Mensch von einem Unglück betroffen wird, da ist es gewöhnlich die Hand der göttlichen Gerechtigkeit, die das Böse bestraft. Jst es einer von ihren Leu- ten, ein Stiller im Lande, welchem ein Unfall be- gegnet, so ist es Züchtigung von oben herab, denn "wen der Herr lieb hat, den züchtiget er!" Jst ein Jrrgläubiger, ein Aufklärer, ein Freigeist in seinen Unternehmungen oder sonst irgendwo glücklich, dann läßt der Herr es geschehen, um ihn durch Güte vielleicht noch zu sich zu ziehen, oder um sein Maaß ihm recht voll zu machen. So waren diese Blindschleichen zu allen Zeiten die Dollmetscher der guten und schlimmen Ereignisse, die sich in Hinsicht ganzer Völker oder einzelner Menschen zutrugen. Sie haben im Rathe der Wächter gesessen; sie wissen immer genau, warum Gott an einem Orte Regen und an dem andern Sonnenschein gab; und verstehen meisterhaft die Kunst, jedes Glück und jedes Un- glück auf die heimtückischste Weise zum Nachtheil de- rer zu deuten, die von ihnen gehaßt sind, und ih- ren lieblosen Deutungen bei hohem und niedrigem Pöbel Eingang und das Ansehen von Göttersprü- chen zu verschaffen. Wehe dem, der unter die Nat- ternzunge oder unter die giftige Feder eines Pfaf- fen geräth; Meine Seele komme nicht in ihren Rath und meine Ehre sei nicht in ihrer Kirche! sagte schon Jakob, so wenig er selbst etwas taugte, von sei- nem Sohn Levi, und diß gilt noch von unsern heu-
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Menſch von einem Ungluͤck betroffen wird, da iſt es gewoͤhnlich die Hand der goͤttlichen Gerechtigkeit, die das Boͤſe beſtraft. Jſt es einer von ihren Leu- ten, ein Stiller im Lande, welchem ein Unfall be- gegnet, ſo iſt es Zuͤchtigung von oben herab, denn »wen der Herr lieb hat, den zuͤchtiget er!‟ Jſt ein Jrrglaͤubiger, ein Aufklaͤrer, ein Freigeiſt in ſeinen Unternehmungen oder ſonſt irgendwo gluͤcklich, dann laͤßt der Herr es geſchehen, um ihn durch Guͤte vielleicht noch zu ſich zu ziehen, oder um ſein Maaß ihm recht voll zu machen. So waren dieſe Blindſchleichen zu allen Zeiten die Dollmetſcher der guten und ſchlimmen Ereigniſſe, die ſich in Hinſicht ganzer Voͤlker oder einzelner Menſchen zutrugen. Sie haben im Rathe der Waͤchter geſeſſen; ſie wiſſen immer genau, warum Gott an einem Orte Regen und an dem andern Sonnenſchein gab; und verſtehen meiſterhaft die Kunſt, jedes Gluͤck und jedes Un- gluͤck auf die heimtuͤckiſchſte Weiſe zum Nachtheil de- rer zu deuten, die von ihnen gehaßt ſind, und ih- ren liebloſen Deutungen bei hohem und niedrigem Poͤbel Eingang und das Anſehen von Goͤtterſpruͤ- chen zu verſchaffen. Wehe dem, der unter die Nat- ternzunge oder unter die giftige Feder eines Pfaf- fen geraͤth; Meine Seele komme nicht in ihren Rath und meine Ehre ſei nicht in ihrer Kirche! ſagte ſchon Jakob, ſo wenig er ſelbſt etwas taugte, von ſei- nem Sohn Levi, und diß gilt noch von unſern heu-
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Menſch von einem Ungluͤck betroffen wird, da iſt
es gewoͤhnlich die Hand der goͤttlichen Gerechtigkeit,
die das Boͤſe beſtraft. Jſt es einer von ihren Leu-
ten, ein Stiller im Lande, welchem ein Unfall be-
gegnet, ſo iſt es Zuͤchtigung von oben herab, denn
»wen der Herr lieb hat, den zuͤchtiget er!‟ Jſt ein
Jrrglaͤubiger, ein Aufklaͤrer, ein Freigeiſt in ſeinen
Unternehmungen oder ſonſt irgendwo gluͤcklich, dann
laͤßt der Herr es geſchehen, um ihn durch Guͤte
vielleicht noch zu ſich zu ziehen, oder um ſein
Maaß ihm recht voll zu machen. So waren dieſe
Blindſchleichen zu allen Zeiten die Dollmetſcher der
guten und ſchlimmen Ereigniſſe, die ſich in Hinſicht
ganzer Voͤlker oder einzelner Menſchen zutrugen. Sie
haben im Rathe der Waͤchter geſeſſen; ſie wiſſen immer
genau, warum Gott an einem Orte Regen und
an dem andern Sonnenſchein gab; und verſtehen
meiſterhaft die Kunſt, jedes Gluͤck und jedes Un-
gluͤck auf die heimtuͤckiſchſte Weiſe zum Nachtheil de-
rer zu deuten, die von ihnen gehaßt ſind, und ih-
ren liebloſen Deutungen bei hohem und niedrigem
Poͤbel Eingang und das Anſehen von Goͤtterſpruͤ-
chen zu verſchaffen. Wehe dem, der unter die Nat-
ternzunge oder unter die giftige Feder eines Pfaf-
fen geraͤth; Meine Seele komme nicht in ihren Rath
und meine Ehre ſei nicht in ihrer Kirche! ſagte ſchon
Jakob, ſo wenig er ſelbſt etwas taugte, von ſei-
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/243>, abgerufen am 22.12.2024.
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