des wirkte daher erschütternd auf ihn, noch mehr aber der Tod eines jungen schönen Mädchens, zu welchem er zwar in keiner näheren Beziehung stand, da sie schon die Geliebte ei¬ nes Andern war, zu welcher er aber doch eine starke Neigung empfunden haben muß, da er seine Fassung ganz verlor.
Im Herbste 1844 trat das Seelenleiden des Z. zuerst unter den bei so vielen Geisteskranken vorkommenden Erschei¬ nungen des Argwohns auf, welcher sich hinreichend aus dem Widerspruch erklärt, worin sie sich mit der ganzen Welt ver¬ setzt sehen, und welcher bei ihm eigentlich nur die verstärkte Wirkung seiner schon seit lange vorherrschenden Gesinnung war. Er behauptete, man gehe damit um, ihn ins Gefängniß zu werfen, womit ein Festungscommandant beauftragt sei; sehr bald sprang er aber von dieser Vorstellung zu der entgegen¬ gesetzten über: er sei unverletzlich, und keine Gewalt, Dolch, Gift u. s. w. wäre im Stande, ihm das Leben zu rauben, er könne trockenen Fußes über Seen und Flüsse gehen, da er ein auserwähltes Werkzeug Gottes sei. Diese Behauptungen sind nur ein Wiederschein seines überspannten Selbstgefühls, wel¬ ches sich gegen die Furcht vor Verfolgung anstemmte, und wel¬ ches auch bald Veranlassung zum Ausbruch einer heftigen Tob¬ sucht gab, da ihm die durch seine Aufregung nothwendig erheischte Beschränkung und die im falsch verstandenen Eifer ver¬ suchte Bekämpfung seiner Aeußerungen unerträglich waren. Er mußte deshalb gebunden in ein städtisches Krankenhaus gebracht werden, welches ihn dergestalt erbitterte, daß er kurz darauf die Eisenstäbe eines Fensters verbog, und sich an zerrissenen und zusammengeknüpften Bettlaken auf die Erde herabließ, um zu entfliehen. In sein Zimmer zurückgeführt und sorgfäl¬ tiger bewacht, beruhigte er sich unter der Anwendung von Sturz¬ bädern nach einiger Zeit so sehr, daß er auf sein dringendes Bitten entlassen in das väterliche Haus zurückkehrte. Hier verhielt er sich mehrere Wochen ruhig, führte keine irren Re¬ den mehr, arbeitete sogar wieder, und forderte die Fortsetzung der Sturzbäder; indeß die fleißige Lectüre der Bibel, in wel¬ cher besonders die Offenbarung Johannis ihn wegen ihres my¬ stischen Inhalts anzog, trug unstreitig dazu bei, seine immer noch aufgeregte Phantasie im höchsten Grade zu erhitzen, und
des wirkte daher erſchuͤtternd auf ihn, noch mehr aber der Tod eines jungen ſchoͤnen Maͤdchens, zu welchem er zwar in keiner naͤheren Beziehung ſtand, da ſie ſchon die Geliebte ei¬ nes Andern war, zu welcher er aber doch eine ſtarke Neigung empfunden haben muß, da er ſeine Faſſung ganz verlor.
Im Herbſte 1844 trat das Seelenleiden des Z. zuerſt unter den bei ſo vielen Geiſteskranken vorkommenden Erſchei¬ nungen des Argwohns auf, welcher ſich hinreichend aus dem Widerſpruch erklaͤrt, worin ſie ſich mit der ganzen Welt ver¬ ſetzt ſehen, und welcher bei ihm eigentlich nur die verſtaͤrkte Wirkung ſeiner ſchon ſeit lange vorherrſchenden Geſinnung war. Er behauptete, man gehe damit um, ihn ins Gefaͤngniß zu werfen, womit ein Feſtungscommandant beauftragt ſei; ſehr bald ſprang er aber von dieſer Vorſtellung zu der entgegen¬ geſetzten uͤber: er ſei unverletzlich, und keine Gewalt, Dolch, Gift u. ſ. w. waͤre im Stande, ihm das Leben zu rauben, er koͤnne trockenen Fußes uͤber Seen und Fluͤſſe gehen, da er ein auserwaͤhltes Werkzeug Gottes ſei. Dieſe Behauptungen ſind nur ein Wiederſchein ſeines uͤberſpannten Selbſtgefuͤhls, wel¬ ches ſich gegen die Furcht vor Verfolgung anſtemmte, und wel¬ ches auch bald Veranlaſſung zum Ausbruch einer heftigen Tob¬ ſucht gab, da ihm die durch ſeine Aufregung nothwendig erheiſchte Beſchraͤnkung und die im falſch verſtandenen Eifer ver¬ ſuchte Bekaͤmpfung ſeiner Aeußerungen unertraͤglich waren. Er mußte deshalb gebunden in ein ſtaͤdtiſches Krankenhaus gebracht werden, welches ihn dergeſtalt erbitterte, daß er kurz darauf die Eiſenſtaͤbe eines Fenſters verbog, und ſich an zerriſſenen und zuſammengeknuͤpften Bettlaken auf die Erde herabließ, um zu entfliehen. In ſein Zimmer zuruͤckgefuͤhrt und ſorgfaͤl¬ tiger bewacht, beruhigte er ſich unter der Anwendung von Sturz¬ baͤdern nach einiger Zeit ſo ſehr, daß er auf ſein dringendes Bitten entlaſſen in das vaͤterliche Haus zuruͤckkehrte. Hier verhielt er ſich mehrere Wochen ruhig, fuͤhrte keine irren Re¬ den mehr, arbeitete ſogar wieder, und forderte die Fortſetzung der Sturzbaͤder; indeß die fleißige Lectuͤre der Bibel, in wel¬ cher beſonders die Offenbarung Johannis ihn wegen ihres my¬ ſtiſchen Inhalts anzog, trug unſtreitig dazu bei, ſeine immer noch aufgeregte Phantaſie im hoͤchſten Grade zu erhitzen, und
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[166/0174]
des wirkte daher erſchuͤtternd auf ihn, noch mehr aber der
Tod eines jungen ſchoͤnen Maͤdchens, zu welchem er zwar in
keiner naͤheren Beziehung ſtand, da ſie ſchon die Geliebte ei¬
nes Andern war, zu welcher er aber doch eine ſtarke Neigung
empfunden haben muß, da er ſeine Faſſung ganz verlor.
Im Herbſte 1844 trat das Seelenleiden des Z. zuerſt
unter den bei ſo vielen Geiſteskranken vorkommenden Erſchei¬
nungen des Argwohns auf, welcher ſich hinreichend aus dem
Widerſpruch erklaͤrt, worin ſie ſich mit der ganzen Welt ver¬
ſetzt ſehen, und welcher bei ihm eigentlich nur die verſtaͤrkte
Wirkung ſeiner ſchon ſeit lange vorherrſchenden Geſinnung war.
Er behauptete, man gehe damit um, ihn ins Gefaͤngniß zu
werfen, womit ein Feſtungscommandant beauftragt ſei; ſehr
bald ſprang er aber von dieſer Vorſtellung zu der entgegen¬
geſetzten uͤber: er ſei unverletzlich, und keine Gewalt, Dolch,
Gift u. ſ. w. waͤre im Stande, ihm das Leben zu rauben, er
koͤnne trockenen Fußes uͤber Seen und Fluͤſſe gehen, da er ein
auserwaͤhltes Werkzeug Gottes ſei. Dieſe Behauptungen ſind
nur ein Wiederſchein ſeines uͤberſpannten Selbſtgefuͤhls, wel¬
ches ſich gegen die Furcht vor Verfolgung anſtemmte, und wel¬
ches auch bald Veranlaſſung zum Ausbruch einer heftigen Tob¬
ſucht gab, da ihm die durch ſeine Aufregung nothwendig
erheiſchte Beſchraͤnkung und die im falſch verſtandenen Eifer ver¬
ſuchte Bekaͤmpfung ſeiner Aeußerungen unertraͤglich waren. Er
mußte deshalb gebunden in ein ſtaͤdtiſches Krankenhaus gebracht
werden, welches ihn dergeſtalt erbitterte, daß er kurz darauf
die Eiſenſtaͤbe eines Fenſters verbog, und ſich an zerriſſenen
und zuſammengeknuͤpften Bettlaken auf die Erde herabließ,
um zu entfliehen. In ſein Zimmer zuruͤckgefuͤhrt und ſorgfaͤl¬
tiger bewacht, beruhigte er ſich unter der Anwendung von Sturz¬
baͤdern nach einiger Zeit ſo ſehr, daß er auf ſein dringendes
Bitten entlaſſen in das vaͤterliche Haus zuruͤckkehrte. Hier
verhielt er ſich mehrere Wochen ruhig, fuͤhrte keine irren Re¬
den mehr, arbeitete ſogar wieder, und forderte die Fortſetzung
der Sturzbaͤder; indeß die fleißige Lectuͤre der Bibel, in wel¬
cher beſonders die Offenbarung Johannis ihn wegen ihres my¬
ſtiſchen Inhalts anzog, trug unſtreitig dazu bei, ſeine immer
noch aufgeregte Phantaſie im hoͤchſten Grade zu erhitzen, und
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Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/174>, abgerufen am 05.07.2024.
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