Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

bitten sie "man lasse uns wenigstens die Nadel und
die Schere, dafür wollen wir uns verpflichten,
niemals den Kompaß noch das Winkelmaß zu
führen ... wir wollen Beschäftigung haben, nicht
um die Autorität der Männer an uns zu reißen,
sondern um unser Leben zu fristen."

Es waren die vielgeschmähten Frauen der
Revolutionszeit, die in so beweglichen und berech-
tigten Worten baten. Jhre Mitleid erregende
Lage und ihr Vorgehen veranlaßte eine mutige
und geniale Frau, Olympe de Gouges, für sie ein-
zutreten. Sie wollte der unsäglichen Armut
steuern, sie wollte den Arbeitslosen Arbeit ver-
schaffen, sie brachte allem Elend ein mitleidiges
Herz, den glühenden Willen zu retten und reiche
Jdeen zur Abhilfe der bestehenden Übelstände ent-
gegen, sie schwärmte für Freiheit, Gleichheit und
Brüderlichkeit, wollte allen Menschen beistehen,
aber sie erkannte, daß sie vor allem ihrem eigenen
Geschlecht helfen müsse, weil dieses am tiefsten
darniederlag, weil es der Unterstützung am
meisten bedurfte. Der Erklärung der Menschen-
rechte setzte sie eine Erklärung der Frauenrechte
entgegen, die, man darf wohl sagen, als der erste
bewußte Ausdruck von Frauen über die Pflichten
und Rechte ihres Geschlechtes angesehen werden
kann. Gleichzeitig hatten die Gründe, die der vor-
treffliche Philosoph Condorcet für die Verteidigung

bitten sie „man lasse uns wenigstens die Nadel und
die Schere, dafür wollen wir uns verpflichten,
niemals den Kompaß noch das Winkelmaß zu
führen … wir wollen Beschäftigung haben, nicht
um die Autorität der Männer an uns zu reißen,
sondern um unser Leben zu fristen.“

Es waren die vielgeschmähten Frauen der
Revolutionszeit, die in so beweglichen und berech-
tigten Worten baten. Jhre Mitleid erregende
Lage und ihr Vorgehen veranlaßte eine mutige
und geniale Frau, Olympe de Gouges, für sie ein-
zutreten. Sie wollte der unsäglichen Armut
steuern, sie wollte den Arbeitslosen Arbeit ver-
schaffen, sie brachte allem Elend ein mitleidiges
Herz, den glühenden Willen zu retten und reiche
Jdeen zur Abhilfe der bestehenden Übelstände ent-
gegen, sie schwärmte für Freiheit, Gleichheit und
Brüderlichkeit, wollte allen Menschen beistehen,
aber sie erkannte, daß sie vor allem ihrem eigenen
Geschlecht helfen müsse, weil dieses am tiefsten
darniederlag, weil es der Unterstützung am
meisten bedurfte. Der Erklärung der Menschen-
rechte setzte sie eine Erklärung der Frauenrechte
entgegen, die, man darf wohl sagen, als der erste
bewußte Ausdruck von Frauen über die Pflichten
und Rechte ihres Geschlechtes angesehen werden
kann. Gleichzeitig hatten die Gründe, die der vor-
treffliche Philosoph Condorcet für die Verteidigung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0015" n="11"/>
bitten sie &#x201E;man lasse uns wenigstens die Nadel und<lb/>
die Schere, dafür wollen wir uns verpflichten,<lb/>
niemals den Kompaß noch das Winkelmaß zu<lb/>
führen &#x2026; wir wollen Beschäftigung haben, nicht<lb/>
um die Autorität der Männer an uns zu reißen,<lb/>
sondern um unser Leben zu fristen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Es waren die vielgeschmähten Frauen der<lb/>
Revolutionszeit, die in so beweglichen und berech-<lb/>
tigten Worten baten. Jhre Mitleid erregende<lb/>
Lage und ihr Vorgehen veranlaßte eine mutige<lb/>
und geniale Frau, Olympe de Gouges, für sie ein-<lb/>
zutreten. Sie wollte der unsäglichen Armut<lb/>
steuern, sie wollte den Arbeitslosen Arbeit ver-<lb/>
schaffen, sie brachte allem Elend ein mitleidiges<lb/>
Herz, den glühenden Willen zu retten und reiche<lb/>
Jdeen zur Abhilfe der bestehenden Übelstände ent-<lb/>
gegen, sie schwärmte für Freiheit, Gleichheit und<lb/>
Brüderlichkeit, wollte allen Menschen beistehen,<lb/>
aber sie erkannte, daß sie vor allem ihrem eigenen<lb/>
Geschlecht helfen müsse, weil dieses am tiefsten<lb/>
darniederlag, weil es der Unterstützung am<lb/>
meisten bedurfte. Der Erklärung der Menschen-<lb/>
rechte setzte sie eine Erklärung der Frauenrechte<lb/>
entgegen, die, man darf wohl sagen, als der erste<lb/>
bewußte Ausdruck von Frauen über die Pflichten<lb/>
und Rechte ihres Geschlechtes angesehen werden<lb/>
kann. Gleichzeitig hatten die Gründe, die der vor-<lb/>
treffliche Philosoph Condorcet für die Verteidigung<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0015] bitten sie „man lasse uns wenigstens die Nadel und die Schere, dafür wollen wir uns verpflichten, niemals den Kompaß noch das Winkelmaß zu führen … wir wollen Beschäftigung haben, nicht um die Autorität der Männer an uns zu reißen, sondern um unser Leben zu fristen.“ Es waren die vielgeschmähten Frauen der Revolutionszeit, die in so beweglichen und berech- tigten Worten baten. Jhre Mitleid erregende Lage und ihr Vorgehen veranlaßte eine mutige und geniale Frau, Olympe de Gouges, für sie ein- zutreten. Sie wollte der unsäglichen Armut steuern, sie wollte den Arbeitslosen Arbeit ver- schaffen, sie brachte allem Elend ein mitleidiges Herz, den glühenden Willen zu retten und reiche Jdeen zur Abhilfe der bestehenden Übelstände ent- gegen, sie schwärmte für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, wollte allen Menschen beistehen, aber sie erkannte, daß sie vor allem ihrem eigenen Geschlecht helfen müsse, weil dieses am tiefsten darniederlag, weil es der Unterstützung am meisten bedurfte. Der Erklärung der Menschen- rechte setzte sie eine Erklärung der Frauenrechte entgegen, die, man darf wohl sagen, als der erste bewußte Ausdruck von Frauen über die Pflichten und Rechte ihres Geschlechtes angesehen werden kann. Gleichzeitig hatten die Gründe, die der vor- treffliche Philosoph Condorcet für die Verteidigung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-12-07T10:34:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-12-07T10:34:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/15
Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/15>, abgerufen am 23.11.2024.