und kenne deren noch viele, die sorgfältig ihre Hausthüren verriegeln, damit kein Armer ihre Schwelle überschreiten, sie in ihren gottseligen Träumen stören, und sie zu einer unbedeutenden Ausgabe auffodern möge. Ja, ich kenne sogar hier in der Schweiz einen Pfarrer, der unmenschlich genug war, einen solchen Unglücklichen, der aus Mangel am Gehör nicht gleich gieng, als man ihm die höflich erbetene Gabe verweigert hatte, von der Treppe herunter stürzte, so daß er sich einen Arm verrenkte, und ins Spital gebracht wer- den mußte. Auch jetzt that der geistliche Barbar nichts, um sein Unrecht einigermaaßen wieder gut zu machen, er war schamlos genug, wenige Sonn- tage nachher die Pflichten der Menschen- und Bru- derliebe seiner Gemeine recht kräftig ans Herz zu legen. Jedermann wandte sich voll Unwillen von ihm hinweg, und so gut seine Rede vielleicht seyn mochte, so zweifle ich doch, daß sie in irgend ei- nem der Zuhörer einen frommen Entschluß geweckt habe.
Man wende mir nicht ein, daß viele Pfarren so schlecht und wenig einträglich sind, daß dem Prediger es unmöglich ist, Wohlthaten an Arme und Nothleidende zu spenden, wenn er nicht selbst mit den Seinigen darben will. Gewöhnlich sind die Jnhaber der ergiebigsten Pfründen gerade die hartherzigsten und geizigsten, und die katholischen
und kenne deren noch viele, die ſorgfaͤltig ihre Hausthuͤren verriegeln, damit kein Armer ihre Schwelle uͤberſchreiten, ſie in ihren gottſeligen Traͤumen ſtoͤren, und ſie zu einer unbedeutenden Ausgabe auffodern moͤge. Ja, ich kenne ſogar hier in der Schweiz einen Pfarrer, der unmenſchlich genug war, einen ſolchen Ungluͤcklichen, der aus Mangel am Gehoͤr nicht gleich gieng, als man ihm die hoͤflich erbetene Gabe verweigert hatte, von der Treppe herunter ſtuͤrzte, ſo daß er ſich einen Arm verrenkte, und ins Spital gebracht wer- den mußte. Auch jetzt that der geiſtliche Barbar nichts, um ſein Unrecht einigermaaßen wieder gut zu machen, er war ſchamlos genug, wenige Sonn- tage nachher die Pflichten der Menſchen- und Bru- derliebe ſeiner Gemeine recht kraͤftig ans Herz zu legen. Jedermann wandte ſich voll Unwillen von ihm hinweg, und ſo gut ſeine Rede vielleicht ſeyn mochte, ſo zweifle ich doch, daß ſie in irgend ei- nem der Zuhoͤrer einen frommen Entſchluß geweckt habe.
Man wende mir nicht ein, daß viele Pfarren ſo ſchlecht und wenig eintraͤglich ſind, daß dem Prediger es unmoͤglich iſt, Wohlthaten an Arme und Nothleidende zu ſpenden, wenn er nicht ſelbſt mit den Seinigen darben will. Gewoͤhnlich ſind die Jnhaber der ergiebigſten Pfruͤnden gerade die hartherzigſten und geizigſten, und die katholiſchen
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und kenne deren noch viele, die ſorgfaͤltig ihre
Hausthuͤren verriegeln, damit kein Armer ihre
Schwelle uͤberſchreiten, ſie in ihren gottſeligen
Traͤumen ſtoͤren, und ſie zu einer unbedeutenden
Ausgabe auffodern moͤge. Ja, ich kenne ſogar
hier in der Schweiz einen Pfarrer, der unmenſchlich
genug war, einen ſolchen Ungluͤcklichen, der aus
Mangel am Gehoͤr nicht gleich gieng, als man
ihm die hoͤflich erbetene Gabe verweigert hatte,
von der Treppe herunter ſtuͤrzte, ſo daß er ſich
einen Arm verrenkte, und ins Spital gebracht wer-
den mußte. Auch jetzt that der geiſtliche Barbar
nichts, um ſein Unrecht einigermaaßen wieder gut
zu machen, er war ſchamlos genug, wenige Sonn-
tage nachher die Pflichten der Menſchen- und Bru-
derliebe ſeiner Gemeine recht kraͤftig ans Herz zu
legen. Jedermann wandte ſich voll Unwillen von
ihm hinweg, und ſo gut ſeine Rede vielleicht ſeyn
mochte, ſo zweifle ich doch, daß ſie in irgend ei-
nem der Zuhoͤrer einen frommen Entſchluß geweckt
habe.
Man wende mir nicht ein, daß viele Pfarren
ſo ſchlecht und wenig eintraͤglich ſind, daß dem
Prediger es unmoͤglich iſt, Wohlthaten an Arme
und Nothleidende zu ſpenden, wenn er nicht ſelbſt
mit den Seinigen darben will. Gewoͤhnlich ſind
die Jnhaber der ergiebigſten Pfruͤnden gerade die
hartherzigſten und geizigſten, und die katholiſchen
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/263>, abgerufen am 22.11.2024.
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