Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

Verfasser," die so manche Feder darüber zerkauet
und zerstampft, so manchen kostbaren Bogen
Conceptpapier verschrieben haben, wenn jene Jdeen
und Ansichten, die sie dem Publikum blos als
Geheimnisse unter dem Siegel der streng-
sten Verschwiegenheit anvertrauen woll-
ten,
so daß jeder Käufer sie nur für seine
Person benutzen,
das heißt bezahlen und
lesen sollte, nicht allein muthwillig ausgeplaudert,
sondern sogar durch geschriebene und gedruckte Ko-
pieen in der ganzen Welt verbreitet werden? Sie
büßen ja dadurch offenbar die Aussicht ein, ihre
göttlichen Jdeen und Ansichten, die ihnen oft schon
das erste Mal um das Zehnfache zu theuer be-
zahlt wurden, noch zwanzig Mal verkaufen zu kön-
nen, und müssen, da sie sonst vielleicht zwanzig
Auflagen hätten machen können, sich mit neunzehn
begnügen. Hieraus wird ganz natürlich der größte
Nachtheil für die deutsche Literatur entspringen,
denn "die vortrefflichsten und besten un-
ter Deutschlands Schriftstellern,
" d. h.
diejenigen, denen es mehr um Ehrensold, als um
Ehre, mehr um Geld, als um die Aufklärung, das
Glück und das Vergnügen ihrer Mitbürger zu thun
ist, werden schweigen; die Literatur wird in
Verfall gerathen, weil jene "Herrlichen" sich
zurückziehen, und ganz Deutschland wird in die
stockfinsterste Barbarei gerathen.

Verfaſſer,« die ſo manche Feder daruͤber zerkauet
und zerſtampft, ſo manchen koſtbaren Bogen
Conceptpapier verſchrieben haben, wenn jene Jdeen
und Anſichten, die ſie dem Publikum blos als
Geheimniſſe unter dem Siegel der ſtreng-
ſten Verſchwiegenheit anvertrauen woll-
ten,
ſo daß jeder Kaͤufer ſie nur fuͤr ſeine
Perſon benutzen,
das heißt bezahlen und
leſen ſollte, nicht allein muthwillig ausgeplaudert,
ſondern ſogar durch geſchriebene und gedruckte Ko-
pieen in der ganzen Welt verbreitet werden? Sie
buͤßen ja dadurch offenbar die Ausſicht ein, ihre
goͤttlichen Jdeen und Anſichten, die ihnen oft ſchon
das erſte Mal um das Zehnfache zu theuer be-
zahlt wurden, noch zwanzig Mal verkaufen zu koͤn-
nen, und muͤſſen, da ſie ſonſt vielleicht zwanzig
Auflagen haͤtten machen koͤnnen, ſich mit neunzehn
begnuͤgen. Hieraus wird ganz natuͤrlich der groͤßte
Nachtheil fuͤr die deutſche Literatur entſpringen,
denn »die vortrefflichſten und beſten un-
ter Deutſchlands Schriftſtellern,
« d. h.
diejenigen, denen es mehr um Ehrenſold, als um
Ehre, mehr um Geld, als um die Aufklaͤrung, das
Gluͤck und das Vergnuͤgen ihrer Mitbuͤrger zu thun
iſt, werden ſchweigen; die Literatur wird in
Verfall gerathen, weil jene »Herrlichen« ſich
zuruͤckziehen, und ganz Deutſchland wird in die
ſtockfinſterſte Barbarei gerathen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0056" n="56"/>
Verfa&#x017F;&#x017F;er,« die &#x017F;o manche Feder daru&#x0364;ber zerkauet<lb/>
und zer&#x017F;tampft, &#x017F;o manchen <hi rendition="#g">ko&#x017F;tbaren</hi> Bogen<lb/>
Conceptpapier ver&#x017F;chrieben haben, wenn jene Jdeen<lb/>
und An&#x017F;ichten, die &#x017F;ie <hi rendition="#g">dem Publikum blos als<lb/>
Geheimni&#x017F;&#x017F;e unter dem Siegel der &#x017F;treng-<lb/>
&#x017F;ten Ver&#x017F;chwiegenheit anvertrauen woll-<lb/>
ten,</hi> &#x017F;o <hi rendition="#g">daß</hi> jeder Ka&#x0364;ufer &#x017F;ie nur <hi rendition="#g">fu&#x0364;r &#x017F;eine<lb/>
Per&#x017F;on benutzen,</hi> das heißt <hi rendition="#g">bezahlen</hi> und<lb/><hi rendition="#g">le&#x017F;en</hi> &#x017F;ollte, nicht allein muthwillig ausgeplaudert,<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;ogar durch ge&#x017F;chriebene und gedruckte Ko-<lb/>
pieen in der ganzen Welt verbreitet werden? Sie<lb/>
bu&#x0364;ßen ja dadurch offenbar die Aus&#x017F;icht ein, ihre<lb/>
go&#x0364;ttlichen Jdeen und An&#x017F;ichten, die ihnen oft &#x017F;chon<lb/>
das er&#x017F;te Mal um das Zehnfache zu theuer be-<lb/>
zahlt wurden, noch zwanzig Mal verkaufen zu ko&#x0364;n-<lb/>
nen, und mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, da &#x017F;ie &#x017F;on&#x017F;t vielleicht zwanzig<lb/>
Auflagen ha&#x0364;tten machen ko&#x0364;nnen, &#x017F;ich mit neunzehn<lb/>
begnu&#x0364;gen. Hieraus wird ganz natu&#x0364;rlich der gro&#x0364;ßte<lb/>
Nachtheil fu&#x0364;r die deut&#x017F;che Literatur ent&#x017F;pringen,<lb/>
denn »<hi rendition="#g">die vortrefflich&#x017F;ten und be&#x017F;ten un-<lb/>
ter Deut&#x017F;chlands Schrift&#x017F;tellern,</hi>« d. h.<lb/>
diejenigen, denen es mehr um Ehren&#x017F;old, als um<lb/>
Ehre, mehr um Geld, als um die Aufkla&#x0364;rung, das<lb/>
Glu&#x0364;ck und das Vergnu&#x0364;gen ihrer Mitbu&#x0364;rger zu thun<lb/>
i&#x017F;t, werden <hi rendition="#g">&#x017F;chweigen;</hi> die Literatur wird in<lb/>
Verfall gerathen, weil jene »<hi rendition="#g">Herrlichen</hi>« &#x017F;ich<lb/>
zuru&#x0364;ckziehen, und ganz Deut&#x017F;chland wird in die<lb/>
&#x017F;tockfin&#x017F;ter&#x017F;te Barbarei gerathen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0056] Verfaſſer,« die ſo manche Feder daruͤber zerkauet und zerſtampft, ſo manchen koſtbaren Bogen Conceptpapier verſchrieben haben, wenn jene Jdeen und Anſichten, die ſie dem Publikum blos als Geheimniſſe unter dem Siegel der ſtreng- ſten Verſchwiegenheit anvertrauen woll- ten, ſo daß jeder Kaͤufer ſie nur fuͤr ſeine Perſon benutzen, das heißt bezahlen und leſen ſollte, nicht allein muthwillig ausgeplaudert, ſondern ſogar durch geſchriebene und gedruckte Ko- pieen in der ganzen Welt verbreitet werden? Sie buͤßen ja dadurch offenbar die Ausſicht ein, ihre goͤttlichen Jdeen und Anſichten, die ihnen oft ſchon das erſte Mal um das Zehnfache zu theuer be- zahlt wurden, noch zwanzig Mal verkaufen zu koͤn- nen, und muͤſſen, da ſie ſonſt vielleicht zwanzig Auflagen haͤtten machen koͤnnen, ſich mit neunzehn begnuͤgen. Hieraus wird ganz natuͤrlich der groͤßte Nachtheil fuͤr die deutſche Literatur entſpringen, denn »die vortrefflichſten und beſten un- ter Deutſchlands Schriftſtellern,« d. h. diejenigen, denen es mehr um Ehrenſold, als um Ehre, mehr um Geld, als um die Aufklaͤrung, das Gluͤck und das Vergnuͤgen ihrer Mitbuͤrger zu thun iſt, werden ſchweigen; die Literatur wird in Verfall gerathen, weil jene »Herrlichen« ſich zuruͤckziehen, und ganz Deutſchland wird in die ſtockfinſterſte Barbarei gerathen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/56
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/56>, abgerufen am 24.11.2024.