Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.all, so auch in meiner Vaterstadt durchaus überwiegend. Diese Sein weiches und bildsames Gemüth fügte sich ohne Wi¬ all, ſo auch in meiner Vaterſtadt durchaus uͤberwiegend. Dieſe Sein weiches und bildſames Gemuͤth fuͤgte ſich ohne Wi¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0206" n="198"/> all, ſo auch in meiner Vaterſtadt durchaus uͤberwiegend. Dieſe<lb/> Lehrart erſchlafft die elaſtiſche Spontaneitaͤt des zum Selbſt¬<lb/> ſuchen und Selbſtfinden der Wahrheit, ſo wie zu einer lebens¬<lb/> friſchen Aneignung der poſitiven Lehrgegenſtaͤnde von Gott be¬<lb/> ſtimmten Menſchengeiſtes, deſſen Natur ſchon der weiſe Sokra¬<lb/> tes in dieſer Hinſicht tief erkannte, der auch aus dieſer Erkennt¬<lb/> niß heraus durch ſeine Zwiegeſpraͤche Veranlaſſer und Stifter<lb/> der in neuerer Zeit immer mehr vervollkommneten ſokratiſchen<lb/> Lehrmethode geworden iſt. Nicht allein, daß dieſe Art des<lb/> Unterrichts dem jugendlichen Geiſte zum wahrhaft feſten Beſitz<lb/> des Erlernten leicht und angenehm verhilft, ſie ernaͤhrt, ent¬<lb/> wickelt und befruchtet in hohem Maaße die ſittliche Willens¬<lb/> kraft des Menſchen, die Energie des ſchoͤpferiſchen Geiſtes.<lb/> Geht damit eine geſunde Gymnaſtik des Leibes Hand in Hand,<lb/> wie es auch in der Bluͤthezeit des griechiſchen und roͤmiſchen<lb/> Volksthums der Fall war; ſo kann es gar nicht fehlen, daß<lb/> unter der Vorausſetzung eines wahrhaft chriſtlichen Gemeinde¬<lb/> lebens die Jugend zu einer froͤhlichen, geiſtig und leiblich geſun¬<lb/> den, charakterfeſten, geſinnungsreifen Maͤnnlichkeit heranwaͤchſt.”</p><lb/> <p>Sein weiches und bildſames Gemuͤth fuͤgte ſich ohne Wi¬<lb/> derſtrebender bezeichneten Erziehungsmethode, konnte ſich aber<lb/> eben deshalb nicht zur Selbſtſtaͤndigkeit des Charakters ausbilden,<lb/> welche jedesmal in Widerſpruch ſteht mit einer mehr oder weniger<lb/> mechaniſchen Abrichtung des Geiſtes und Gemuͤths. Unſtreitig<lb/> wurde ſeine paſſive Sinnesweiſe noch dadurch vermehrt, daß<lb/> ſein ſchwacher, reizbarer Koͤrper nicht in munteren Knaben¬<lb/> ſpielen erſtarkte, und in ſeiner Entwickelung einen großen Ab¬<lb/> bruch erlitt durch ein im fruͤhen Alter uͤberſtandenes hartnaͤcki¬<lb/> ges rheumatiſches Leiden, welches faſt bis zur Laͤhmung der<lb/> Glieder ſich ſteigerte. Indeß genas er doch voͤllig, ſo daß er<lb/> ein Gymnaſium beziehen konnte, wo er der Aufſicht ſeiner Ael¬<lb/> tern entruͤckt zwar in ſeiner wiſſenſchaftlichen Ausbildung gute<lb/> Fortſchritte machte, jedoch durch einen Schulgenoſſen zur Selbſt¬<lb/> befleckung verleitet den Grund zu ſeinen ſpaͤteren Leiden legte.<lb/> Jene Peſt der Jugend iſt zwar ſchon oft genug geſchildert wor¬<lb/> den; jedoch ſcheint es mir nothwendig, darauf hinzudeuten,<lb/> daß jenem Uebel in den bisherigen paͤdagogiſchen Verhaͤltniſſen<lb/> durchaus noch keine gewaͤhrleiſtenden Maaßregeln entgegengeſtellt<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [198/0206]
all, ſo auch in meiner Vaterſtadt durchaus uͤberwiegend. Dieſe
Lehrart erſchlafft die elaſtiſche Spontaneitaͤt des zum Selbſt¬
ſuchen und Selbſtfinden der Wahrheit, ſo wie zu einer lebens¬
friſchen Aneignung der poſitiven Lehrgegenſtaͤnde von Gott be¬
ſtimmten Menſchengeiſtes, deſſen Natur ſchon der weiſe Sokra¬
tes in dieſer Hinſicht tief erkannte, der auch aus dieſer Erkennt¬
niß heraus durch ſeine Zwiegeſpraͤche Veranlaſſer und Stifter
der in neuerer Zeit immer mehr vervollkommneten ſokratiſchen
Lehrmethode geworden iſt. Nicht allein, daß dieſe Art des
Unterrichts dem jugendlichen Geiſte zum wahrhaft feſten Beſitz
des Erlernten leicht und angenehm verhilft, ſie ernaͤhrt, ent¬
wickelt und befruchtet in hohem Maaße die ſittliche Willens¬
kraft des Menſchen, die Energie des ſchoͤpferiſchen Geiſtes.
Geht damit eine geſunde Gymnaſtik des Leibes Hand in Hand,
wie es auch in der Bluͤthezeit des griechiſchen und roͤmiſchen
Volksthums der Fall war; ſo kann es gar nicht fehlen, daß
unter der Vorausſetzung eines wahrhaft chriſtlichen Gemeinde¬
lebens die Jugend zu einer froͤhlichen, geiſtig und leiblich geſun¬
den, charakterfeſten, geſinnungsreifen Maͤnnlichkeit heranwaͤchſt.”
Sein weiches und bildſames Gemuͤth fuͤgte ſich ohne Wi¬
derſtrebender bezeichneten Erziehungsmethode, konnte ſich aber
eben deshalb nicht zur Selbſtſtaͤndigkeit des Charakters ausbilden,
welche jedesmal in Widerſpruch ſteht mit einer mehr oder weniger
mechaniſchen Abrichtung des Geiſtes und Gemuͤths. Unſtreitig
wurde ſeine paſſive Sinnesweiſe noch dadurch vermehrt, daß
ſein ſchwacher, reizbarer Koͤrper nicht in munteren Knaben¬
ſpielen erſtarkte, und in ſeiner Entwickelung einen großen Ab¬
bruch erlitt durch ein im fruͤhen Alter uͤberſtandenes hartnaͤcki¬
ges rheumatiſches Leiden, welches faſt bis zur Laͤhmung der
Glieder ſich ſteigerte. Indeß genas er doch voͤllig, ſo daß er
ein Gymnaſium beziehen konnte, wo er der Aufſicht ſeiner Ael¬
tern entruͤckt zwar in ſeiner wiſſenſchaftlichen Ausbildung gute
Fortſchritte machte, jedoch durch einen Schulgenoſſen zur Selbſt¬
befleckung verleitet den Grund zu ſeinen ſpaͤteren Leiden legte.
Jene Peſt der Jugend iſt zwar ſchon oft genug geſchildert wor¬
den; jedoch ſcheint es mir nothwendig, darauf hinzudeuten,
daß jenem Uebel in den bisherigen paͤdagogiſchen Verhaͤltniſſen
durchaus noch keine gewaͤhrleiſtenden Maaßregeln entgegengeſtellt
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