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Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

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bitten sie "man lasse uns wenigstens die Nadel und
die Schere, dafür wollen wir uns verpflichten,
niemals den Kompaß noch das Winkelmaß zu
führen ... wir wollen Beschäftigung haben, nicht
um die Autorität der Männer an uns zu reißen,
sondern um unser Leben zu fristen."

Es waren die vielgeschmähten Frauen der
Revolutionszeit, die in so beweglichen und berech-
tigten Worten baten. Jhre Mitleid erregende
Lage und ihr Vorgehen veranlaßte eine mutige
und geniale Frau, Olympe de Gouges, für sie ein-
zutreten. Sie wollte der unsäglichen Armut
steuern, sie wollte den Arbeitslosen Arbeit ver-
schaffen, sie brachte allem Elend ein mitleidiges
Herz, den glühenden Willen zu retten und reiche
Jdeen zur Abhilfe der bestehenden Übelstände ent-
gegen, sie schwärmte für Freiheit, Gleichheit und
Brüderlichkeit, wollte allen Menschen beistehen,
aber sie erkannte, daß sie vor allem ihrem eigenen
Geschlecht helfen müsse, weil dieses am tiefsten
darniederlag, weil es der Unterstützung am
meisten bedurfte. Der Erklärung der Menschen-
rechte setzte sie eine Erklärung der Frauenrechte
entgegen, die, man darf wohl sagen, als der erste
bewußte Ausdruck von Frauen über die Pflichten
und Rechte ihres Geschlechtes angesehen werden
kann. Gleichzeitig hatten die Gründe, die der vor-
treffliche Philosoph Condorcet für die Verteidigung

bitten sie „man lasse uns wenigstens die Nadel und
die Schere, dafür wollen wir uns verpflichten,
niemals den Kompaß noch das Winkelmaß zu
führen … wir wollen Beschäftigung haben, nicht
um die Autorität der Männer an uns zu reißen,
sondern um unser Leben zu fristen.“

Es waren die vielgeschmähten Frauen der
Revolutionszeit, die in so beweglichen und berech-
tigten Worten baten. Jhre Mitleid erregende
Lage und ihr Vorgehen veranlaßte eine mutige
und geniale Frau, Olympe de Gouges, für sie ein-
zutreten. Sie wollte der unsäglichen Armut
steuern, sie wollte den Arbeitslosen Arbeit ver-
schaffen, sie brachte allem Elend ein mitleidiges
Herz, den glühenden Willen zu retten und reiche
Jdeen zur Abhilfe der bestehenden Übelstände ent-
gegen, sie schwärmte für Freiheit, Gleichheit und
Brüderlichkeit, wollte allen Menschen beistehen,
aber sie erkannte, daß sie vor allem ihrem eigenen
Geschlecht helfen müsse, weil dieses am tiefsten
darniederlag, weil es der Unterstützung am
meisten bedurfte. Der Erklärung der Menschen-
rechte setzte sie eine Erklärung der Frauenrechte
entgegen, die, man darf wohl sagen, als der erste
bewußte Ausdruck von Frauen über die Pflichten
und Rechte ihres Geschlechtes angesehen werden
kann. Gleichzeitig hatten die Gründe, die der vor-
treffliche Philosoph Condorcet für die Verteidigung

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[11/0015] bitten sie „man lasse uns wenigstens die Nadel und die Schere, dafür wollen wir uns verpflichten, niemals den Kompaß noch das Winkelmaß zu führen … wir wollen Beschäftigung haben, nicht um die Autorität der Männer an uns zu reißen, sondern um unser Leben zu fristen.“ Es waren die vielgeschmähten Frauen der Revolutionszeit, die in so beweglichen und berech- tigten Worten baten. Jhre Mitleid erregende Lage und ihr Vorgehen veranlaßte eine mutige und geniale Frau, Olympe de Gouges, für sie ein- zutreten. Sie wollte der unsäglichen Armut steuern, sie wollte den Arbeitslosen Arbeit ver- schaffen, sie brachte allem Elend ein mitleidiges Herz, den glühenden Willen zu retten und reiche Jdeen zur Abhilfe der bestehenden Übelstände ent- gegen, sie schwärmte für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, wollte allen Menschen beistehen, aber sie erkannte, daß sie vor allem ihrem eigenen Geschlecht helfen müsse, weil dieses am tiefsten darniederlag, weil es der Unterstützung am meisten bedurfte. Der Erklärung der Menschen- rechte setzte sie eine Erklärung der Frauenrechte entgegen, die, man darf wohl sagen, als der erste bewußte Ausdruck von Frauen über die Pflichten und Rechte ihres Geschlechtes angesehen werden kann. Gleichzeitig hatten die Gründe, die der vor- treffliche Philosoph Condorcet für die Verteidigung

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-12-07T10:34:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/15>, abgerufen am 23.04.2024.