Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite

einspringen müssen wie für die Knaben, daß die
Ausbreitung der Mädchenmittelschule erwünscht
ist, die mit ihrem festumrissenen Lehrplan und
klarer Zielsetzung der sogenannten höheren
Mädchenschule oft vorzuziehen ist, ist auf der
Tagung des Zentralverbandes von Margarete
Treuge auseinandergesetzt worden. Auch der in der
Resolution geforderten Einrichtung einer Reife-
prüfung vor einer Kommission, durch welche die
Berechtigungen der höheren Mädchenschulen er-
worben werden können, ist in Anbetracht dessen,
daß in Kleinstädten beispielsweise durch Lehrer
von höheren Knabenanstalten ev. Privatschul-
zirkel für Mädchen abgehalten werden können, zu-
zustimmen. Last not least aber sollte immer da-
hin gestrebt werden, daß das Lyzeum sich ganz und
gar der Knabenrealschule angleiche mit denselben
Berechtigungen wie diese. Die Annahme, daß die
Bildungsgüter an sich nach Männlichkeit oder
Weiblichkeit schaffenden Qualitäten ausgewählt
werden könnten und daß die Frau durch die Teil-
nahme an der Männerbildung männlich werden
würde, ist, wie Helene Lange treffend sagt, ein
dilettantischer Aberglaube. Mit Recht betont sie,
daß im Gegenteil, soweit eine organische seelische
Differenziertheit der Geschlechter besteht, sie sich
um so deutlicher und bewußter aussprechen, um so
feiner entwickeln wird, je reicher das Material ge-

einspringen müssen wie für die Knaben, daß die
Ausbreitung der Mädchenmittelschule erwünscht
ist, die mit ihrem festumrissenen Lehrplan und
klarer Zielsetzung der sogenannten höheren
Mädchenschule oft vorzuziehen ist, ist auf der
Tagung des Zentralverbandes von Margarete
Treuge auseinandergesetzt worden. Auch der in der
Resolution geforderten Einrichtung einer Reife-
prüfung vor einer Kommission, durch welche die
Berechtigungen der höheren Mädchenschulen er-
worben werden können, ist in Anbetracht dessen,
daß in Kleinstädten beispielsweise durch Lehrer
von höheren Knabenanstalten ev. Privatschul-
zirkel für Mädchen abgehalten werden können, zu-
zustimmen. Last not least aber sollte immer da-
hin gestrebt werden, daß das Lyzeum sich ganz und
gar der Knabenrealschule angleiche mit denselben
Berechtigungen wie diese. Die Annahme, daß die
Bildungsgüter an sich nach Männlichkeit oder
Weiblichkeit schaffenden Qualitäten ausgewählt
werden könnten und daß die Frau durch die Teil-
nahme an der Männerbildung männlich werden
würde, ist, wie Helene Lange treffend sagt, ein
dilettantischer Aberglaube. Mit Recht betont sie,
daß im Gegenteil, soweit eine organische seelische
Differenziertheit der Geschlechter besteht, sie sich
um so deutlicher und bewußter aussprechen, um so
feiner entwickeln wird, je reicher das Material ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0132" n="128"/>
einspringen müssen wie für die Knaben, daß die<lb/>
Ausbreitung der Mädchenmittelschule erwünscht<lb/>
ist, die mit ihrem festumrissenen Lehrplan und<lb/>
klarer Zielsetzung der sogenannten höheren<lb/>
Mädchenschule oft vorzuziehen ist, ist auf der<lb/>
Tagung des Zentralverbandes von Margarete<lb/>
Treuge auseinandergesetzt worden. Auch der in der<lb/>
Resolution geforderten Einrichtung einer Reife-<lb/>
prüfung vor einer Kommission, durch welche die<lb/>
Berechtigungen der höheren Mädchenschulen er-<lb/>
worben werden können, ist in Anbetracht dessen,<lb/>
daß in Kleinstädten beispielsweise durch Lehrer<lb/>
von höheren Knabenanstalten ev. Privatschul-<lb/>
zirkel für Mädchen abgehalten werden können, zu-<lb/>
zustimmen. <hi rendition="#aq">Last not least</hi> aber sollte immer da-<lb/>
hin gestrebt werden, daß das Lyzeum sich ganz und<lb/>
gar der Knabenrealschule angleiche mit denselben<lb/>
Berechtigungen wie diese. Die Annahme, daß die<lb/>
Bildungsgüter an sich nach Männlichkeit oder<lb/>
Weiblichkeit schaffenden Qualitäten ausgewählt<lb/>
werden könnten und daß die Frau durch die Teil-<lb/>
nahme an der Männerbildung männlich werden<lb/>
würde, ist, wie Helene Lange treffend sagt, ein<lb/>
dilettantischer Aberglaube. Mit Recht betont sie,<lb/>
daß im Gegenteil, soweit eine organische seelische<lb/>
Differenziertheit der Geschlechter besteht, sie sich<lb/>
um so deutlicher und bewußter aussprechen, um so<lb/>
feiner entwickeln wird, je reicher das Material ge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0132] einspringen müssen wie für die Knaben, daß die Ausbreitung der Mädchenmittelschule erwünscht ist, die mit ihrem festumrissenen Lehrplan und klarer Zielsetzung der sogenannten höheren Mädchenschule oft vorzuziehen ist, ist auf der Tagung des Zentralverbandes von Margarete Treuge auseinandergesetzt worden. Auch der in der Resolution geforderten Einrichtung einer Reife- prüfung vor einer Kommission, durch welche die Berechtigungen der höheren Mädchenschulen er- worben werden können, ist in Anbetracht dessen, daß in Kleinstädten beispielsweise durch Lehrer von höheren Knabenanstalten ev. Privatschul- zirkel für Mädchen abgehalten werden können, zu- zustimmen. Last not least aber sollte immer da- hin gestrebt werden, daß das Lyzeum sich ganz und gar der Knabenrealschule angleiche mit denselben Berechtigungen wie diese. Die Annahme, daß die Bildungsgüter an sich nach Männlichkeit oder Weiblichkeit schaffenden Qualitäten ausgewählt werden könnten und daß die Frau durch die Teil- nahme an der Männerbildung männlich werden würde, ist, wie Helene Lange treffend sagt, ein dilettantischer Aberglaube. Mit Recht betont sie, daß im Gegenteil, soweit eine organische seelische Differenziertheit der Geschlechter besteht, sie sich um so deutlicher und bewußter aussprechen, um so feiner entwickeln wird, je reicher das Material ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-12-07T10:34:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-12-07T10:34:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/132
Zitationshilfe: Ichenhaeuser, Eliza: Frauenziele. Berlin, 1913, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ichenhaeuser_frauenziele_1913/132>, abgerufen am 27.11.2024.