unsere Volkslehrer, wenn sie anders nicht den Na- men weißer Rabbiner verdienen wollen, nicht bloß ihre Zuhörer über die Pflichten der Menschen, sondern auch über die Rechte derselben belehren, nicht immer von der Unwürdigkeit der armen Sün- der, sondern auch von ihrer Würde als vernünf- tige, zu höherer Veredlung erschaffene Wesen etwas sagen. Ein Volkslehrer, der seinen Eingepfarrten keine schöneren Tugenden anzupreisen weiß, als die Demuth, die Zerknirschung des Herzens, die Ge- duld, den leidenden, blinden Gehorsam gegen die Befehle der Obern, die Beobachtung der kirchli- chen Gebräuche und dergleichen, erwirbt sich wahr- lich um die Bildung seiner Gemeine ein schlechtes Verdienst. Nur der Mensch, der seine Würde und seine Rechte als Mensch erkennt und fühlt, vermag es sich zu einer höhern Stufe von Sittlichkeit zu erheben, welche dem, der sich selbst als ein verächt- liches, bloß zum Dulden und zum blinden Gehor- chen und Glauben erschaffenes Wesen betrachtet, zu ersteigen unmöglich ist.
Was schon Christus an den jüdischen Phari- säern so oft und so bitter tadelte, die leidige Hei- ligthuerei, war von jeher und ist noch jetzt eins der beliebtesten und kräftigsten Mittel christlicher Bonzen, um sich bei der Welt in Ansehen zu setzen. Richtet nicht, so werdet Jhr auch nicht gerichtet! Verdammet nicht, so werdet Jhr auch nicht ver-
unſere Volkslehrer, wenn ſie anders nicht den Na- men weißer Rabbiner verdienen wollen, nicht bloß ihre Zuhoͤrer uͤber die Pflichten der Menſchen, ſondern auch uͤber die Rechte derſelben belehren, nicht immer von der Unwuͤrdigkeit der armen Suͤn- der, ſondern auch von ihrer Wuͤrde als vernuͤnf- tige, zu hoͤherer Veredlung erſchaffene Weſen etwas ſagen. Ein Volkslehrer, der ſeinen Eingepfarrten keine ſchoͤneren Tugenden anzupreiſen weiß, als die Demuth, die Zerknirſchung des Herzens, die Ge- duld, den leidenden, blinden Gehorſam gegen die Befehle der Obern, die Beobachtung der kirchli- chen Gebraͤuche und dergleichen, erwirbt ſich wahr- lich um die Bildung ſeiner Gemeine ein ſchlechtes Verdienſt. Nur der Menſch, der ſeine Wuͤrde und ſeine Rechte als Menſch erkennt und fuͤhlt, vermag es ſich zu einer hoͤhern Stufe von Sittlichkeit zu erheben, welche dem, der ſich ſelbſt als ein veraͤcht- liches, bloß zum Dulden und zum blinden Gehor- chen und Glauben erſchaffenes Weſen betrachtet, zu erſteigen unmoͤglich iſt.
Was ſchon Chriſtus an den juͤdiſchen Phari- ſaͤern ſo oft und ſo bitter tadelte, die leidige Hei- ligthuerei, war von jeher und iſt noch jetzt eins der beliebteſten und kraͤftigſten Mittel chriſtlicher Bonzen, um ſich bei der Welt in Anſehen zu ſetzen. Richtet nicht, ſo werdet Jhr auch nicht gerichtet! Verdammet nicht, ſo werdet Jhr auch nicht ver-
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unſere Volkslehrer, wenn ſie anders nicht den Na-
men weißer Rabbiner verdienen wollen, nicht bloß
ihre Zuhoͤrer uͤber die Pflichten der Menſchen,
ſondern auch uͤber die Rechte derſelben belehren,
nicht immer von der Unwuͤrdigkeit der armen Suͤn-
der, ſondern auch von ihrer Wuͤrde als vernuͤnf-
tige, zu hoͤherer Veredlung erſchaffene Weſen etwas
ſagen. Ein Volkslehrer, der ſeinen Eingepfarrten
keine ſchoͤneren Tugenden anzupreiſen weiß, als die
Demuth, die Zerknirſchung des Herzens, die Ge-
duld, den leidenden, blinden Gehorſam gegen die
Befehle der Obern, die Beobachtung der kirchli-
chen Gebraͤuche und dergleichen, erwirbt ſich wahr-
lich um die Bildung ſeiner Gemeine ein ſchlechtes
Verdienſt. Nur der Menſch, der ſeine Wuͤrde und
ſeine Rechte als Menſch erkennt und fuͤhlt, vermag
es ſich zu einer hoͤhern Stufe von Sittlichkeit zu
erheben, welche dem, der ſich ſelbſt als ein veraͤcht-
liches, bloß zum Dulden und zum blinden Gehor-
chen und Glauben erſchaffenes Weſen betrachtet,
zu erſteigen unmoͤglich iſt.
Was ſchon Chriſtus an den juͤdiſchen Phari-
ſaͤern ſo oft und ſo bitter tadelte, die leidige Hei-
ligthuerei, war von jeher und iſt noch jetzt eins
der beliebteſten und kraͤftigſten Mittel chriſtlicher
Bonzen, um ſich bei der Welt in Anſehen zu ſetzen.
Richtet nicht, ſo werdet Jhr auch nicht gerichtet!
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 239. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/239>, abgerufen am 22.12.2024.
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