Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Die politische Gleichberechtigung der Frau.
sicherte. Seit Plato gab es zu allen Epochen vereinzelte
Denker, die selbstlos genug waren, dem allgemeinen
männlichen Egoismus ihrer Zeit entgegenzutreten, edlere,
wahrere Worte als John Stuart Mill hat jedoch kein Mann
für die Frauen gefunden.

Es gab keine Seite der Frauenfrage, die er vergessen,
keinen thatsächlich erfolgten oder möglichen Einwand,
den er nicht glänzend widerlegt hätte. "In den ge-
bildeten Staaten ist mit einer Ausnahme die Aus-
schliessung der Frauen von den meisten Aemtern und
Berufszweigen noch der einzige Fall, in dem Gesetze und
Einrichtungen Personen von der Geburt an unter einen
gewissen Bann stellen und nicht gestatten, dass sie während
ihres ganzen Lebens nach gewissen Dingen streben."
"Die untergeordnete Stellung, zu welcher die Frauen
lediglich durch ihre Geburt verurtheilt sind, ist ohne
Beispiel in der neueren Gesetzgebung." Ueber das
Stimmrecht zum Parlament sowohl wie für Gemeinde-
ämter sagt Mill: "Es giebt nicht den Schatten eines
gerechten Grundes dafür, dass man die Frauen nicht
unter denselben Bedingungen und innerhalb derselben
Grenzen, wie man sie für die Männer aufgestellt, zur
Wahl zulässt. Die Mehrheit der Frauen aus einer Klasse
würde in ihrer politischen Ansicht höchst wahrscheinlich
nicht viel von der politischen Ansicht der Männer der-
selben Klasse abweichen, es sei denn, die Frage beträfe
Dinge, in welchen die Wohlfahrt der Frauen als solche
verflochten wäre. Giebt es aber solche Fälle, so bedürfen

Die politische Gleichberechtigung der Frau.
sicherte. Seit Plato gab es zu allen Epochen vereinzelte
Denker, die selbstlos genug waren, dem allgemeinen
männlichen Egoismus ihrer Zeit entgegenzutreten, edlere,
wahrere Worte als John Stuart Mill hat jedoch kein Mann
für die Frauen gefunden.

Es gab keine Seite der Frauenfrage, die er vergessen,
keinen thatsächlich erfolgten oder möglichen Einwand,
den er nicht glänzend widerlegt hätte. »In den ge-
bildeten Staaten ist mit einer Ausnahme die Aus-
schliessung der Frauen von den meisten Aemtern und
Berufszweigen noch der einzige Fall, in dem Gesetze und
Einrichtungen Personen von der Geburt an unter einen
gewissen Bann stellen und nicht gestatten, dass sie während
ihres ganzen Lebens nach gewissen Dingen streben.«
»Die untergeordnete Stellung, zu welcher die Frauen
lediglich durch ihre Geburt verurtheilt sind, ist ohne
Beispiel in der neueren Gesetzgebung.« Ueber das
Stimmrecht zum Parlament sowohl wie für Gemeinde-
ämter sagt Mill: »Es giebt nicht den Schatten eines
gerechten Grundes dafür, dass man die Frauen nicht
unter denselben Bedingungen und innerhalb derselben
Grenzen, wie man sie für die Männer aufgestellt, zur
Wahl zulässt. Die Mehrheit der Frauen aus einer Klasse
würde in ihrer politischen Ansicht höchst wahrscheinlich
nicht viel von der politischen Ansicht der Männer der-
selben Klasse abweichen, es sei denn, die Frage beträfe
Dinge, in welchen die Wohlfahrt der Frauen als solche
verflochten wäre. Giebt es aber solche Fälle, so bedürfen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0052" n="39"/><fw place="top" type="header">Die politische Gleichberechtigung der Frau.</fw><lb/>
sicherte. Seit Plato gab es zu allen Epochen vereinzelte<lb/>
Denker, die selbstlos genug waren, dem allgemeinen<lb/>
männlichen Egoismus ihrer Zeit entgegenzutreten, edlere,<lb/>
wahrere Worte als John Stuart Mill hat jedoch kein Mann<lb/>
für die Frauen gefunden.</p><lb/>
      <p>Es gab keine Seite der Frauenfrage, die er vergessen,<lb/>
keinen thatsächlich erfolgten oder möglichen Einwand,<lb/>
den er nicht glänzend widerlegt hätte. »In den ge-<lb/>
bildeten Staaten ist mit einer Ausnahme die Aus-<lb/>
schliessung der Frauen von den meisten Aemtern und<lb/>
Berufszweigen noch der einzige Fall, in dem Gesetze und<lb/>
Einrichtungen Personen von der Geburt an unter einen<lb/>
gewissen Bann stellen und nicht gestatten, dass sie während<lb/>
ihres ganzen Lebens nach gewissen Dingen streben.«<lb/>
»Die untergeordnete Stellung, zu welcher die Frauen<lb/>
lediglich durch ihre Geburt verurtheilt sind, ist ohne<lb/>
Beispiel in der neueren Gesetzgebung.« Ueber das<lb/>
Stimmrecht zum Parlament sowohl wie für Gemeinde-<lb/>
ämter sagt Mill: »Es giebt nicht den Schatten eines<lb/>
gerechten Grundes dafür, dass man die Frauen nicht<lb/>
unter denselben Bedingungen und innerhalb derselben<lb/>
Grenzen, wie man sie für die Männer aufgestellt, zur<lb/>
Wahl zulässt. Die Mehrheit der Frauen aus einer Klasse<lb/>
würde in ihrer politischen Ansicht höchst wahrscheinlich<lb/>
nicht viel von der politischen Ansicht der Männer der-<lb/>
selben Klasse abweichen, es sei denn, die Frage beträfe<lb/>
Dinge, in welchen die Wohlfahrt der Frauen als solche<lb/>
verflochten wäre. Giebt es aber solche Fälle, so bedürfen<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0052] Die politische Gleichberechtigung der Frau. sicherte. Seit Plato gab es zu allen Epochen vereinzelte Denker, die selbstlos genug waren, dem allgemeinen männlichen Egoismus ihrer Zeit entgegenzutreten, edlere, wahrere Worte als John Stuart Mill hat jedoch kein Mann für die Frauen gefunden. Es gab keine Seite der Frauenfrage, die er vergessen, keinen thatsächlich erfolgten oder möglichen Einwand, den er nicht glänzend widerlegt hätte. »In den ge- bildeten Staaten ist mit einer Ausnahme die Aus- schliessung der Frauen von den meisten Aemtern und Berufszweigen noch der einzige Fall, in dem Gesetze und Einrichtungen Personen von der Geburt an unter einen gewissen Bann stellen und nicht gestatten, dass sie während ihres ganzen Lebens nach gewissen Dingen streben.« »Die untergeordnete Stellung, zu welcher die Frauen lediglich durch ihre Geburt verurtheilt sind, ist ohne Beispiel in der neueren Gesetzgebung.« Ueber das Stimmrecht zum Parlament sowohl wie für Gemeinde- ämter sagt Mill: »Es giebt nicht den Schatten eines gerechten Grundes dafür, dass man die Frauen nicht unter denselben Bedingungen und innerhalb derselben Grenzen, wie man sie für die Männer aufgestellt, zur Wahl zulässt. Die Mehrheit der Frauen aus einer Klasse würde in ihrer politischen Ansicht höchst wahrscheinlich nicht viel von der politischen Ansicht der Männer der- selben Klasse abweichen, es sei denn, die Frage beträfe Dinge, in welchen die Wohlfahrt der Frauen als solche verflochten wäre. Giebt es aber solche Fälle, so bedürfen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-02-20T18:11:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-02-20T18:11:38Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_gleichberechtigung_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_gleichberechtigung_1898/52
Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Die politische Gleichberechtigung der Frau. Berlin, 1898, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_gleichberechtigung_1898/52>, abgerufen am 06.05.2024.