mit der Lehre von der Legitimität. Monarchenmo- ral ist doch keine Moral der Spinnen, von denen jede größere das Recht hat, die kleinere zu ver- schlingen, um nach hundert Jahren ein köstlicher Diamant zu werden?
Betrachtet man hingegen die Vermittelbarung jener kleinen Herren von Gottes Gnaden aus einem etwas carbonarischen Gesichtspunkte; so er- scheint sie gar nicht so ungerecht, als unter der Brille der Legitimität. Den Völkern gebührt das Recht zu bestimmen, wer sie regieren soll, und nach welchen Normen sie regiert seyn wollen. Die- ser Grundsatz steht unerschütterlich fest, und selbst unsere erhabenen Monarchen haben ihn durch mehr als tausend sprechende Thatsachen bestätigt. Hätten sie sonst wohl die durch die Völker vollbrachte Ent- thronung Napoleons, seiner Brüder und Schwäger gut heißen, und die Unterthanen dieser Monarchen selbst durch so manche Aufrufe, welche noch jetzt als klassische Meisterwerke der Redekunst bewun- dert werden, dazu veranlassen können? Waren nicht die Napoleoniden von ihnen als legitime Fürsten anerkannt, und gestanden sie nicht den Völkern, indem sie dieselben von aller Verbindlich- keit gegen jene Monarchen lossprachen, und sie zur Abwerfung des Zwingherrnjochs anreizten, die Be- fugniß zu, einem legitimen Souverän die ihm übertragene höchste Gewalt wieder zu nehmen? Jst
mit der Lehre von der Legitimitaͤt. Monarchenmo- ral iſt doch keine Moral der Spinnen, von denen jede groͤßere das Recht hat, die kleinere zu ver- ſchlingen, um nach hundert Jahren ein koͤſtlicher Diamant zu werden?
Betrachtet man hingegen die Vermittelbarung jener kleinen Herren von Gottes Gnaden aus einem etwas carbonariſchen Geſichtspunkte; ſo er- ſcheint ſie gar nicht ſo ungerecht, als unter der Brille der Legitimitaͤt. Den Voͤlkern gebuͤhrt das Recht zu beſtimmen, wer ſie regieren ſoll, und nach welchen Normen ſie regiert ſeyn wollen. Die- ſer Grundſatz ſteht unerſchuͤtterlich feſt, und ſelbſt unſere erhabenen Monarchen haben ihn durch mehr als tauſend ſprechende Thatſachen beſtaͤtigt. Haͤtten ſie ſonſt wohl die durch die Voͤlker vollbrachte Ent- thronung Napoleons, ſeiner Bruͤder und Schwaͤger gut heißen, und die Unterthanen dieſer Monarchen ſelbſt durch ſo manche Aufrufe, welche noch jetzt als klaſſiſche Meiſterwerke der Redekunſt bewun- dert werden, dazu veranlaſſen koͤnnen? Waren nicht die Napoleoniden von ihnen als legitime Fuͤrſten anerkannt, und geſtanden ſie nicht den Voͤlkern, indem ſie dieſelben von aller Verbindlich- keit gegen jene Monarchen losſprachen, und ſie zur Abwerfung des Zwingherrnjochs anreizten, die Be- fugniß zu, einem legitimen Souveraͤn die ihm uͤbertragene hoͤchſte Gewalt wieder zu nehmen? Jſt
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mit der Lehre von der Legitimitaͤt. Monarchenmo-
ral iſt doch keine Moral der Spinnen, von denen
jede groͤßere das Recht hat, die kleinere zu ver-
ſchlingen, um nach hundert Jahren ein koͤſtlicher
Diamant zu werden?
Betrachtet man hingegen die Vermittelbarung
jener kleinen Herren von Gottes Gnaden aus
einem etwas carbonariſchen Geſichtspunkte; ſo er-
ſcheint ſie gar nicht ſo ungerecht, als unter der
Brille der Legitimitaͤt. Den Voͤlkern gebuͤhrt das
Recht zu beſtimmen, wer ſie regieren ſoll, und
nach welchen Normen ſie regiert ſeyn wollen. Die-
ſer Grundſatz ſteht unerſchuͤtterlich feſt, und ſelbſt
unſere erhabenen Monarchen haben ihn durch mehr
als tauſend ſprechende Thatſachen beſtaͤtigt. Haͤtten
ſie ſonſt wohl die durch die Voͤlker vollbrachte Ent-
thronung Napoleons, ſeiner Bruͤder und Schwaͤger
gut heißen, und die Unterthanen dieſer Monarchen
ſelbſt durch ſo manche Aufrufe, welche noch jetzt
als klaſſiſche Meiſterwerke der Redekunſt bewun-
dert werden, dazu veranlaſſen koͤnnen? Waren
nicht die Napoleoniden von ihnen als legitime
Fuͤrſten anerkannt, und geſtanden ſie nicht den
Voͤlkern, indem ſie dieſelben von aller Verbindlich-
keit gegen jene Monarchen losſprachen, und ſie zur
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fugniß zu, einem legitimen Souveraͤn die ihm
uͤbertragene hoͤchſte Gewalt wieder zu nehmen? Jſt
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/356>, abgerufen am 24.11.2024.
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