Zuhörer, die dafür ihre Zahlung geleistet, bestimmt hatte. Handelt ja einer von beiden unsittlich und widerrechtlich, so ist es gewiß der Student; aber welcher Vernünftige hat je es gewagt, etwas Un- sittliches und Widerrechtliches darin finden zu wol- len? Würde der akademische Lehrer wegen dieser Benutzung seiner Vorlesungen den Studierenden ei- nes Mißbrauchs oder gar eines Diebstahls ankla- gen; so würde der letztere unstreitig erwiedern: "ich habe dir für deine Vorlesungen Dein Honorar baar und richtig bezahlt, Du hast nicht bedungen, daß ich sie nicht verleihen und nicht durch Abschriften vervielfältigen sollte. Sie sind mein Eigenthum, eben so gut, wie das Kompendium hier, wornach du gelesen hast. Dir gebührt nichts davon, als die Ehre der Urheber (Autor) zu seyn, die ich dir kei- neswegs bestreite. Ob Du ein Privatissimum oder ein Publikum lasest, ist mir gleichgültig. Wer Geld genug hat und daran wenden will, mag Dein Privatissimum hören; wer es nicht hat oder nicht dafür geben mag, dem leihe ich meine Hefte, oder lasse sie ihm für Geld und gute Worte abschreiben; denn sie sind mein Eigenthum, und ich kann sie daher vervielfältigen, so oft es mir beliebt." So würde der Studierende sprechen, wenn auch das Kollegium, welches der Herr Professor las, ein Privatissimum gewesen wäre; sollte nicht der Nachdrucker mit noch weit größerm Rechte dasselbe
Zuhoͤrer, die dafuͤr ihre Zahlung geleiſtet, beſtimmt hatte. Handelt ja einer von beiden unſittlich und widerrechtlich, ſo iſt es gewiß der Student; aber welcher Vernuͤnftige hat je es gewagt, etwas Un- ſittliches und Widerrechtliches darin finden zu wol- len? Wuͤrde der akademiſche Lehrer wegen dieſer Benutzung ſeiner Vorleſungen den Studierenden ei- nes Mißbrauchs oder gar eines Diebſtahls ankla- gen; ſo wuͤrde der letztere unſtreitig erwiedern: »ich habe dir fuͤr deine Vorleſungen Dein Honorar baar und richtig bezahlt, Du haſt nicht bedungen, daß ich ſie nicht verleihen und nicht durch Abſchriften vervielfaͤltigen ſollte. Sie ſind mein Eigenthum, eben ſo gut, wie das Kompendium hier, wornach du geleſen haſt. Dir gebuͤhrt nichts davon, als die Ehre der Urheber (Autor) zu ſeyn, die ich dir kei- neswegs beſtreite. Ob Du ein Privatiſſimum oder ein Publikum laſeſt, iſt mir gleichguͤltig. Wer Geld genug hat und daran wenden will, mag Dein Privatiſſimum hoͤren; wer es nicht hat oder nicht dafuͤr geben mag, dem leihe ich meine Hefte, oder laſſe ſie ihm fuͤr Geld und gute Worte abſchreiben; denn ſie ſind mein Eigenthum, und ich kann ſie daher vervielfaͤltigen, ſo oft es mir beliebt.« So wuͤrde der Studierende ſprechen, wenn auch das Kollegium, welches der Herr Profeſſor las, ein Privatiſſimum geweſen waͤre; ſollte nicht der Nachdrucker mit noch weit groͤßerm Rechte daſſelbe
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Zuhoͤrer, die dafuͤr ihre Zahlung geleiſtet, beſtimmt
hatte. Handelt ja einer von beiden unſittlich und
widerrechtlich, ſo iſt es gewiß der Student; aber
welcher Vernuͤnftige hat je es gewagt, etwas Un-
ſittliches und Widerrechtliches darin finden zu wol-
len? Wuͤrde der akademiſche Lehrer wegen dieſer
Benutzung ſeiner Vorleſungen den Studierenden ei-
nes Mißbrauchs oder gar eines Diebſtahls ankla-
gen; ſo wuͤrde der letztere unſtreitig erwiedern: »ich
habe dir fuͤr deine Vorleſungen Dein Honorar baar
und richtig bezahlt, Du haſt nicht bedungen, daß
ich ſie nicht verleihen und nicht durch Abſchriften
vervielfaͤltigen ſollte. Sie ſind mein Eigenthum, eben
ſo gut, wie das Kompendium hier, wornach du
geleſen haſt. Dir gebuͤhrt nichts davon, als die
Ehre der Urheber (Autor) zu ſeyn, die ich dir kei-
neswegs beſtreite. Ob Du ein Privatiſſimum oder
ein Publikum laſeſt, iſt mir gleichguͤltig. Wer Geld
genug hat und daran wenden will, mag Dein
Privatiſſimum hoͤren; wer es nicht hat oder nicht
dafuͤr geben mag, dem leihe ich meine Hefte, oder
laſſe ſie ihm fuͤr Geld und gute Worte abſchreiben;
denn ſie ſind mein Eigenthum, und ich kann ſie
daher vervielfaͤltigen, ſo oft es mir beliebt.« So
wuͤrde der Studierende ſprechen, wenn auch das
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Privatiſſimum geweſen waͤre; ſollte nicht der
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/66>, abgerufen am 24.11.2024.
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