Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847.nur fühlen kann," Nachdem sein Wahn, welcher zuletzt in die 9. M., im Jahre 1796 geboren, wurde unter glücklichen nur fuͤhlen kann,” Nachdem ſein Wahn, welcher zuletzt in die 9. M., im Jahre 1796 geboren, wurde unter gluͤcklichen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0129" n="121"/> nur fuͤhlen kann,” Nachdem ſein Wahn, welcher zuletzt in die<lb/> Ueberzeugung uͤberging, daß er durch die Gnade Gottes einer<lb/> beſondern Erleuchtung theilhaftig geworden ſei, ohne Erfolg<lb/> bekaͤmpft worden war, wurde er im Mai 1842 in eine Ver¬<lb/> pflegungsanſtalt verſetzt.</p><lb/> </div> <div n="1"> <head>9.<lb/></head> <p><hi rendition="#b #fr">M.</hi>, im Jahre 1796 geboren, wurde unter gluͤcklichen<lb/> Verhaͤltniſſen erzogen, und erfreute ſich fruͤher einer ſtets bluͤ¬<lb/> henden Geſundheit. Um ſo trauriger geſtaltete ſich aber ſeine<lb/> Lage, als er in ſeinem 24. Jahre, noch waͤhrend er die Ve¬<lb/> terinaͤrkunde ſtudirte, ſich verheirathete, und dadurch an einer<lb/> gruͤndlichen wiſſenſchaftlichen Ausbildung verhindert wurde, ſo<lb/> daß er die hoͤheren Pruͤfungen nicht ablegen konnte, ſondern<lb/> ſich mit gelegentlichen unbedeutenden Curen einen kaͤrglichen<lb/> Erwerb verſchaffen mußte, welcher noch durch Geldſtrafen fuͤr<lb/> unbefugte Heilverſuche an Menſchen geſchmaͤlert wurde. Er<lb/> hatte daher ſtets mit Nahrungsſorgen und haͤuslichen Wider¬<lb/> waͤrtigkeiten zu kaͤmpfen, welche er durch haͤufigen Genuß ſpi¬<lb/> rituoͤſer Getraͤnke zu vergeſſen bemuͤht war. Bei ſeinem chole¬<lb/> riſchen Temperamente kam es oft zu den Ausbruͤchen des hef¬<lb/> tigſten Zorns, auf welche in ruhigeren Stunden ein tiefer Gram<lb/> uͤber ſeine zerruͤtteten Verhaͤltniſſe folgte. Unter dem Verein<lb/> dieſer Einfluͤſſe entwickelte ſich allmaͤhlig eine anhaltende Auf¬<lb/> regung des Gemuͤths und Koͤrpers, welche ihrer weſentlichen<lb/> Bedeutung nach als <hi rendition="#aq">Delirium tremens</hi> angeſehen wurde, und<lb/> deshalb im Auguſt 1841 Veranlaſſung zu ſeiner Aufnahme in<lb/> die Abtheilung der Charité fuͤr innere Kranke gab. Hier<lb/> zeigte er ſich Anfangs ziemlich ruhig, war im Stande, die<lb/> ihm vorgelegten Fragen zu beantworten, konnte aber nicht<lb/> lange einen Gegenſtand feſthalten, weil er ſich fortwaͤhrend mit<lb/> der Vorſtellung beſchaͤftigte, daß er der leibhafte Sohn Gottes<lb/> und kein Menſch ſei. Sich ſelbſt uͤberlaſſen ſaß er verſunken<lb/> im Bruͤten uͤber ſeine goͤttlichen Eigenſchaften, ohne auf ſeine<lb/> Umgebungen Acht zu geben, gerieth aber leicht in Heftigkeit,<lb/> wenn er in ſeinen Grillen geſtoͤrt wurde. Schon am naͤchſten<lb/> Tage brach ein voͤlliger Wuthanfall bei ihm aus, er ſchlug<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [121/0129]
nur fuͤhlen kann,” Nachdem ſein Wahn, welcher zuletzt in die
Ueberzeugung uͤberging, daß er durch die Gnade Gottes einer
beſondern Erleuchtung theilhaftig geworden ſei, ohne Erfolg
bekaͤmpft worden war, wurde er im Mai 1842 in eine Ver¬
pflegungsanſtalt verſetzt.
9.
M., im Jahre 1796 geboren, wurde unter gluͤcklichen
Verhaͤltniſſen erzogen, und erfreute ſich fruͤher einer ſtets bluͤ¬
henden Geſundheit. Um ſo trauriger geſtaltete ſich aber ſeine
Lage, als er in ſeinem 24. Jahre, noch waͤhrend er die Ve¬
terinaͤrkunde ſtudirte, ſich verheirathete, und dadurch an einer
gruͤndlichen wiſſenſchaftlichen Ausbildung verhindert wurde, ſo
daß er die hoͤheren Pruͤfungen nicht ablegen konnte, ſondern
ſich mit gelegentlichen unbedeutenden Curen einen kaͤrglichen
Erwerb verſchaffen mußte, welcher noch durch Geldſtrafen fuͤr
unbefugte Heilverſuche an Menſchen geſchmaͤlert wurde. Er
hatte daher ſtets mit Nahrungsſorgen und haͤuslichen Wider¬
waͤrtigkeiten zu kaͤmpfen, welche er durch haͤufigen Genuß ſpi¬
rituoͤſer Getraͤnke zu vergeſſen bemuͤht war. Bei ſeinem chole¬
riſchen Temperamente kam es oft zu den Ausbruͤchen des hef¬
tigſten Zorns, auf welche in ruhigeren Stunden ein tiefer Gram
uͤber ſeine zerruͤtteten Verhaͤltniſſe folgte. Unter dem Verein
dieſer Einfluͤſſe entwickelte ſich allmaͤhlig eine anhaltende Auf¬
regung des Gemuͤths und Koͤrpers, welche ihrer weſentlichen
Bedeutung nach als Delirium tremens angeſehen wurde, und
deshalb im Auguſt 1841 Veranlaſſung zu ſeiner Aufnahme in
die Abtheilung der Charité fuͤr innere Kranke gab. Hier
zeigte er ſich Anfangs ziemlich ruhig, war im Stande, die
ihm vorgelegten Fragen zu beantworten, konnte aber nicht
lange einen Gegenſtand feſthalten, weil er ſich fortwaͤhrend mit
der Vorſtellung beſchaͤftigte, daß er der leibhafte Sohn Gottes
und kein Menſch ſei. Sich ſelbſt uͤberlaſſen ſaß er verſunken
im Bruͤten uͤber ſeine goͤttlichen Eigenſchaften, ohne auf ſeine
Umgebungen Acht zu geben, gerieth aber leicht in Heftigkeit,
wenn er in ſeinen Grillen geſtoͤrt wurde. Schon am naͤchſten
Tage brach ein voͤlliger Wuthanfall bei ihm aus, er ſchlug
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