Heiden, wie eines Töpfers Gefäß, weil er das Zeugniß als Prophet, und mit ihm einen Namen und die Macht dazu von Oben herab erhalten hatte, und ohnedem würde es ihm schwer¬ lich geglückt sein, eine ganze Welt voll Heiden zu bekehren, und viele Geschlechter der wahrhaftigen Anbetung Gottes über 1000 Jahre würdig zu erhalten. Auch Mohamed verlangte von den Menschen, daß sie mittelst der wahren Lebensphi¬ losophie, d. h. mittelst der durch den Glauben erleuchte ten Vernunft, den Willen Gottes thun, darin die Wahr¬ heit erkennen, Gott dienen und selig werden sollen, kei¬ nesweges aber mittelst der Speculation, abstracten Ver¬ nunft oder metaphysischen Träumereien, und weit war Mo¬ hamed davon entfernt, seine Gläubigen mit einem Ceremonien¬ dienste zu belasten." -- So fährt der Verf. noch lange fort, unter Anführung evangelischer Aussprüche an Mohamed alle Prädicate der Vollkommenheit Christi zu preisen, und die Uebereinstimmung ihrer Lehren zu behaupten. Auch den Mo¬ hamedanern werden die erhabensten Tugenden der Toleranz, Frömmigkeit, Menschenliebe, Gerechtigkeit nachgerühmt: kurz der Verf. verstrickt sich völlig in einem Truggewebe von Schein¬ gründen, um seiner Absicht gemäß die innere Einheit der jüdi¬ schen, christlichen und mohamedanischen Glaubenslehre heraus¬ zustellen, welche Einheit alle Völker zu einem gemeinsamen Bunde umfassen soll; denn darauf bezieht sich sein Ausruf: "O Fürsten unsrer Zeit! glaubt sicherlich, daß Gott zu Euch spricht: Tretet für meine Rechte in einen Fürstenrath zusammen, o las¬ set es Eure Pflicht sein, durch einen gemeinschaftlichen Willen Mein Reich und die Ordnung der Dinge auf Erden zu erhal¬ ten." Und um ihnen ihren erhabenen Beruf vor Augen zu stellen, hält der Verf. ihnen ein Musterbild eines großen Poli¬ tikers vor. "Ein solcher betrachtet die Zeit als das Meer, den Staat als das Schiff, den Krieg als den Sturm, den König als den Steuermann, die Politik aber als jene Geschicklichkeit, das Schiff über alle mögliche und wirkliche Hindernisse fort und sicher in den Hafen der Ruhe zu leiten, dem Frieden zuzufüh¬ ren, um auf festem Boden, das ist eine ewige und unverän¬ derliche Grundlage, Anker zu werfen, und der ist Gott. Große Politiker, in diesem ausgedehnten Sinne des Worts genommen,
Heiden, wie eines Toͤpfers Gefaͤß, weil er das Zeugniß als Prophet, und mit ihm einen Namen und die Macht dazu von Oben herab erhalten hatte, und ohnedem wuͤrde es ihm ſchwer¬ lich gegluͤckt ſein, eine ganze Welt voll Heiden zu bekehren, und viele Geſchlechter der wahrhaftigen Anbetung Gottes uͤber 1000 Jahre wuͤrdig zu erhalten. Auch Mohamed verlangte von den Menſchen, daß ſie mittelſt der wahren Lebensphi¬ loſophie, d. h. mittelſt der durch den Glauben erleuchte ten Vernunft, den Willen Gottes thun, darin die Wahr¬ heit erkennen, Gott dienen und ſelig werden ſollen, kei¬ nesweges aber mittelſt der Speculation, abſtracten Ver¬ nunft oder metaphyſiſchen Traͤumereien, und weit war Mo¬ hamed davon entfernt, ſeine Glaͤubigen mit einem Ceremonien¬ dienſte zu belaſten.” — So faͤhrt der Verf. noch lange fort, unter Anfuͤhrung evangeliſcher Ausſpruͤche an Mohamed alle Praͤdicate der Vollkommenheit Chriſti zu preiſen, und die Uebereinſtimmung ihrer Lehren zu behaupten. Auch den Mo¬ hamedanern werden die erhabenſten Tugenden der Toleranz, Froͤmmigkeit, Menſchenliebe, Gerechtigkeit nachgeruͤhmt: kurz der Verf. verſtrickt ſich voͤllig in einem Truggewebe von Schein¬ gruͤnden, um ſeiner Abſicht gemaͤß die innere Einheit der juͤdi¬ ſchen, chriſtlichen und mohamedaniſchen Glaubenslehre heraus¬ zuſtellen, welche Einheit alle Voͤlker zu einem gemeinſamen Bunde umfaſſen ſoll; denn darauf bezieht ſich ſein Ausruf: „O Fuͤrſten unſrer Zeit! glaubt ſicherlich, daß Gott zu Euch ſpricht: Tretet fuͤr meine Rechte in einen Fuͤrſtenrath zuſammen, o laſ¬ ſet es Eure Pflicht ſein, durch einen gemeinſchaftlichen Willen Mein Reich und die Ordnung der Dinge auf Erden zu erhal¬ ten.” Und um ihnen ihren erhabenen Beruf vor Augen zu ſtellen, haͤlt der Verf. ihnen ein Muſterbild eines großen Poli¬ tikers vor. „Ein ſolcher betrachtet die Zeit als das Meer, den Staat als das Schiff, den Krieg als den Sturm, den Koͤnig als den Steuermann, die Politik aber als jene Geſchicklichkeit, das Schiff uͤber alle moͤgliche und wirkliche Hinderniſſe fort und ſicher in den Hafen der Ruhe zu leiten, dem Frieden zuzufuͤh¬ ren, um auf feſtem Boden, das iſt eine ewige und unveraͤn¬ derliche Grundlage, Anker zu werfen, und der iſt Gott. Große Politiker, in dieſem ausgedehnten Sinne des Worts genommen,
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Heiden, wie eines Toͤpfers Gefaͤß, weil er das Zeugniß als
Prophet, und mit ihm einen Namen und die Macht dazu von
Oben herab erhalten hatte, und ohnedem wuͤrde es ihm ſchwer¬
lich gegluͤckt ſein, eine ganze Welt voll Heiden zu bekehren,
und viele Geſchlechter der wahrhaftigen Anbetung Gottes uͤber
1000 Jahre wuͤrdig zu erhalten. Auch Mohamed verlangte
von den Menſchen, daß ſie mittelſt der wahren Lebensphi¬
loſophie, d. h. mittelſt der durch den Glauben erleuchte
ten Vernunft, den Willen Gottes thun, darin die Wahr¬
heit erkennen, Gott dienen und ſelig werden ſollen, kei¬
nesweges aber mittelſt der Speculation, abſtracten Ver¬
nunft oder metaphyſiſchen Traͤumereien, und weit war Mo¬
hamed davon entfernt, ſeine Glaͤubigen mit einem Ceremonien¬
dienſte zu belaſten.” — So faͤhrt der Verf. noch lange fort,
unter Anfuͤhrung evangeliſcher Ausſpruͤche an Mohamed alle
Praͤdicate der Vollkommenheit Chriſti zu preiſen, und die
Uebereinſtimmung ihrer Lehren zu behaupten. Auch den Mo¬
hamedanern werden die erhabenſten Tugenden der Toleranz,
Froͤmmigkeit, Menſchenliebe, Gerechtigkeit nachgeruͤhmt: kurz
der Verf. verſtrickt ſich voͤllig in einem Truggewebe von Schein¬
gruͤnden, um ſeiner Abſicht gemaͤß die innere Einheit der juͤdi¬
ſchen, chriſtlichen und mohamedaniſchen Glaubenslehre heraus¬
zuſtellen, welche Einheit alle Voͤlker zu einem gemeinſamen
Bunde umfaſſen ſoll; denn darauf bezieht ſich ſein Ausruf:
„O Fuͤrſten unſrer Zeit! glaubt ſicherlich, daß Gott zu Euch ſpricht:
Tretet fuͤr meine Rechte in einen Fuͤrſtenrath zuſammen, o laſ¬
ſet es Eure Pflicht ſein, durch einen gemeinſchaftlichen Willen
Mein Reich und die Ordnung der Dinge auf Erden zu erhal¬
ten.” Und um ihnen ihren erhabenen Beruf vor Augen zu
ſtellen, haͤlt der Verf. ihnen ein Muſterbild eines großen Poli¬
tikers vor. „Ein ſolcher betrachtet die Zeit als das Meer, den
Staat als das Schiff, den Krieg als den Sturm, den Koͤnig
als den Steuermann, die Politik aber als jene Geſchicklichkeit,
das Schiff uͤber alle moͤgliche und wirkliche Hinderniſſe fort und
ſicher in den Hafen der Ruhe zu leiten, dem Frieden zuzufuͤh¬
ren, um auf feſtem Boden, das iſt eine ewige und unveraͤn¬
derliche Grundlage, Anker zu werfen, und der iſt Gott. Große
Politiker, in dieſem ausgedehnten Sinne des Worts genommen,
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Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/227>, abgerufen am 26.07.2024.
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