almanach und manche Zeitschrift schmückten, und noch jetzt mehr werth sind, als ganze Ballen von Gedichten, Legenden, Volkssagen und Mährchen, womit jede Leipziger Büchermesse ganz Deutschland überschwemmt. Wäre Klopstock nicht der Herr Vetter dieses Dichters gewesen, so hätte er nie ei- nen Vers gemacht, oder gar drucken lassen. Sollte nicht auf ähnliche Art das Andenken an große und gute Vorfahren und Verwandte auch auf das Sitt- liche des Menschen einwirken können? Und sollte man daher nicht manchem Edelmann eine kleine Eitelkeit auf die Verdienste seiner Vorfahren zu Gute halten, wenn anders diese Verdienste nur nicht, wie sehr häufig der Fall war, in Straßen- raub, Nothzucht, Ausübung des Rechts der ersten Nacht, Bauern- und Bürgerquälerei und derglei- chen Unbillen bestanden?
Wenn man aber weiß, daß nicht allein von den Ahnherren manches Edelmannes, sondern selbst manches legitimen Prinzen nichts weiter zu rühmen ist, als daß sie, begünstigt vom Dunkel grauer Jahrhunderte, trotz aller ihrer Räubereien und Bubenstücke, dem Schwert, dem Galgen, dem Ra- de, dem Staupbesen und Brandmahl glücklich ent- wischten, welche sie doch mit besserm Rechte, als ihre Nachkommen Ordensbänder, Sterne und -- Diademe, verdient hatten; daß sie blos durch Rauben und Morden, durch Sengen und Brennen,
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almanach und manche Zeitſchrift ſchmuͤckten, und noch jetzt mehr werth ſind, als ganze Ballen von Gedichten, Legenden, Volksſagen und Maͤhrchen, womit jede Leipziger Buͤchermeſſe ganz Deutſchland uͤberſchwemmt. Waͤre Klopſtock nicht der Herr Vetter dieſes Dichters geweſen, ſo haͤtte er nie ei- nen Vers gemacht, oder gar drucken laſſen. Sollte nicht auf aͤhnliche Art das Andenken an große und gute Vorfahren und Verwandte auch auf das Sitt- liche des Menſchen einwirken koͤnnen? Und ſollte man daher nicht manchem Edelmann eine kleine Eitelkeit auf die Verdienſte ſeiner Vorfahren zu Gute halten, wenn anders dieſe Verdienſte nur nicht, wie ſehr haͤufig der Fall war, in Straßen- raub, Nothzucht, Ausuͤbung des Rechts der erſten Nacht, Bauern- und Buͤrgerquaͤlerei und derglei- chen Unbillen beſtanden?
Wenn man aber weiß, daß nicht allein von den Ahnherren manches Edelmannes, ſondern ſelbſt manches legitimen Prinzen nichts weiter zu ruͤhmen iſt, als daß ſie, beguͤnſtigt vom Dunkel grauer Jahrhunderte, trotz aller ihrer Raͤubereien und Bubenſtuͤcke, dem Schwert, dem Galgen, dem Ra- de, dem Staupbeſen und Brandmahl gluͤcklich ent- wiſchten, welche ſie doch mit beſſerm Rechte, als ihre Nachkommen Ordensbaͤnder, Sterne und — Diademe, verdient hatten; daß ſie blos durch Rauben und Morden, durch Sengen und Brennen,
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almanach und manche Zeitſchrift ſchmuͤckten, und
noch jetzt mehr werth ſind, als ganze Ballen von
Gedichten, Legenden, Volksſagen und Maͤhrchen,
womit jede Leipziger Buͤchermeſſe ganz Deutſchland
uͤberſchwemmt. Waͤre Klopſtock nicht der Herr
Vetter dieſes Dichters geweſen, ſo haͤtte er nie ei-
nen Vers gemacht, oder gar drucken laſſen. Sollte
nicht auf aͤhnliche Art das Andenken an große und
gute Vorfahren und Verwandte auch auf das Sitt-
liche des Menſchen einwirken koͤnnen? Und ſollte
man daher nicht manchem Edelmann eine kleine
Eitelkeit auf die Verdienſte ſeiner Vorfahren zu
Gute halten, wenn anders dieſe Verdienſte nur
nicht, wie ſehr haͤufig der Fall war, in Straßen-
raub, Nothzucht, Ausuͤbung des Rechts der erſten
Nacht, Bauern- und Buͤrgerquaͤlerei und derglei-
chen Unbillen beſtanden?
Wenn man aber weiß, daß nicht allein von
den Ahnherren manches Edelmannes, ſondern ſelbſt
manches legitimen Prinzen nichts weiter zu ruͤhmen
iſt, als daß ſie, beguͤnſtigt vom Dunkel grauer
Jahrhunderte, trotz aller ihrer Raͤubereien und
Bubenſtuͤcke, dem Schwert, dem Galgen, dem Ra-
de, dem Staupbeſen und Brandmahl gluͤcklich ent-
wiſchten, welche ſie doch mit beſſerm Rechte, als
ihre Nachkommen Ordensbaͤnder, Sterne und —
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/331>, abgerufen am 22.11.2024.
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