der aus dem ehemaligen auskömmlich bezahlten und früher oder später selbständig werdenden Handwerker einen dauernd besitzlosen und mangel- haft bezahlten Lohnarbeiter machte, dadurch Frau und Kind zur Mitarbeit zwang und infolge dieser Umstände eine Anhäufung menschlichen Elends er- reichte, wie sie vordem in dieser Ausdehnung un- bekannt war. Zwang die schlechte Bezahlung des Mannes Frau und Kind ebenfalls unter die Fabrikfuchtel, so mußten diese, ursprünglich um ein Unterkommen zu finden, und der geringen Leistungsfähigkeit halber, sich mit noch schlechteren Löhnen begnügen. Dies war der Grund, daß die Frauen- und Kinderarbeit wieder auf die Männer- arbeit drückte, und als die natürliche Folge er- gaben sich die Überarbeit der ganzen Familie, Doppellasten der Frau als Arbeiterin, Hausfrau und Mutter, hohe Säuglingssterblichkeit und Ver- nachlässigung der Kindererziehung.
Aus der Lohnfrage, in der die Arbeiterinnen- frage gipfelt, ergaben sich alle anderen Mißstände und Schäden. Die schlechte Bezahlung zwang die Arbeiterin zur Unterernährung und die Unter- ernährung wieder verhinderte dauernd eine Steigerung ihrer Arbeitsfähigkeit. Es mag inter- essieren zu hören, wie ein Arbeiter über die Er- nährungsweise seiner Mitarbeiterinnen urteilt: "Die Arbeiterinnen leben fast nur von Kaffee und
der aus dem ehemaligen auskömmlich bezahlten und früher oder später selbständig werdenden Handwerker einen dauernd besitzlosen und mangel- haft bezahlten Lohnarbeiter machte, dadurch Frau und Kind zur Mitarbeit zwang und infolge dieser Umstände eine Anhäufung menschlichen Elends er- reichte, wie sie vordem in dieser Ausdehnung un- bekannt war. Zwang die schlechte Bezahlung des Mannes Frau und Kind ebenfalls unter die Fabrikfuchtel, so mußten diese, ursprünglich um ein Unterkommen zu finden, und der geringen Leistungsfähigkeit halber, sich mit noch schlechteren Löhnen begnügen. Dies war der Grund, daß die Frauen- und Kinderarbeit wieder auf die Männer- arbeit drückte, und als die natürliche Folge er- gaben sich die Überarbeit der ganzen Familie, Doppellasten der Frau als Arbeiterin, Hausfrau und Mutter, hohe Säuglingssterblichkeit und Ver- nachlässigung der Kindererziehung.
Aus der Lohnfrage, in der die Arbeiterinnen- frage gipfelt, ergaben sich alle anderen Mißstände und Schäden. Die schlechte Bezahlung zwang die Arbeiterin zur Unterernährung und die Unter- ernährung wieder verhinderte dauernd eine Steigerung ihrer Arbeitsfähigkeit. Es mag inter- essieren zu hören, wie ein Arbeiter über die Er- nährungsweise seiner Mitarbeiterinnen urteilt: „Die Arbeiterinnen leben fast nur von Kaffee und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0047"n="43"/>
der aus dem ehemaligen auskömmlich bezahlten<lb/>
und früher oder später selbständig werdenden<lb/>
Handwerker einen dauernd besitzlosen und mangel-<lb/>
haft bezahlten Lohnarbeiter machte, dadurch Frau<lb/>
und Kind zur Mitarbeit zwang und infolge dieser<lb/>
Umstände eine Anhäufung menschlichen Elends er-<lb/>
reichte, wie sie vordem in dieser Ausdehnung un-<lb/>
bekannt war. Zwang die schlechte Bezahlung des<lb/>
Mannes Frau und Kind ebenfalls unter die<lb/>
Fabrikfuchtel, so mußten diese, ursprünglich um<lb/>
ein Unterkommen zu finden, und der geringen<lb/>
Leistungsfähigkeit halber, sich mit noch schlechteren<lb/>
Löhnen begnügen. Dies war der Grund, daß die<lb/>
Frauen- und Kinderarbeit wieder auf die Männer-<lb/>
arbeit drückte, und als die natürliche Folge er-<lb/>
gaben sich die Überarbeit der ganzen Familie,<lb/>
Doppellasten der Frau als Arbeiterin, Hausfrau<lb/>
und Mutter, hohe Säuglingssterblichkeit und Ver-<lb/>
nachlässigung der Kindererziehung.</p><lb/><p>Aus der Lohnfrage, in der die Arbeiterinnen-<lb/>
frage gipfelt, ergaben sich alle anderen Mißstände<lb/>
und Schäden. Die schlechte Bezahlung zwang die<lb/>
Arbeiterin zur Unterernährung und die Unter-<lb/>
ernährung wieder verhinderte dauernd eine<lb/>
Steigerung ihrer Arbeitsfähigkeit. Es mag inter-<lb/>
essieren zu hören, wie ein Arbeiter über die Er-<lb/>
nährungsweise seiner Mitarbeiterinnen urteilt:<lb/>„Die Arbeiterinnen leben fast nur von Kaffee und<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[43/0047]
der aus dem ehemaligen auskömmlich bezahlten
und früher oder später selbständig werdenden
Handwerker einen dauernd besitzlosen und mangel-
haft bezahlten Lohnarbeiter machte, dadurch Frau
und Kind zur Mitarbeit zwang und infolge dieser
Umstände eine Anhäufung menschlichen Elends er-
reichte, wie sie vordem in dieser Ausdehnung un-
bekannt war. Zwang die schlechte Bezahlung des
Mannes Frau und Kind ebenfalls unter die
Fabrikfuchtel, so mußten diese, ursprünglich um
ein Unterkommen zu finden, und der geringen
Leistungsfähigkeit halber, sich mit noch schlechteren
Löhnen begnügen. Dies war der Grund, daß die
Frauen- und Kinderarbeit wieder auf die Männer-
arbeit drückte, und als die natürliche Folge er-
gaben sich die Überarbeit der ganzen Familie,
Doppellasten der Frau als Arbeiterin, Hausfrau
und Mutter, hohe Säuglingssterblichkeit und Ver-
nachlässigung der Kindererziehung.
Aus der Lohnfrage, in der die Arbeiterinnen-
frage gipfelt, ergaben sich alle anderen Mißstände
und Schäden. Die schlechte Bezahlung zwang die
Arbeiterin zur Unterernährung und die Unter-
ernährung wieder verhinderte dauernd eine
Steigerung ihrer Arbeitsfähigkeit. Es mag inter-
essieren zu hören, wie ein Arbeiter über die Er-
nährungsweise seiner Mitarbeiterinnen urteilt:
„Die Arbeiterinnen leben fast nur von Kaffee und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription.
(2020-12-07T10:34:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2020-12-07T10:34:09Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: gekennzeichnet;
Druckfehler: gekennzeichnet;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
i/j in Fraktur: keine Angabe;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): als s transkribiert;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: wie Vorlage;
u/v bzw. U/V: keine Angabe;
Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/47>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.