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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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nisses mochte er wohl, als Beiessen zu dem Mahle der Freude, welches er sich auf seinen Wanderungen von Süden nach Norden und von Norden nach Süden gab. Sie lag als kleines Mädchen auf seinen Knieen, während die Wogen des Kattegats peitschend über das Schiff flogen, und rief ängstlich weinend: Onkel, laß uns nach Hause! Sie zog als Jungfrau mit ihm über den Simplon, und schwirrte an seiner Seite durch die Pariser Säle. Eine Häuslichkeit hatte sie noch nicht gekannt, als sie selbst berufen ward, eine zu gründen. Dazu kam, daß sie mit der Gewalt einer erwachenden feurigen Natur geliebt hatte und, wie sie glauben mußte, gränzenlos betrogen worden war. Damals zerbrach ihr Glaube an männlichen Werth, sie hatte Niemand, dem sie sich anvertrauen durfte, der Oheim machte französische Epigramme auf den Ungetreuen, ihr Herz verblutete unter dem bunten Schleier leichter, glänzender Tage, sie fand endlich, um nur fortbestehen zu können, den Ton einer milden fliegenden Heiterkeit, mit dem sie das Weh ihrer Seele überdeckte und verhüllte.

Noch voll von schmerzlichen Reminiscenzen, aus Italien zurückkehrend, fand sie unsern Freund. Amor war es nicht, der hier die Fackel zündete. Aber sie war des Umherziehens müde, sie meinte, die Herrschaft sei das Einzige, was man hienieden erreichen könne, sie lachte über den weichen gutmüthigen Mann, sie täuschte sich über ihn, und so reichte sie ihm die Hand. Wunderbar! der Ehestand, der sonst das Gefühl tödtet, erweckte das ihrige, sie sah die Schwäche Gustavs gepaart mit einem

nisses mochte er wohl, als Beiessen zu dem Mahle der Freude, welches er sich auf seinen Wanderungen von Süden nach Norden und von Norden nach Süden gab. Sie lag als kleines Mädchen auf seinen Knieen, während die Wogen des Kattegats peitschend über das Schiff flogen, und rief ängstlich weinend: Onkel, laß uns nach Hause! Sie zog als Jungfrau mit ihm über den Simplon, und schwirrte an seiner Seite durch die Pariser Säle. Eine Häuslichkeit hatte sie noch nicht gekannt, als sie selbst berufen ward, eine zu gründen. Dazu kam, daß sie mit der Gewalt einer erwachenden feurigen Natur geliebt hatte und, wie sie glauben mußte, gränzenlos betrogen worden war. Damals zerbrach ihr Glaube an männlichen Werth, sie hatte Niemand, dem sie sich anvertrauen durfte, der Oheim machte französische Epigramme auf den Ungetreuen, ihr Herz verblutete unter dem bunten Schleier leichter, glänzender Tage, sie fand endlich, um nur fortbestehen zu können, den Ton einer milden fliegenden Heiterkeit, mit dem sie das Weh ihrer Seele überdeckte und verhüllte.

Noch voll von schmerzlichen Reminiscenzen, aus Italien zurückkehrend, fand sie unsern Freund. Amor war es nicht, der hier die Fackel zündete. Aber sie war des Umherziehens müde, sie meinte, die Herrschaft sei das Einzige, was man hienieden erreichen könne, sie lachte über den weichen gutmüthigen Mann, sie täuschte sich über ihn, und so reichte sie ihm die Hand. Wunderbar! der Ehestand, der sonst das Gefühl tödtet, erweckte das ihrige, sie sah die Schwäche Gustavs gepaart mit einem

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[0114] nisses mochte er wohl, als Beiessen zu dem Mahle der Freude, welches er sich auf seinen Wanderungen von Süden nach Norden und von Norden nach Süden gab. Sie lag als kleines Mädchen auf seinen Knieen, während die Wogen des Kattegats peitschend über das Schiff flogen, und rief ängstlich weinend: Onkel, laß uns nach Hause! Sie zog als Jungfrau mit ihm über den Simplon, und schwirrte an seiner Seite durch die Pariser Säle. Eine Häuslichkeit hatte sie noch nicht gekannt, als sie selbst berufen ward, eine zu gründen. Dazu kam, daß sie mit der Gewalt einer erwachenden feurigen Natur geliebt hatte und, wie sie glauben mußte, gränzenlos betrogen worden war. Damals zerbrach ihr Glaube an männlichen Werth, sie hatte Niemand, dem sie sich anvertrauen durfte, der Oheim machte französische Epigramme auf den Ungetreuen, ihr Herz verblutete unter dem bunten Schleier leichter, glänzender Tage, sie fand endlich, um nur fortbestehen zu können, den Ton einer milden fliegenden Heiterkeit, mit dem sie das Weh ihrer Seele überdeckte und verhüllte. Noch voll von schmerzlichen Reminiscenzen, aus Italien zurückkehrend, fand sie unsern Freund. Amor war es nicht, der hier die Fackel zündete. Aber sie war des Umherziehens müde, sie meinte, die Herrschaft sei das Einzige, was man hienieden erreichen könne, sie lachte über den weichen gutmüthigen Mann, sie täuschte sich über ihn, und so reichte sie ihm die Hand. Wunderbar! der Ehestand, der sonst das Gefühl tödtet, erweckte das ihrige, sie sah die Schwäche Gustavs gepaart mit einem

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/114>, abgerufen am 25.11.2024.