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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

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Geistlichen, welche doch keine Familien zu versor-
gen haben, verschließen ihre Thüren und Herzen
eben sowohl dem Dürftigen, wie manche Prote-
stanten.

Freilich glaube' ich, daß wer dem Altar dient,
auch vom Altar leben müsse, und daß jeder Schä-
fer befugt sey, seine Schafe so gut zu scheren, wie
ers vermag; allein mir scheint es doch grausam,
wenn der Pfarrer einem Verstorbenen den letzten
Liebesdienst, das Begräbniß, verweigert, weil die
arme Wittwe und ihre noch unerzogenen Waisen
nicht im Stande sind, ihrem Seelsorger die Ge-
bühren dafür zu entrichten. *) Mir scheint es
grausam, wenn der fromme Seelenhirt der Witt-
we und den Waisen ihr letztes Lager entreißt, um
sich für seine geistlichen Sporteln bezahlt zu machen.
Möge der Schäfer immerhin seine Schafe scheeren,
nur muß er nicht das Fleisch zugleich mit der Wol-
le hinwegschneiden.

Sehr
*) Ein solcher Fall, welcher sich im Meklenburgischen
zutrug, wird ausführlich in Schlözers Staatsan-
zeigen -- ich weiß nicht, in welchem Bande -- er-
zählt. Den Namen des Pfarrers, den ich persönlich
als einen sehr rauhen Geizhals gekannt habe, nenne
ich hier nicht; er ist todt und seine Asche möge in
Frieden ruhen. Jn jenem Werke aber ist er, wo
ich nicht irre, mit seinem ganzen Namen genannt.

Geiſtlichen, welche doch keine Familien zu verſor-
gen haben, verſchließen ihre Thuͤren und Herzen
eben ſowohl dem Duͤrftigen, wie manche Prote-
ſtanten.

Freilich glaube’ ich, daß wer dem Altar dient,
auch vom Altar leben muͤſſe, und daß jeder Schaͤ-
fer befugt ſey, ſeine Schafe ſo gut zu ſcheren, wie
ers vermag; allein mir ſcheint es doch grauſam,
wenn der Pfarrer einem Verſtorbenen den letzten
Liebesdienſt, das Begraͤbniß, verweigert, weil die
arme Wittwe und ihre noch unerzogenen Waiſen
nicht im Stande ſind, ihrem Seelſorger die Ge-
buͤhren dafuͤr zu entrichten. *) Mir ſcheint es
grauſam, wenn der fromme Seelenhirt der Witt-
we und den Waiſen ihr letztes Lager entreißt, um
ſich fuͤr ſeine geiſtlichen Sporteln bezahlt zu machen.
Moͤge der Schaͤfer immerhin ſeine Schafe ſcheeren,
nur muß er nicht das Fleiſch zugleich mit der Wol-
le hinwegſchneiden.

Sehr
*) Ein ſolcher Fall, welcher ſich im Meklenburgiſchen
zutrug, wird ausfuͤhrlich in Schloͤzers Staatsan-
zeigen — ich weiß nicht, in welchem Bande — er-
zaͤhlt. Den Namen des Pfarrers, den ich perſoͤnlich
als einen ſehr rauhen Geizhals gekannt habe, nenne
ich hier nicht; er iſt todt und ſeine Aſche moͤge in
Frieden ruhen. Jn jenem Werke aber iſt er, wo
ich nicht irre, mit ſeinem ganzen Namen genannt.
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[264/0264] Geiſtlichen, welche doch keine Familien zu verſor- gen haben, verſchließen ihre Thuͤren und Herzen eben ſowohl dem Duͤrftigen, wie manche Prote- ſtanten. Freilich glaube’ ich, daß wer dem Altar dient, auch vom Altar leben muͤſſe, und daß jeder Schaͤ- fer befugt ſey, ſeine Schafe ſo gut zu ſcheren, wie ers vermag; allein mir ſcheint es doch grauſam, wenn der Pfarrer einem Verſtorbenen den letzten Liebesdienſt, das Begraͤbniß, verweigert, weil die arme Wittwe und ihre noch unerzogenen Waiſen nicht im Stande ſind, ihrem Seelſorger die Ge- buͤhren dafuͤr zu entrichten. *) Mir ſcheint es grauſam, wenn der fromme Seelenhirt der Witt- we und den Waiſen ihr letztes Lager entreißt, um ſich fuͤr ſeine geiſtlichen Sporteln bezahlt zu machen. Moͤge der Schaͤfer immerhin ſeine Schafe ſcheeren, nur muß er nicht das Fleiſch zugleich mit der Wol- le hinwegſchneiden. Sehr *) Ein ſolcher Fall, welcher ſich im Meklenburgiſchen zutrug, wird ausfuͤhrlich in Schloͤzers Staatsan- zeigen — ich weiß nicht, in welchem Bande — er- zaͤhlt. Den Namen des Pfarrers, den ich perſoͤnlich als einen ſehr rauhen Geizhals gekannt habe, nenne ich hier nicht; er iſt todt und ſeine Aſche moͤge in Frieden ruhen. Jn jenem Werke aber iſt er, wo ich nicht irre, mit ſeinem ganzen Namen genannt.

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Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/264>, abgerufen am 22.11.2024.