein um dieselbe Stunde und gehn um dieselbe Stunde weg, sitzen immer an einem Flecke, sprechen immer dasselbe. Mit denen hat man eine Art von Religion, man schickt ihnen von dem ersten Fasse neuer Heringe, und zu Neujahr bekommt ein jeder eine neue Gypspfeife mit einer rothen Federspitze. Wenn ein Stammgast stirbt, wird sein Stuhl weggesetzt und bleibt ungebraucht, kein Andrer erhält ihn hinterher. Es ist gleich halb Eilf, das ist die Zeit, wo diese ihre Geschichten erzählen. Ich nenne sie die Versteinerungen oder die drei Kalender. Der da im schwarzen altmodischen Rock, mit der Kappe, ist der Altkölner, der mit dem Puderzopf ist der Stockpreuße, und der mit dem starken Backenbart ist der Bonapartist. Indem hob der Seiger aus, und auf dieses Zeichen war es, als ob drei Automaten lebendig würden. Sie ruckten auf ihren Stühlen, räusperten sich, stießen mit den Gläsern an und bewegten ihre Lippen, als wollten sie diese eingerosteten Werkzeuge zum Gebrauch erst wieder in Stand setzen. Darauf begann der erste Kalender, der Altkölner, seine Geschichte und sprach: Ja, ja, die Stadt, die Stadt! Es geht nichts über die Stadt, wie sie war, ehe ihr Herren Franzosen

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/74>, abgerufen am 22.11.2024.