Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.zurückgekehrt, gemeinschaftlich mit Zerubabel als Zeuge Gottes zuruͤckgekehrt, gemeinſchaftlich mit Zerubabel als Zeuge Gottes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0199" n="191"/> zuruͤckgekehrt, gemeinſchaftlich mit Zerubabel als Zeuge Gottes<lb/> und als Prophet die Wiedererſcheinung Chriſti auf Erden und<lb/> das dadurch neu zu ſtiftende Gottesreich vorherverkuͤndigen<lb/> ſolle. Denn er habe von Jugend auf die Nachfolge Chriſti zu<lb/> ſeinem Hauptaugenmerk gemacht, ſich von ſchwerer Schuld<lb/> rein erhalten, und ſei deshalb von Gott zu Hoͤherem auser¬<lb/> waͤhlt worden. Dabei gab er deutlich ſein Mißfallen an dem<lb/> hochfahrenden und anmaaßlichen Betragen des Fremden zu er¬<lb/> kennen, und wiederholte heftige Wortwechſel mit ihm hatten<lb/> endlich zur Folge, daß er dem ferneren Umgange mit ihm aus¬<lb/> wich. Sein Unſtern wollte aber, daß er unmittelbar darauf<lb/> die Bekanntſchaft eines fanatiſchen Katholiken H. machte, von<lb/> welchem er laͤngere Zeit hindurch faſt jeden Abend einen Be¬<lb/> ſuch empfing, wo er ſich ſodann mit ihm in die Kammer ein¬<lb/> ſchloß, und mit ihm myſtiſche Geſpraͤche ſo laut fuͤhrte, daß<lb/> ſeine Frau das Meiſte davon hoͤren konnte. Nach ihrer Aus¬<lb/> ſage wiederholte H. haͤufig, es werde ſchon im naͤchſten Jahre<lb/> ein allgemeiner Religionskrieg ausbrechen, in welchem nur ein<lb/> Theil der Menſchen errettet, deren Mehrzahl aber durch die<lb/> Kraft Gottes umkommen wuͤrde. Jener Krieg werde bis zum<lb/> Jahre 1850 dauern, wo dann von Berlin nur noch ein klei¬<lb/> ner Theil uͤbrig bleiben werde, um ſpaͤter voͤllig in Truͤm¬<lb/> mer zu verfallen. Denn die Prediger haͤtten ein falſches Chri¬<lb/> ſtenthum verbreitet, weil ſie durch die Verkuͤndigung der rei¬<lb/> nen Lehre ſich um ihr Amt bringen wuͤrden; ſie ſowohl als die<lb/> Herrſcher ſeien Schelme. Von allen vier Weltgegenden wuͤrden<lb/> Boten in weißen Kleidern und mit Senſen bewaffnet hier ein¬<lb/> treffen, den Krieg anzukuͤndigen, den Gottloſen die Koͤpfe ab¬<lb/> zuhauen, und die Frommen zu beſchuͤtzen. G. ſolle als Vor¬<lb/> gaͤnger unter dieſen Boten in weißen Kleidern auftreten, denn<lb/> er ſei einer der beiden Zeugen in der Apokalypſe, welcher in<lb/> der Kirche die Wahrheit verkuͤnden, dafuͤr aber den Maͤrtyrer¬<lb/> tod ſterben ſolle, waͤhrend H. als anderer Zeuge zum Darein¬<lb/> hauen und Stechen beſtimmt ſei, und ein Alter von 100 Jah¬<lb/> ren erreichen werde. Zugleich borgte H. dem G. Geld ab,<lb/> welches er ihm doch ſpaͤter wiedererſtattete; er theilte ihm meh¬<lb/> rere myſtiſche Schriften mit, in welchen G. fleißig las, verbot<lb/> ihm den Genuß des Fleiſches, weil er dadurch zum Thier<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [191/0199]
zuruͤckgekehrt, gemeinſchaftlich mit Zerubabel als Zeuge Gottes
und als Prophet die Wiedererſcheinung Chriſti auf Erden und
das dadurch neu zu ſtiftende Gottesreich vorherverkuͤndigen
ſolle. Denn er habe von Jugend auf die Nachfolge Chriſti zu
ſeinem Hauptaugenmerk gemacht, ſich von ſchwerer Schuld
rein erhalten, und ſei deshalb von Gott zu Hoͤherem auser¬
waͤhlt worden. Dabei gab er deutlich ſein Mißfallen an dem
hochfahrenden und anmaaßlichen Betragen des Fremden zu er¬
kennen, und wiederholte heftige Wortwechſel mit ihm hatten
endlich zur Folge, daß er dem ferneren Umgange mit ihm aus¬
wich. Sein Unſtern wollte aber, daß er unmittelbar darauf
die Bekanntſchaft eines fanatiſchen Katholiken H. machte, von
welchem er laͤngere Zeit hindurch faſt jeden Abend einen Be¬
ſuch empfing, wo er ſich ſodann mit ihm in die Kammer ein¬
ſchloß, und mit ihm myſtiſche Geſpraͤche ſo laut fuͤhrte, daß
ſeine Frau das Meiſte davon hoͤren konnte. Nach ihrer Aus¬
ſage wiederholte H. haͤufig, es werde ſchon im naͤchſten Jahre
ein allgemeiner Religionskrieg ausbrechen, in welchem nur ein
Theil der Menſchen errettet, deren Mehrzahl aber durch die
Kraft Gottes umkommen wuͤrde. Jener Krieg werde bis zum
Jahre 1850 dauern, wo dann von Berlin nur noch ein klei¬
ner Theil uͤbrig bleiben werde, um ſpaͤter voͤllig in Truͤm¬
mer zu verfallen. Denn die Prediger haͤtten ein falſches Chri¬
ſtenthum verbreitet, weil ſie durch die Verkuͤndigung der rei¬
nen Lehre ſich um ihr Amt bringen wuͤrden; ſie ſowohl als die
Herrſcher ſeien Schelme. Von allen vier Weltgegenden wuͤrden
Boten in weißen Kleidern und mit Senſen bewaffnet hier ein¬
treffen, den Krieg anzukuͤndigen, den Gottloſen die Koͤpfe ab¬
zuhauen, und die Frommen zu beſchuͤtzen. G. ſolle als Vor¬
gaͤnger unter dieſen Boten in weißen Kleidern auftreten, denn
er ſei einer der beiden Zeugen in der Apokalypſe, welcher in
der Kirche die Wahrheit verkuͤnden, dafuͤr aber den Maͤrtyrer¬
tod ſterben ſolle, waͤhrend H. als anderer Zeuge zum Darein¬
hauen und Stechen beſtimmt ſei, und ein Alter von 100 Jah¬
ren erreichen werde. Zugleich borgte H. dem G. Geld ab,
welches er ihm doch ſpaͤter wiedererſtattete; er theilte ihm meh¬
rere myſtiſche Schriften mit, in welchen G. fleißig las, verbot
ihm den Genuß des Fleiſches, weil er dadurch zum Thier
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |