Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.was Glauben, was Religion, was Apostel heißt. Sie thun was Glauben, was Religion, was Apoſtel heißt. Sie thun <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0224" n="216"/> was Glauben, was Religion, was Apoſtel heißt. Sie thun<lb/> gleichſam, als wenn Jeder, der nicht mit ihnen gleichen fa¬<lb/> natiſchen Glaubens iſt, ein Goͤtzendiener, ein Ketzer, ein vom<lb/> Schoͤpfer der Liebe Verdammter waͤre. Sie predigen Feuer<lb/> und Schwert, und mahnen fortwaͤhrend durch Kriege gegen<lb/> die goͤttliche Ordnung des Friedens, der Freude und Gerech¬<lb/> tigkeit, wovon noch heutiges Tages das gelobte Land durch die<lb/> Kreuzzuͤge ein untruͤglicher Zeuge iſt. Das einzige, wahre<lb/> Kennzeichen des einzig wahren Glaubens iſt da, wo man dem<lb/> Allmaͤchtigen allein die Ehre giebt, ihn allein im Geiſte und in<lb/> der Wahrheit anbetet, und gegen die Goͤtzendiener zu Felde<lb/> zieht, einen jeden Anderen aber den allein wahren Gott nach<lb/> ſeinen eingebornen Sitten, hergebrachten Gebraͤuchen und ehr¬<lb/> wuͤrdig gewordenen Gewohnheiten, oder nach eines Jeden ſon¬<lb/> ſtigen beſonderen und eigenthuͤmlichen geiſtigen Faͤhigkeiten duld¬<lb/> ſam und liebevoll verehren laͤßt. Selbſt um eines guten<lb/> Zweckes willen koͤnnte ich niemals Papiſt werden, da ich die<lb/> Luͤge desjenigen, welcher als ein Freund der Finſterniß und<lb/> als Feind des Lichts, der Wahrheit, des Rechts, der Menſch¬<lb/> heit, ihres Friedens und ihrer Gluͤckſeeligkeit ſich die aͤußere<lb/> Macht der chriſtlichen Kirche bisher angemaaßt hat, erkenne.<lb/> Aber dagegen koͤnnte ich ſehr wohl mit einem eingebornen Glau¬<lb/> ben einen anderen, welcher ebensfalls lehrt, Gott in Chriſto<lb/> und in der Wahrheit anzubeten, verbinden; und wenn es ehr¬<lb/> wuͤrdige Landesgebraͤuche verlangen, ſo koͤnnte ich, um dem<lb/> Rechte und der Wahrheit zu dienen, nicht nur den Turban<lb/> aufſetzen, ſondern mich auch zum Islam bekennen, da es hier<lb/> von Gottes und Rechts wegen angeht, daß ich, mit den auf¬<lb/> richtigſten Empfindungen fuͤr Jeſum Chriſtum, Mohamed und<lb/> ſeine Lehre mit verehre, und umgekehrt als ein guter Moha¬<lb/> medaner auch die vor dem Islam gelebten Apoſtel Gottes ver¬<lb/> ehren kann. So wenigſtens dachte mir Mohamed in Bezie¬<lb/> hung zu Moſen und Chriſtum, ſo dachte Chriſtus in Bezie¬<lb/> hung auf Moſen; ſo dachte endlich Moſes in Beziehung auf<lb/> diejenigen Propheten, welche nach ihm kommen ſollten, auch<lb/> in Beziehung auf Abraham, Iſaak und Jacob, und ſo wer¬<lb/> den die Menſchen alle denken, wenn dermaleinſt im Reiche<lb/> Gottes ein Hirt und eine Heerde ſein wird. In meiner Vor¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [216/0224]
was Glauben, was Religion, was Apoſtel heißt. Sie thun
gleichſam, als wenn Jeder, der nicht mit ihnen gleichen fa¬
natiſchen Glaubens iſt, ein Goͤtzendiener, ein Ketzer, ein vom
Schoͤpfer der Liebe Verdammter waͤre. Sie predigen Feuer
und Schwert, und mahnen fortwaͤhrend durch Kriege gegen
die goͤttliche Ordnung des Friedens, der Freude und Gerech¬
tigkeit, wovon noch heutiges Tages das gelobte Land durch die
Kreuzzuͤge ein untruͤglicher Zeuge iſt. Das einzige, wahre
Kennzeichen des einzig wahren Glaubens iſt da, wo man dem
Allmaͤchtigen allein die Ehre giebt, ihn allein im Geiſte und in
der Wahrheit anbetet, und gegen die Goͤtzendiener zu Felde
zieht, einen jeden Anderen aber den allein wahren Gott nach
ſeinen eingebornen Sitten, hergebrachten Gebraͤuchen und ehr¬
wuͤrdig gewordenen Gewohnheiten, oder nach eines Jeden ſon¬
ſtigen beſonderen und eigenthuͤmlichen geiſtigen Faͤhigkeiten duld¬
ſam und liebevoll verehren laͤßt. Selbſt um eines guten
Zweckes willen koͤnnte ich niemals Papiſt werden, da ich die
Luͤge desjenigen, welcher als ein Freund der Finſterniß und
als Feind des Lichts, der Wahrheit, des Rechts, der Menſch¬
heit, ihres Friedens und ihrer Gluͤckſeeligkeit ſich die aͤußere
Macht der chriſtlichen Kirche bisher angemaaßt hat, erkenne.
Aber dagegen koͤnnte ich ſehr wohl mit einem eingebornen Glau¬
ben einen anderen, welcher ebensfalls lehrt, Gott in Chriſto
und in der Wahrheit anzubeten, verbinden; und wenn es ehr¬
wuͤrdige Landesgebraͤuche verlangen, ſo koͤnnte ich, um dem
Rechte und der Wahrheit zu dienen, nicht nur den Turban
aufſetzen, ſondern mich auch zum Islam bekennen, da es hier
von Gottes und Rechts wegen angeht, daß ich, mit den auf¬
richtigſten Empfindungen fuͤr Jeſum Chriſtum, Mohamed und
ſeine Lehre mit verehre, und umgekehrt als ein guter Moha¬
medaner auch die vor dem Islam gelebten Apoſtel Gottes ver¬
ehren kann. So wenigſtens dachte mir Mohamed in Bezie¬
hung zu Moſen und Chriſtum, ſo dachte Chriſtus in Bezie¬
hung auf Moſen; ſo dachte endlich Moſes in Beziehung auf
diejenigen Propheten, welche nach ihm kommen ſollten, auch
in Beziehung auf Abraham, Iſaak und Jacob, und ſo wer¬
den die Menſchen alle denken, wenn dermaleinſt im Reiche
Gottes ein Hirt und eine Heerde ſein wird. In meiner Vor¬
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