nicht, giebt es nicht selbst eine große Menge gebil- deter und wohlhabender Deutscher, welche französisch, englisch und italienisch verstehen, und eben so ger- ne, ja oft noch lieber Bücher in diesen Sprachen, als in ihrer Muttersprache lesen? Sollten nicht diese Leute das, was sie mit großen Kosten erst aus Mailand, aus Paris, aus London sich ver- schreiben und worauf sie lange warten müßten, lie- ber aus dem weit nähern Leipzig beziehen? Das ist freilich nicht zu leugnen! sagt man. Aber was Brockhaus thut, verdient nicht Tadel, sondern Lob. Er wird von reinem Eifer für die Literatur beseelt; er wünscht die Deutschen bekannter mit den Meister- werken der Ausländer zu machen, und lieferte ih- nen deshalb wohlfeilere, ja manchmal sogar mit Uebersetzungen versehene Ausgaben. Jhm gebührt dafür der Dank jedes Deutschen. Damit stimme ich völlig ein. Allein Macklot ward von ähnlichem Eifer beseelt, als er das Conversationslexikon nach- druckte. Er wünschte seine unvermögendern Lands- leute, die den ziemlich hohen Preis für die Uraus- gabe nicht aufbringen konnten, mit diesem "klas- sischen" vaterländischen Werke gleichfalls bekannt zu machen, und lieferte es ihnen daher wohlfeiler und auf besserm Papier gedruckt, damit auch sie aus dem unerschöpflichen Quell der Weisheit und des Erkennntnisses sich ebenfalls möchten laben können. Wenn man also Brockhaus wegen seines
nicht, giebt es nicht ſelbſt eine große Menge gebil- deter und wohlhabender Deutſcher, welche franzoͤſiſch, engliſch und italieniſch verſtehen, und eben ſo ger- ne, ja oft noch lieber Buͤcher in dieſen Sprachen, als in ihrer Mutterſprache leſen? Sollten nicht dieſe Leute das, was ſie mit großen Koſten erſt aus Mailand, aus Paris, aus London ſich ver- ſchreiben und worauf ſie lange warten muͤßten, lie- ber aus dem weit naͤhern Leipzig beziehen? Das iſt freilich nicht zu leugnen! ſagt man. Aber was Brockhaus thut, verdient nicht Tadel, ſondern Lob. Er wird von reinem Eifer fuͤr die Literatur beſeelt; er wuͤnſcht die Deutſchen bekannter mit den Meiſter- werken der Auslaͤnder zu machen, und lieferte ih- nen deshalb wohlfeilere, ja manchmal ſogar mit Ueberſetzungen verſehene Ausgaben. Jhm gebuͤhrt dafuͤr der Dank jedes Deutſchen. Damit ſtimme ich voͤllig ein. Allein Macklot ward von aͤhnlichem Eifer beſeelt, als er das Converſationslexikon nach- druckte. Er wuͤnſchte ſeine unvermoͤgendern Lands- leute, die den ziemlich hohen Preis fuͤr die Uraus- gabe nicht aufbringen konnten, mit dieſem »klaſ- ſiſchen« vaterlaͤndiſchen Werke gleichfalls bekannt zu machen, und lieferte es ihnen daher wohlfeiler und auf beſſerm Papier gedruckt, damit auch ſie aus dem unerſchoͤpflichen Quell der Weisheit und des Erkennntniſſes ſich ebenfalls moͤchten laben koͤnnen. Wenn man alſo Brockhaus wegen ſeines
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nicht, giebt es nicht ſelbſt eine große Menge gebil-
deter und wohlhabender Deutſcher, welche franzoͤſiſch,
engliſch und italieniſch verſtehen, und eben ſo ger-
ne, ja oft noch lieber Buͤcher in dieſen Sprachen,
als in ihrer Mutterſprache leſen? Sollten nicht
dieſe Leute das, was ſie mit großen Koſten erſt
aus Mailand, aus Paris, aus London ſich ver-
ſchreiben und worauf ſie lange warten muͤßten, lie-
ber aus dem weit naͤhern Leipzig beziehen? Das
iſt freilich nicht zu leugnen! ſagt man. Aber was
Brockhaus thut, verdient nicht Tadel, ſondern Lob.
Er wird von reinem Eifer fuͤr die Literatur beſeelt;
er wuͤnſcht die Deutſchen bekannter mit den Meiſter-
werken der Auslaͤnder zu machen, und lieferte ih-
nen deshalb wohlfeilere, ja manchmal ſogar mit
Ueberſetzungen verſehene Ausgaben. Jhm gebuͤhrt
dafuͤr der Dank jedes Deutſchen. Damit ſtimme
ich voͤllig ein. Allein Macklot ward von aͤhnlichem
Eifer beſeelt, als er das Converſationslexikon nach-
druckte. Er wuͤnſchte ſeine unvermoͤgendern Lands-
leute, die den ziemlich hohen Preis fuͤr die Uraus-
gabe nicht aufbringen konnten, mit dieſem »klaſ-
ſiſchen« vaterlaͤndiſchen Werke gleichfalls bekannt
zu machen, und lieferte es ihnen daher wohlfeiler
und auf beſſerm Papier gedruckt, damit auch ſie
aus dem unerſchoͤpflichen Quell der Weisheit und
des Erkennntniſſes ſich ebenfalls moͤchten laben
koͤnnen. Wenn man alſo Brockhaus wegen ſeines
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/95>, abgerufen am 24.11.2024.
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